CSU-Parteivorsitzender und Bundesinnenminister Horst Seehofer. (Foto: BK/Nikky Maier)
Migration

CSU sieht keine Alternative zur Zurückweisung

Im Streit um die Asylpolitik will die CSU in einem Spitzengespräch mit der CDU doch noch eine Lösung herbeiführen. Zuvor hatte Bundesinnenminister Seehofer die Vorschläge der Bundeskanzlerin zurückgewiesen und seinen Rücktritt angeboten.

In einem Spitzengespräch mit der CDU will die CSU am heutigen Montag eine Lösung des Streits um die Migrationspolitik herbeiführen. „Wir werden noch einmal ein Gespräch führen, in der Hoffnung, dass wir uns verständigen“, sagte Bundesinnenminister Horst Seehofer nach einer gemeinsamen Sitzung von CSU-Parteivorstand und CSU-Landesgruppe im Bundestag. Dies sei dringend geboten mit Blick auf die Handlungsfähigkeit der Bundesregierung. Es gehe bei dem Gespräch um die Fragen von Grenzkontrollen und Zurückweisungen.

Zuvor hatte Seehofer angesichts der anhaltenden Auseinandersetzung mit der CDU erklärt, er stelle seine Ämter als Bundesinnenminister und CSU-Parteivorsitzender zur Verfügung. Das Gespräch am Montag sei aber noch einmal ein „Zwischenschritt“. Er hoffe, so Seehofer, dass eine Einigung gelinge. Alles weitere werde nach diesem Gespräch entschieden.

Unterstützung für den Masterplan Migration

Parteivorstand und Landesgruppe hatten zuvor in der Nacht zum Montag nach einer fast zehnstündigen Sitzung und intensiven Diskussionen mit mehr als 50 Wortmeldungen folgenden Beschluss gefasst:

  1. Der CSU-Parteivorstand und die CSU Landesgruppe im Bundestag unterstützen den Masterplan Migration von Bundesinnenminister Horst Seehofer und halten die Zurückweisung an der Grenze für einen unerläßlichen Bestandteil.
  2. Der CSU-Parteivorstand und die CSU-Landesgruppe im Bundestag unterstützen eine Neuordnung der Migrationspolitik. Dazu gehören neben europäischen Maßnahmen auch nationale Maßnahmen.
  3. Der CSU-Parteivorstand und die CSU-Landesgruppe im Bundestag wollen morgen ein Spitzengespräch im Interesse der Handlungsfähigkeit der Regierung und der Koalition zu der strittigen Frage der Grenzzurückweisung, um eine abschließende Lösung zu erreichen.

Vor der Abstimmung hatte Bundesinnenminister Horst Seehofer in einem knapp einstündigen Vortrag seine Sicht auf die jüngsten EU-Beschlüsse und die Vorschläge von Bundeskanzlerin Merkel dargelegt. Es ging dabei vor allem um die Frage, ob die von Merkel angebotenen Lösungen wirkungsgleich mit der Zurückweisung bestimmter Migranten an der Grenze seien. Seehofers Masterplan Migration beinhaltet unter anderem  Zurückweisungen von Migranten, die bereits in einem anderen EU-Mitgliedsstaat einen Asylantrag gestellt haben oder dort als Asylsuchende registriert sind. Die Bundeskanzlerin lehnt dies ab.

Kritik an Merkels Vorschlägen

Seehofer erklärte aus einer Bewertung seines Ministeriums gehe hervor, dass die EU-Beschlüsse und Merkels daran anknüpfende Vorschläge kein „wirkungsgleiches Surrogat“ für die Zurückweisungen an der Grenze seien. Zwar seien die Ergebnisse des Gipfels der europäischen Regierungschefs ein Fortschritt, doch der Weg zur Umsetzung sei noch weit und schwierig. Vorhaben wie Ankerzentren innerhalb und außerhalb Europas sowie eine gerechtere Verteilung fordere die CSU bereits seit langem. Beide Punkte seien aber nur als freiwillige Maßnahme im Beschluss aufgeführt. Nur mit ihrer Umsetzung würden sie Wirkung entfalten.

Auch die weiteren Punkte aus dem Gipfelpapier wertete Seehofer als nicht wirkungsadäquat zur Zurückweisung an der deutschen Grenze. So würde der Vorschlag der Bundeskanzlerin, bereits in einem anderen EU-Land registrierte Asylbewerber in deutsche Ankerzentren zu bringen und dort ein beschleunigtes Asylverfahren durchzuführen, bedeuten, dass Deutschland für etwa 80 Prozent aller Asylverfahren in der EU rechtlich zuständig wäre. Das wäre nicht nur mit einem nationalen Alleingang gleichzusetzen, sondern wäre vor allem eine Verschlechterung gegenüber der jetzigen Situation. Derzeit würden Asylbewerber nach der Dublinverordnung an das Land der Ersteinreise überstellt. Mit diesem Beschluss würde sich Deutschland für all diese Verfahren selbst zuständig machen, erläuterte Seehofer. Das bedeute am Ende wesentlich mehr Zuwanderung, so der CSU-Vorsitzende.

Mehr Zuwanderung statt weniger

Auch die vereinbarten Verhandlungen mit anderen EU-Ländern über bilaterale Abkommen zur Rücknahme von Asylbewerbern sieht der Bundesinnenminister äußerst kritisch. Die für Deutschland wichtigsten Länder – Italien, Ungarn, Kroatien, Österreich – fehlten dabei. Mit diesen Ländern entlang der Hauptflüchtlingsroute seien keine Verhandlungen vorgesehen. Außerdem dementierten bereits viele der 14 von der Bundeskanzlerin benannten Länder diese Vereinbarung.

Lediglich Spanien und Griechenland hätten die Bereitschaft zu Asylrücknahmevereinbarungen signalisiert. Doch EURODAC-Fälle aus Spanien seien zahlenmäßig absolut zu vernachlässigen, führte Seehofer aus. Und Griechenland fordere im Gegenzug von Deutschland die Bearbeitung aller Fälle der Familienzusammenführung. Dies bringe im Ergebnis ebenfalls keine Verbesserung, sondern ein Mehr an Zuwanderung.

In der Praxis bedeuteten diese Vorschläge, an deren Erstellung sein Ministerium nicht beteiligt gewesen sei, deutlich mehr Asylverfahren, sagte Seehofer. Die von Merkel präsentierten Lösungen würden eine illegale Einreise nicht verhindern. Nur eine Zurückweisung an der Grenze könne dies gewährleisten.

Rücktritt als Option

Seehofer berichtete in der Sitzung auch von seinem Gespräch mit Merkel am Samstag. Dort habe er ihr erneut ein Kompromissangebot unterbreitet. Er habe vorgeschlagen, keine bereits registrierten Migranten aus denjenigen Ländern zurückzuweisen, mit denen über eine beschleunigte Rückführung verhandelt werde. Dies betreffe derzeit in erster Linie Griechenland. Doch die Bundeskanzlerin habe diese Lösung abgelehnt – wie zuvor bereits andere Einigungsvorschläge.

Angesichts dieser Situation gebe es drei Optionen, erläuterte Seehofer den CSU-Politikern: Entweder die CSU beuge sich dem Kurs Merkels in der Asylpolitik. Oder er ordne als Innenminister Zurückweisungen bestimmter Migranten an der deutschen Grenzen an – mit der Folge, dass die Bundeskanzlerin darauf reagieren könne und mit sich daraus ergebenden erheblichen Belastungen für das Regierungshandeln und den Bestand der Koalition. Die dritte Option sei, dass er als Parteichef und Minister zurücktrete – und das habe er auch vor zu tun.

Endgültig ist Seehofers Entscheidung aber noch nicht. Nach Gesprächen in der engsten Parteiführung sagte er, er werde das Gespräch mit der CDU am Montag abwarten.