„Unser Kontinent“
Mit zwei dramatischen Worten hat Königin Elisabeth in Berlin Stellung genommen zur Europa-Debatte in Ihrem Land. Ihre Ermahnung richtet sich aber nicht nur an ihre eigenen Untertanen, sondern an alle Europäer – und an Brüssel. Das ist jetzt klar: Die Queen ist keine Anhängerin des Brexit.
Königin Elisabeth

„Unser Kontinent“

Mit zwei dramatischen Worten hat Königin Elisabeth in Berlin Stellung genommen zur Europa-Debatte in Ihrem Land. Ihre Ermahnung richtet sich aber nicht nur an ihre eigenen Untertanen, sondern an alle Europäer – und an Brüssel. Das ist jetzt klar: Die Queen ist keine Anhängerin des Brexit.

„Unser Kontinent“ hat Königin Elisabeth in Berlin gesagt. Sogar zwei Mal. Ein starkes, fast dramatisches politisches Statement in nur zwei Worten. Typisch Königin Elisabeth. Großbritannien läuft auf ein Referendum über seine weitere EU-Mitgliedschaft vor. Premierminister David Cameron fordert von Brüssel EU-Reformen in britisch-distanziertem Sinne. In Großbritannien tobt eine laute Debatte darüber. Nicht nur die euroskeptische United Kingdom Independence Party (Ukip), die britische Unabhängigkeitspartei, will am liebsten aus der EU austreten, sondern auch eine Minderheit in der konservativen Regierungspartei von David Cameron. Und eine gewisse Distanz zu Kontinentaleuropa darf im Königreich als weit verbreitet gelten. Aber die Queen spricht von „unserem Kontinent“. Soviel ist damit jedem klar: Königin Elisabeth ist keine Befürworterin des Brexit – des Ausstiegs Großbritanniens aus der Europäischen Union – und des britischen Abschieds von „unserem Kontinent“. Und sie sagt es, in nur zwei Worten, mit unvergleichlicher Autorität. Das ist aufregend.

Queen bezieht Stellung

„Unser Kontinent“ – in den zwei Worten darum eine Ohrfeige für ihren Premier zu sehen, wäre trotzdem falsch. Schon darum, weil die Queen eigentlich kein Wort öffentlich spricht, das Ihre Regierung ihr nicht aufgeschrieben oder wenigstens gegengelesen und redigiert hat – was ihre Berliner Worte nur noch interessanter macht. Die Queen verteilt auch keine Ohrfeigen. Sie hat das nicht nötig. Aber sie hat mit ihren zwei Worten deutlich Stellung genommen zur Europa-Debatte in ihrem Königreich und vielleicht auch zu den Referendumsplänen der Regierung Ihrer Majestät. Es lohnt, den letzten, zweiten Teil der kurzen Europa-Passage ihrer Rede vollständig wiederzugeben. Es handelt sich um die Schlusssätze ihrer Ansprache während des festlichen Banketts im Schloss Bellevue. Sie werden in Erinnerung bleiben:

Wir haben unseren Kontinent in unserem Leben von seiner schlechtesten, aber auch von seiner besten Seite kennengelernt. Wir haben erlebt, wie schnell sich die Dinge zum Guten wenden können. Wir wissen aber auch, dass wir uns ernsthaft anstrengen müssen, die positiven Veränderungen in der Welt seit dem Krieg zu erhalten. Wir wissen, dass Spaltung in Europa gefährlich ist und dass wir uns davor in Acht nehmen müssen, im Westen wie auch im Osten unseres Kontinents. Dies bleibt unser gemeinsames bestreben.

Königin Elisabeth II.

Unser Kontinent, für den wir uns ernsthaft anstrengen müssen und vor dessen Spaltung wir uns in Acht nehmen müssen. Die königliche Ermahnung ist nicht nur an die eigenen Untertanen gerichtet. Sondern genauso an alle übrigen Europäer und erst recht an Brüssel, das niemanden, eben auch die Briten nicht, überfordern soll: Es ist „unser Kontinent“, nicht nur Eurer. Auch so darf man die Queen – und vielleicht ihren Redenschreiber in 10 Downing Street – verstehen. Denn wenn Königin Elisabeth sich politisch äußert, hat in der Regel nicht nur ein Zuhörer, sondern jeder guten Grund, genau hinzuhören und nachzudenken. Die Voraussage darf man wagen: Am Schluss wird sich wohl die Autorität Ihrer Majestät und ihr Wort von „unserem Europa“ durchsetzen: Aktuellen Umfragen zufolge wollen derzeit 61 Prozent der Untertanen von Königin Elisabeht, dass ihr Land Mitglied der Europäischen Union bleibt.