Wertvolle Staatsbürgerschaft
Die deutsche Staatsbürgerschaft ist etwas Wertvolles, weil sie für die Verbundenheit mit unserem Staat und seinen Werten steht. Deshalb müssen wir Einbürgerungen genau prüfen. Das Einwanderungsland Amerika bürgert sogar nach 46 Jahren noch aus.
Deutscher Pass

Wertvolle Staatsbürgerschaft

Kommentar Die deutsche Staatsbürgerschaft ist etwas Wertvolles, weil sie für die Verbundenheit mit unserem Staat und seinen Werten steht. Deshalb müssen wir Einbürgerungen genau prüfen. Das Einwanderungsland Amerika bürgert sogar nach 46 Jahren noch aus.

„Es gibt keine halben oder ganzen, keine Bio- oder Passdeutschen. Es gibt keine Bürger erster oder zweiter Klasse.“ Das sagte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier bei einer eher exklusiv klingenden „türkisch-deutschen Kaffeetafel“. Steinmeier weiter: „Es gibt keine Deutschen auf Bewährung, die sich das Dazugehören immer neu verdienen müssen – und denen es bei angeblichem Fehlverhalten wieder abgenommen wird.“

Doppelstaatsbürger

Schön klingende Sätze mit moralischem Tiefgang – und eingebautem Vorwurf. Man darf über sie nachdenken. Denn sehr einfache und gar nicht seltene Dinge führen dann schnell zu Fragen: Wie verhält es sich mit einem Deutschen, der zwei Pässe hat und den einen nutzt, um in der Türkei einen Präsidenten-Diktator zu wählen?

Dass er eine andere Art Staatsbürger ist als ein Deutscher, der nur über einen Pass verfügt, liegt auf der Hand. Richtig ist auch, dass es durchaus nicht nur „türkische“ Doppel- oder gar Dreifachstaatsbürger gibt. Und dass viele einen Nachbarn mit zusätzlichem britischen, amerikanischen, französischen oder Schweizer Pass regelrecht beneiden.

Zweifelhafte Kandidaten

Wenn Steinmeiers Appell, denn das ist es, Wirkung haben soll, dann müssen allerdings Politik und Behörden in manchen Bundesländern schärfer nachdenken. Darüber, wen man einbürgert. Sollen wir Kandidaten, deren Töchter genitalverstümmelt sind oder die als Kinder verheiratet wurden, oder die daheim einen gewalttätigen Scharia-Gehorsam praktizieren, wirklich einbürgern? Oder Menschen, die in ihrer Heimat einen Diktator wählen, ihn unterstützen und für ihn hierzulande Spitzeldienste leisten? Oder Menschen, die sich an antisemitischen Demonstrationen unter dem Deckmantel der Israelkritik beteiligen? Weitere Beispiele dieser Art ließen sich problemlos finden. Darüber sollte man zumindest mal eine breite Diskussion ohne die üblichen Tabus führen. Schon bei der Einbürgerung müssen wir für unsere Werte stehen und aufstehen.

Denn davor, wohin eine solche Praxis der „passiven Toleranz“ führen kann, hat vor drei Jahren der damalige britische Premierminister David Cameron in einer wichtigen Rede in Birmingham gewarnt: „Es macht mich krank, daran zu denken, dass in unserem Land allein im vergangenen Jahr fast 4000 Fälle von weiblicher Genitalverstümmelung gemeldet wurden. 4000 Fälle, stellen Sie sich das vor. Und 11.000 Fälle sogenannter Ehrengewalt in den vergangenen fünf Jahren – und das sind nur die gemeldeten Fälle.“

Einbürgerung in den Sozialstaat

Richtig wäre es auch, grundsätzlich nur solche Kandidaten einzubürgern, die auf eigenen Füßen stehen können. Denn man kann fast verstehen, wenn andere Deutsche – die schon länger hier leben – Vorbehalte haben gegen „neue Deutsche“, für die sie dann ein Leben lang aufkommen sollen.

Der Pass ist nicht nur ein ganz wichtiges Stück Identität. Sondern für die Deutschen zugleich der dokumentierte Anspruch auf Teilhabe an ihrem deutschen Sozialstaat. Massenhafte Einbürgerung in den Sozialstaat wird darum zu Unmut führen, nicht zu Integration. Und ruiniert am Ende den Sozialstaat. Für alle.

USA: Ausbürgerung nach 46 Jahren

Deutschland sei ein Einwanderungsland geworden und werde es bleiben, sagt Steinmeier. Aufschlussreich ist da eine Lektion, die gerade eben wieder das klassische Einwanderungsland erteilt hat – Amerika. Schon im Jahr 2003 haben die Amerikaner dem 1923 in Polen geborenen KZ-Aufseher Jakiw Palij die US-Staatsbürgerschaft wieder entzogen – nach 46 Jahren, weil er bei der Einbürgerung seine NS-Vergangenheit verschwieg. Eine lange Bewährungsfrist, könnte man meinen. Jetzt haben sie den 95-jährigen Palij nach Deutschland ausgewiesen, obwohl der nie Deutscher war. Im Einwanderungsland USA ist es also sehr wohl ein großer Unterschied, ob man als Amerikaner geboren wurde oder eingebürgerter Immigrant ist. Woran sich dort aber normalerweise niemand groß stört.

Man lernt: Im großen Einwanderungsland Amerika kann eine Einbürgerung jederzeit widerrufen werden. Und nicht nur, wenn es um einen Bürger geht, der auch noch einen zweiten Pass hat, so wie das sogar die Franzosen vor zwei Jahren für islamistische Gefährder erwogen haben. Sondern sogar dann, wenn die betroffene Person in die Staatenlosigkeit fällt. Das deutsche Grundgesetz verbietet dagegen die Ausbürgerung (Artikel 16), wenn der Bürger dadurch staatenlos wird. Aber auch das Staatsangehörigkeitsgesetz kennt bestimmte Ausnahmen, etwa beim nicht genehmigten Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit, beim nicht genehmigten Eintritt in eine ausländische Streitkraft oder wenn man seine Einbürgerung durch falsche Angaben erschlichen hat. Dieses Gesetz kennt und trennt also sehr wohl Bio- und Passdeutsche. Einfacher und besser aber ist es, bei der Einbürgerung ganz genau hinzusehen.