Edmund Stoiber, CSU-Ehrenvorsitzender und ehemaliger bayerischer Ministerpräsident. (Foto: Nikky Maier/BK)
Stoiber-Kolumne

„Uns drohen amerikanische Verhältnisse“

Kolumne Aus dem aktuellen BAYERNKURIER-Magazin: Der CSU-Ehrenvorsitzende Edmund Stoiber kritisiert die Diffamierungskampagne gegen seine Partei und fordert die CSU-Mitglieder auf, kraftvoll und geschlossen in den Wahlkampf zu ziehen.

„Wir wollen keine amerikanischen Verhältnisse.“ Wie oft habe ich den Satz schon gehört, wenn es darum ging, vor einer als unsozial empfundenen freien Marktwirtschaft zu warnen. Ich finde, uns drohen amerikanische Verhältnisse, aber nicht beim Wirtschaftssystem, sondern aufgrund des immer rauer werdenden politischen Klimas. In den USA führen die Sprachwächter der „political correctness“ einen teilweise grotesken Kampf gegen missliebige Meinungen im Volk! Das droht uns auch in Deutschland.

Presserecht der kleinen Leute

Ich habe großen Respekt vor Demonstrationen als ein wichtiger Bestandteil der demokratischen Meinungsäußerung. Unser Demonstrationsrecht ist auch das Presserecht der kleinen Leute. Als Ministerpräsident war ich selber einige Male in der Situation, wo Zehntausende gegen meine Politik auf die Straße gegangen sind, zum Beispiel gegen bestimmte Sparmaßnahmen oder gegen die Einführung von Studiengebühren. Ich habe solche Einwände und Emotionen immer ernst genommen und mir die Frage gestellt: Ist an der Kritik nicht doch etwas dran? Muss ich meine Pläne anpassen?

Ich habe großen Respekt vor Demonstrationen.

Edmund Stoiber

Die jüngste Demonstration in München zielte jedoch in eine völlig andere Richtung. Während die Demonstranten während meiner Regierungszeit vor fünfzehn Jahren oder gegen die Volkszählung vor über dreißig Jahren eine konkrete Sachfrage anders behandelt wissen wollten, ging es den linken Organisatoren der Münchner Demonstration in erster Linie um Stimmungsmache gegen die CSU. Was sollen z.B. Parolen wie „F*** dich CSU“, „CSUrensöhne“, „CSU-Faschistenpack“ oder „Du mieser Haufen CSU“? Es ging nicht um die Lösung konkreter Probleme, sondern es wurde allgemein ein vermeintlicher „Rechtsruck“ der CSU, ein angeblich drohender „Überwachungsstaat“ und eine Verrohung der Sprache beklagt.

Unangemessene Ausdrucksweise

Manch einer, der der CSU eine unangemessene Ausdrucksweise vorwirft, sitzt ganz tief im Glashaus und sollte deshalb nicht mit Steinen werfen. So hatte der Schriftsteller Ani, der Horst Seehofer eine aus dem Zusammenhang gerissene Äußerung an seinem 69. Geburtstag vorwirft, in der „Abendzeitung“ einen unsäglichen Beitrag verfasst, den er selber, wäre der Beitrag von einem „Rechten“ geschrieben worden, zu Recht als grobe Hetze bezeichnet hätte. Darin vergleicht er unter anderem Horst Seehofer mit der NSU-Terroristin Zschäpe und nennt ihn „Unchrist“. Die von mir bislang geschätzte ehemalige bayerische SPD-Vorsitzende Renate Schmidt passt sich diesem abstoßenden Niveau an und gibt Seehofer in einem offenen Brief eine Mitschuld am Tod von Flüchtlingen im Mittelmeer.

Eine gezielte Verhetzung der CSU und ihrer Politik ist nichts Neues. Die CSU war immer im verbalen Fadenkreuz linker Parteien. Mich erinnert diese Kampagne, die von verschiedenen Medien gezielt befeuert wird, an die linke „Stoppt Strauß“-Kampagne, als 1980 Franz Josef Strauß Kanzlerkandidat der Union war. Schon damals wurde mit allen Mitteln und unsauberen Argumenten versucht, Strauß persönlich und damit auch die CSU in die rechte Ecke zu stellen. Nebenbei bemerkt, holte Strauß dennoch mehr Stimmen als Helmut Schmidt.

Die Mitglieder und Anhänger der CSU sollten sich von der laufenden Diffamierungskampagne nicht entmutigen lassen.

Edmund Stoiber

Neu ist heute, dass die CSU als große Mitte-rechts Volkspartei in ihrem Anspruch, Politik auch für die schweigende Mehrheit und die nicht so wortmächtigen kleinen Leute zu machen, nicht nur von links, sondern auch von rechts angegriffen wird. Die Linken bezeichnen die CSU als herzlos, die AfD wirft ihr vor, nichts durchzusetzen. All diese Polemik ist weit weg von der Realität und von einer Reihe von (gewollten) Missverständnissen geprägt, die allerdings auch von Fragen des politischen Stils befördert wurden.

Die Mitglieder und Anhänger der CSU sollten sich von der laufenden Diffamierungskampagne nicht entmutigen lassen, sondern die Auseinandersetzung um die Inhalte offensiv führen, ohne in die Wortwahl ihrer Gegner abzugleiten. Die vielbeachtete „BayernTrend“-Umfrage des BR hat aufgezeigt, dass die Migration von der bayerischen Bevölkerung mit weitem Abstand als das wichtigste Thema, als die größte politische Herausforderung der Gegenwart gesehen wird.

Vertrauen in den Rechtsstaat

Ein Totschweigen des Themas hilft uns bei dieser Einstellung der Bevölkerung nicht weiter. Es bleibt Aufgabe der CSU, das Vertrauen in den Rechtsstaat wiederherzustellen, das seit dem Kontrollverlust im Herbst 2015 bei vielen beschädigt ist. Das Gefühl des Versagens des Rechtsstaats kommt auch daher, dass lautstarke Gruppen die rechtskräftigen Urteile zur Abschiebung von Asylbewerbern aus behaupteten moralischen Erwägungen grundsätzlich nicht akzeptieren. Aber selbst das einer Polemik gegen Flüchtlinge völlig unverdächtige UN-Flüchtlingshilfswerk stellt sehr richtig fest, dass es die Akzeptanz des deutschen Asylsystems beschädigt, wenn abgelehnte Asylbewerber nicht zeitnah abgeschoben werden. Die CSU hat die Sachargumente in der Migrationspolitik auf ihrer Seite!

Wir müssen jetzt die Aufgeregtheit aus der Debatte nehmen und uns geschlossen der Kampagne der Linken und Rechten gegen die CSU als große Volkspartei entgegenstellen. Klar ist: Die CSU kann mit den aktuellen Umfragen nicht zufrieden sein. Zu Mutlosigkeit besteht aber überhaupt kein Anlass. 55 Prozent der bayerischen Wähler haben sich noch nicht für eine Partei entschieden, das ist deutlich mehr als vor der Landtagswahl 2013.

Eine Prognose von 38 Prozent für die CSU, die sich auf nur 45 Prozent der bereits entschiedenen Wählerinnen und Wähler stützt, ist nur beschränkt aussagekräftig, weil eben über die Hälfte noch keine abschließende Meinung hat. Die CSU in München und Berlin muss diese Unentschlossenen in den nächsten Wochen und Monaten durch konsequente Sacharbeit in der Migrationspolitik und anderen wichtigen Politikfeldern wie Wirtschaft, Soziales oder Bildung, aber auch durch Leidenschaft für unser Land Bayern für sich gewinnen.