Klartext von CSU-Chef Horst Seehofer in Bundespressekonferenz in Berlin. (Foto: Imago/Emmanuele Contini)
Wahlanalyse

Offene Debatte über Strategie und Personen

CSU-Chef Seehofer hat angekündigt, seine Partei werde sich mehr um „grüne“ Themen kümmern. Die „vertiefte“ Analyse des Wahlergebnisses, vermutlich auf einem Sonderparteitag im Dezember, könne „durchaus“ zu personellen Konsequenzen führen.

Um Wähler von den Grünen zurückzugewinnen, will die CSU nach den Worten von Parteichef und Bundesinnenminister Horst Seehofer künftig mehr grüne Politik machen. Seehofer sagte vor der Bundespressekonferenz in Berlin, die CSU müsse sich bei der Umwelt- und Klimapolitik, beim Naturschutz und Reduzierung des Flächenverbrauchs besser aufstellen. Beim Thema Nachhaltigkeit müsse sich seine Partei neu orientieren. Für jedes Sachthema solle es künftig öffentlich bekannte, profilierte Experten in der CSU geben. Es gehe nicht darum, deshalb mit den Grünen zu koalieren, sondern diese Defizite in der eigenen Partei abzubauen.

Wir treten ein für Stabilität in Bayern. Daher dürfen wir jetzt keine Ursachen für Instabilität setzen. Das wäre ein Widerspruch im eigenen Projekt.

Horst Seehofer, CSU-Chef und Bundesinnenminister

Seehofer bekräftigte, die CSU wolle wohl am ehesten mit den Freien Wählern ein Regierungsbündnis in Bayern eingehen. Alle Entscheidungen und Prozesse, die die Stabilität Bayerns stärken, seien nun vordringlich anzugehen, und zwar bis zur verfassungsmäßig vorgeschriebenen Wahl des Ministerpräsidenten – also am 12. November. „Wir treten ein für Stabilität in Bayern. Daher dürfen wir jetzt keine Ursachen für Instabilität setzen. Das wäre ein Widerspruch im eigenen Projekt“, begründete Seehofer dies.

Seehofer „durchaus“ offen für personelle Konsequenzen

Danach solle die CSU das Landtagswahlergebnis „vertieft“ und „ernsthaft“ analysieren – und zwar zwischen der Ministerpräsidentenwahl am 12. November und der zweiten Dezemberwoche. Seehofer sagte: „In diesen vier Wochen muss das stattfinden, mit all den Entscheidungen, die dazu notwendig sind.“ Jedes CSU-Mitglied könne dazu selbstverständlich offen seine Meinung sagen, sagte Seehofer, sonst sei es keine ehrliche Analyse. Auch personelle Fragen, „über die zu diskutieren ich durchaus auch bereit bin“, sollten dabei entschieden werden, sagte Seehofer.

Wenn man mehr als zehn Prozent verliert, kann man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen.

Horst Seehofer

Er vermute, „dass wohl das beste Instrument, weil die Basis da am besten versammelt ist, ein Parteitag der CSU wäre, aber das ist noch nicht entschieden“. Den genauen Rahmen – Regionalkonferenzen oder Sonderparteitag – werde er zeitnah mit Söder und den zehn CSU-Bezirksvorsitzenden besprechen. Unterdessen sprach sich bereits der größte CSU-Bezirksverband Oberbayern für einen Sonderparteitag aus. Die Stimmung im Bezirksvorstand sei klar „für einen Parteitag“ gewesen, so CSU-Bezirkschefin Ilse Aigner.

Wähler sind viel anspruchsvoller als früher

Die CSU müsse strategische Fragen dringend klären, unterstrich Seehofer. „Wenn man mehr als zehn Prozent verliert, kann man nicht einfach zur Tagesordnung übergehen“. Das Wahlergebnis deute auf „tiefergehende Wandlungsprozesse in der Gesellschaft“ hin. Es reiche für einen Wahlsieg nicht mehr aus, wenn alle Bürger Arbeit hätten und die Sozialleistungen gerecht geregelt seien, oder wenn eine Regierung eine hervorragende Bilanz ihrer Arbeit vorlege. „Wenn wir wieder für bessere Wahlergebnisse sorgen wollen, müssen wir auf solche Veränderungen reagieren“, sagte der CSU-Chef. Bemerkenswert sei auch, dass die CSU doppelt so viele Wähler an FW und AfD verloren habe wie an die Grünen. SPD und Grüne hätten bei der Landtagswahl in der Summe verloren, rechnete Seehofer vor – trotz diverser Großdemonstrationen in München gegen Teile der CSU-Politik.

Wir wollen diese große Koalition. Wir wollen, dass sie erfolgreich arbeitet.

Horst Seehofer

Ein vorzeitiges Ende der Regierungskoalition im Bund schloss Seehofer aus. „Wir wollen diese große Koalition. Wir wollen, dass sie erfolgreich arbeitet.“ Das bedeute aber nicht, dass es in Zukunft keine strittigen Diskussionen mehr geben werde. Er sehe unter anderem bei der Formulierung des geplanten Gesetzentwurfs zur Fachkräftezuwanderung großen Gesprächsbedarf. Angesprochen auf die Interview-Äußerungen der CDU-Ministerpräsidenten Volker Bouffier und Daniel Günther, die heftige Kritik an der CSU äußerten, sagte Seehofer, so etwas sei „ungewöhnlich“, er glaube aber nicht an eine „konzertierte Aktion“, um der CSU bewusst zu schaden. „Auf keinen Fall.“

Seehofer räumt Fehler in Stilfragen ein

Gleichzeitig räumte Seehofer ein, in der Debatte über Zurückweisung von Sekundärmigranten an den deutschen Grenzen möglicherweise nicht immer den richtigen Stil und Ton getroffen zu haben. Ansonsten habe er sich in den Diskussionen in der großen Koalition über die Flüchtlingspolitik oder in der Causa Maaßen „immer an der Sache orientiert“, sagte Seehofer. „Die Kritik in Stilfragen nehme ich an. Aber es muss wieder ein Stück selbstverständlicher werden, eine Debattenkultur, dass man nicht in jeden sachlichen Dissens gleich Machtfragen reininterpretiert.“

Der Fall Maaßen war völlig unnötig und hat die gute Sacharbeit der Koalition überdeckt und überstrahlt.

Horst Seehofer

Seehofer bekräftigte, im Fall des Präsidenten des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen hätten von vorneherein drei Möglichkeiten auf dem Tisch gelegen, darunter eine Tätigkeit als Sonderberater. Da bei den Äußerungen Maaßens zu den Vorgängen in Chemnitz in der Bild-Zeitung kein Dienstvergehen vorgelegen habe, sei eine Beförderung zum Staatssekretär auf Grund der Fachkompetenz möglich gewesen. Angesichts der öffentlichen Erregung habe man nochmals anders entschieden. Seehofer betonte, der Fall Maaßen sei „völlig unnötig“ gewesen und habe manches andere, insbesondere die gute Sacharbeit der Koalition, „überdeckt und überstrahlt“.

Seehofer teilte mit, bereits am 8. November werde die Europäische Volkspartei (EVP) in Helsinki den Spitzenkandidaten für die Europawahl 2019 küren. Seehofer betonte, diese riesige Chance wolle die CSU auf jeden Fall nutzen und den CSU-Vize und EVP-Fraktionschef Manfred Weber bei seiner Kandidatur tatkräftig unterstützen.