Verkehrsminister Andreas Scheuer und die Rosenheimer Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig stellten sich dem Protest gegen den Brenner-Zulauf. (Bild: Büro Ludwig)
Brennerzulauf

Im Dialog mit den Bürgern

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer stellte sich dem Protest gegen den Brennernordzulauf und erklärte die laufenden Planungen. Die Rosenheimer CSU-Bundestagsabgeordnete Daniela Ludwig kann dabei einen Erfolg verbuchen.

Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer kam nach Rosenheim, um mehrere Stunden mit dem Landrat, der Rosenheimer Oberbürgermeisterin, Bürgermeistern und Bürgerinitiativen über den Brennernordzulauf zu sprechen. Die Bahn rechnet wegen des Tunnels mit steigendem Güterverkehr über die Alpen und wurde deshalb vom Bund beauftragt, zu prüfen, wo im Rosenheimer Land die Zulaufstrecke gebaut werden könnte. Der Brennerbasistunnel zwischen Österreich und Italien soll 2026 eröffnet werden.

Bis zu 320 Züge am Tag

Scheuer präsentierte bei dem Gespräch auch die versprochenen Zahlen und Studien. Durch den Brennerbasistunnel sollen täglich bis zu 400 Züge passieren. Derzeit fahren auf dem bayerischen Zulauf täglich 185 Züge auf der Bestandsstrecke durch das Inntal. „Bis 2030 sollen es 226 Züge werden“, so Scheuer. „Damit ist die Obergrenze von 260 Zügen nicht erreicht. Mit Einführung von ETCS (Anm. d. Red.: European Train Control System) können wir die Kapazität auf 320 Züge pro Tag erhöhen.“ Bis zum Jahr 2050 liegen vier Szenarien vor. Je nach Berücksichtigung verschiedener Faktoren – so etwa der Ausbau Italienischer Häfen oder die Entwicklung des Brutto-Inlandproduktes – werden in diesen Szenarien zwischen 401 und 558 Züge pro Tag erwartet. „Diese Szenarien wurden bei einem konstant bleibenden Personenverkehr entwickelt. Doch auch hier müssen wir mit Steigerungen rechnen“, betonte Scheuer.

Eine Zerschneidung der Landschaft möchte ich nicht haben.

Markus Söder

Wenn es zu einer Neubautrasse kommen sollte, das hat Ministerpräsident Markus Söder Ende 2018 im BR gefordert, dann gebe es für ihn zwei Vorgaben. „Sie muss entweder unter der Erde oder durch den Berg geführt werden. Eine Zerschneidung der Landschaft möchte ich nicht haben.“

Der Bundesverkehrsminister kam den Gegnern der Planungen nun entgegen, auch wenn er verdeutlichte: „Den Planungsstopp wird es nicht geben. Es gibt einen klaren Auftrag. Ich kann keinen Stopp verhängen.“ Künftig soll aber auch die Bestandsstrecke im Inntal in die Planungen mit einbezogen werden – ein Erfolg der Rosenheimer CSU-Bundestagsabgeordneten Daniela Ludwig, die sich dafür eingesetzt hatte. Bereits im Sommer sollen Pläne dafür vorliegen, teilte Scheuer mit. Die Trassenpläne sollen bis zum Juli auf die fünf wahrscheinlichsten Varianten reduziert werden. In der Zwischenzeit soll der Lärmschutz an der Bestandsstrecke ausgebaut werden.

„Bevor wir neue Flächen verbrauchen, müssen wir Kapazitätserweiterungen im Bestand prüfen und planen“, betonte Ludwig. „Die Planungen dazu müssten „schnell und zeitnah“ erfolgen, auch weil bis auf Weiteres die Verkehre auf der Bestandsstrecke abgewickelt werden müssen. Wesentliche Punkte sind für die verkehrspolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion die Prüfung von Ortsumfahrungen und die Digitalisierung der Strecke durch ETCS.

Ludwig forderte zugleich die Deutsche Bahn auf, den längst beschlossenen und vom Bund finanzierten Lärmschutz zügiger zu realisieren. „Die Bearbeitung dauert viel zu lange. Hier müssen schnellstmöglich Pläne auf den Tisch“, kritisierte Ludwig die bisherige Verfahrensweise. Auf den Prüfstand sollen zudem die geplanten Verknüpfungsstellen, die für das Inntal eine große Belastung darstellen würden. Besonderes Augenmerk forderte Ludwig auch für den Streckenabschnitt Rosenheim – Trudering: „Hier sind wir mit 260 Zügen täglich schon jetzt an einer Belastungsgrenze.“

Kein „Weiter so“ beim Bürgerdialog

Um die Bevölkerung mit einzubinden in die Planung, wurde bereits von Scheuers Vorgänger Alexander Dobrindt ein Bürgerdialog ins Leben gerufen. Gegen die Ängste der Bevölkerung hilft der aber nur bedingt: Befürchtet werden unter anderem eine lange Bauphase von 15 Jahren, starke Lärm- und Verkehrszunahme, ein Verlust von Natur, der Lebensqualität und des Wohnwerts. Landwirte sorgen sich um ihre Ackerflächen. Die Neubau-Gegner wollen, dass die bestehenden Gleise im Inntal ausgebaut und ertüchtigt werden.

Ein echter Bürgerdialog geht nur mit den Bürgern.

Daniela Ludwig

Scheuer zeigte sich offen für Veränderungen am Planungsdialog, der in verschiedenen Foren auf starke Kritik gestoßen war. Er forderte die Bürgerinitiativen auf, Änderungsvorschläge einzureichen. „Über Modalitäten, Personalien und Zusammensetzung können wir sprechen.“ Scheuer und Daniela Ludwig machten deutlich, dass die Realisierung von Großprojekten nur mit den Bürgern gemeinsam möglich sei. Das hob der Minister auch in seiner Ansprache an die rund 3000 Demonstranten vor dem Landratsamt hervor. „Ich bin offen für Kritik.“ Ludwig erklärte: „Beim Bürgerdialog kann es kein ‚weiter so‘ geben. Wir möchten und müssen die Unzufriedenheit minimieren. Über 4000 Menschen sind in den Bürgerinitiativen engagiert. Ein echter Bürgerdialog geht nur mit den Bürgern.“

Brennerzulauf ist „kein Projekt einer Partei“

Der Protestzug der rund 3000 Demonstranten zog als Sternmarsch zum Rosenheimer Landratsamt, begleitet von rund 150 Traktoren. Scheuer stellte sich und machte den Demonstranten klar, dass der Nordzulauf „kein Projekt einer Partei“ ist, also auch nicht der CSU. Zuletzt hatte sich im BR sogar der grüne Bundestags-Fraktionschef Anton Hofreiter für den Neubau ausgesprochen. Nur mit solchen Projekten könne es gelingen, den Güterverkehr verstärkt von der Straße auf die Schiene zu bringen.

Bahn und Spediteure fordern Zulauf

Die Deutsche Bahn hält den Initiativen entgegen, es gehe um die Zukunft. „Es geht um die Kapazitäten, die man für kommende Generationen braucht“, sagte ein DB-Sprecher. Auch der Landesverband Bayerischer Spediteure LBS begrüßte die klare Stellungnahme des Bundesverkehrsministers. „Es ist bei diesem wichtigen Projekt auf deutscher Seite schon viel zu viel Zeit ungenutzt verstrichen“, sagt LBS-Geschäftsführerin Sabine Lehmann. „Wenn wir es ernst meinen mit der Verlagerung von Güterverkehr von der Straße auf die Schiene, führt am BBT kein Weg vorbei – und ist es dringend erforderlich, dass auch auf deutscher und bayerischer Seite eine leistungsfähige und zuverlässige Infrastruktur entsteht.“ Die Spediteure würden gerne diese Möglichkeiten für mehr Schienentransporte nutzen. Aus ihrer Sicht wäre es grob fahrlässig, wenn die mit Hochdruck betriebenen Arbeiten am BBT durch einen Flaschenhals auf deutscher Seite konterkariert würden. Es gehe schließlich um europäische Warenströme und Bayern liege „im Herzen Europas“. Auch die Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Bayern und seiner Unternehmen sei gefährdet.

Auch die Vereinigung der Bayerischen Wirtschaft e. V. (vbw) betonte die Bedeutung des Brennerbasistunnels und seines bayerischen Zulaufs für den Standort Bayern. Der Tunnel werde nach seiner Inbetriebnahme 2026 das Herzstück des Transeuropäischen Netze-Korridors von Helsinki nach Malta bilden. Die Verkehrsachse Nord-Süd sei für die bayerische Wirtschaft äußerst wichtig. „2017 war Italien für Bayern der sechstgrößte Exportmarkt. Mehr als sechs Prozent der Ausfuhren aus dem Freistaat gingen nach Italien. Als Importpartner Bayerns lag Italien sogar auf Platz vier. In den ersten elf Monaten 2018 flossen Warenströme in Höhe von rund 23 Milliarden Euro in beide Richtungen“, betonte Hauptgeschäftsführer Bertram Brossardt.

Der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) lobte im Münchner Merkur ebenfalls den Auftritt des deutschen Verkehrsministers in Rosenheim. Dass Scheuer „Linie gezeigt hat, ist anerkennend festzustellen“, erklärte Platter. Tirol und Bayern streiten seit langem über den Lkw-Transitverkehr und die von Tirol nach Feiertagen verfügten Blockabfertigungen.