Ehren-Sudetendeutscher: Schirmherr und Ministerpräsident Markus Söder (M.) wurde begeistert von den Sudetendeutschen empfangen und erhielt vom Chef der Landsmannschaft, Bernd Posselt (r.) und dem bayerischen Landesvorsitzenden Steffen Hörtler (l.) die Ehrenurkunde für 20 Jahre Mitgliedschaft in der Landsmannschaft, Ortsgruppe Nürnberg-Eibach. (Foto: Michael Santifaller/ www.fotografie-santifaller.de)
Sudeten-Treffen

Das zarte Pflänzchen der Aussöhnung gedeiht

Interview Standing ovations für Markus Söder und ein klares Signal an die Nachbarn: Die Aussöhnung wird fortgesetzt, das gemeinsame Wertefundament gefestigt. Wie hat der Präsident der Landsmannschaft, Bernd Posselt, den 69. Tag der Sudetendeutschen erlebt?

Herr Posselt, der Sudetendeutsche Tag hat stets mit besonderen Gästen überrascht: 2016 war es der tschechische Kulturminister Herman, der um gegenseitige Vergebung bat, 2017 kam der tschechische Vizepremier Bělobrádek. Und auch heuer kam der Ministerpräsident. 

Markus Söder kam kraft seines Amtes als Schirmherr des vierten bayerischen Stammes, was mit der Funktion des Ministerpräsidenten institutionell verbunden ist. Es hat in den letzten Jahrzehnten wohl keinen Sudetendeutschen Tag gegeben, bei dem nicht der Regierungschef unseres Freistaates eine der Hauptreden hielt. Zu Horst Seehofer habe ich einmal, als es um dieses Thema ging, scherzhaft gesagt: Unser Sudetendeutsches Pfingsttreffen ohne den Ministerpräsidenten wäre wie ein „Urbi et Orbi“ ohne Papst. Und Edmund Stoiber sagte einmal zu einem tschechischen Gast: „Die Sudetendeutschen gehören in Bayern zur Staatsräson.“ Wir verleihen auch jedes Jahr den nach Kaiser Karl IV. benannten Europäischen Karlspreis, den diesmal der Wiener Erzbischof Kardinal Christoph Schönborn erhielt, ein großer Theologe und Europäer, der selbst aus Böhmen vertrieben wurde. Seine Worte gingen sehr zu Herzen. Wichtigster tschechischer Ehrengast war der Botschafter in Berlin, Tomáš Podivínský – der erste Botschafter seines Landes, der zu uns kam. Es erschienen auch Hunderte von tschechischen und deutschen Ehrengästen, sowohl aus der Zivilgesellschaft als auch aus der Politik.

Wie kam denn der neue Schirmherr, Ministerpräsident Markus Söder, bei den Sudetendeutschen an?

Selbst sehr kritische Zeitungen berichteten, daß Markus Söder von den in der Augsburger Schwabenhalle versammelten Tausenden von Sudetendeutschen „standing ovations“ erhalten habe. Seine klaren Aussagen, sein Verständnis für das schwere Schicksal der Vertriebenen und sein positiver Ausblick in eine gemeinsame europäische Zukunft haben begeistert.

Was waren die zentralen politischen Aussagen des Sudetendeutschen Tages?

In meiner Rede bei der Hauptkundgebung habe ich sie zusammengefasst: Energische und unbeirrte Fortsetzung des noch sehr zerbrechlichen Aussöhnungsprozesses, Unterstützung der deutschen Minderheit in der Tschechischen Republik, Arbeit an einem europäischen Volksgruppen- und Minderheitenrecht, Anmeldung unseres immateriellen Kulturerbes beim UNESCO-Kulturgüterschutz, mehr Nachbarschaftlichkeit zwischen Bayern und der Tschechischen Republik mit den Sudetendeutschen als Bindeglied, Eintreten für die Menschenrechte, insbesondere auch die durch die Vertreibung verletzten, und vor allem Festigung des uns alle tragenden Wertefundaments. Wir begrüßen das Bekenntnis der Bayerischen Staatsregierung zum Kreuz und sagen als begeisterte Europäer: Nicht das Kreuz braucht Europa, aber Europa braucht das Kreuz.

Nicht das Kreuz braucht Europa, aber Europa braucht das Kreuz.

Bernd Posselt

Markus Söder hat seine Hoffnung ausgedrückt, die sudetendeutsche Mundart zu retten. Ist da noch etwas zu retten?

Es gibt mehrere sudetendeutsche Mundarten mit ganz eigenem Charakter, ohne die die europäische Sprach- und Kulturlandschaft unendlich viel ärmer wäre. Sie werden dokumentiert im Epoche machenden Werk des Sudetendeutschen Mundartlexikons, von dem schon viele Bände erschienen sind, aber auch audiovisuell. Gesprochen werden sie noch von den in den böhmischen Ländern lebenden deutschen Minderheiten, von manchen Tschechen, von der älteren Generation der Vertriebenen, aber auch von etlichen Jungen. Letzteres erlebt man in erster Linie in Vertriebenensiedlungen wie Neugablonz, im Grenzgebiet und im Mundart-Arbeitskreis der Sudetendeutschen, der regelmäßig in unserer Bildungsstätte „Heiligenhof“ in Bad Kissingen tagt. Wir danken Markus Söder für seinen Vorstoß von Seiten des Freistaates noch mehr für die Rettung unserer Dialekte zu tun, auch in den Schulen.

Hat die Aussöhnung mit den Tschechen die erhoffte Durchdringung bis zu den einfachen Leuten bereits geschafft? Oder bleibt das auch künftig eine Daueraufgabe, damit der Versöhnungsprozess nicht auf der Ebene der Politik steckenbleibt?

Der Aussöhnungsprozess hat auf religiöser und kultureller Ebene begonnen, setzt sich zunehmend auch in breiteren Kreisen von Politik und Zivilgesellschaft fort, ist aber immer noch, wie Markus Söder in seiner Rede sagte, „ein zartes Pflänzchen“. Damit muss man sehr sensibel und sorgsam umgehen und es regelmäßig gießen, damit es nicht verdorrt oder zertrampelt wird. Wir haben einen ganz guten Anfang geschafft, es gibt aber noch sehr viel zu tun.

Für 2019 planen Sie, den Sudetendeutschen Tag nach Regensburg zu verlegen. Und irgendwann wollen Sie den Sudetendeutschen Tag in der Tschechischen Republik veranstalten. Das wäre dann aber wirklich eine Zeitenwende, oder?

Der 70. Sudetendeutsche Tag an Pfingsten 2019 findet in Regensburg statt, weil diese ehrwürdige Reichsstadt eng mit der Geschichte der Böhmischen Länder verbunden ist und weil sie außerdem die Patenstadt aller Sudetendeutschen ist. Das Treffen soll verbunden werden mit einem großen Donau-Moldau-Fest, zu dem wir uns Gäste aus dem ganzen Donauraum von Baden-Württemberg bis zum Schwarzen Meer erhoffen und noch mehr Tschechen und heimatverbliebene Sudetendeutsche aus den Böhmischen Ländern als bisher. Über einen Sudetendeutschen Tag in der Tschechischen Republik wird seit Jahren diskutiert, insbesondere in Brünn. Ich habe gesagt, daß wir uns freuen würden, wenn eine Einladung an uns erginge. Jedenfalls ich könnte mir vorstellen, daß es im Zeitraum zwischen 2020 und 2024 dazu kommt – und das wäre auf jeden Fall ein weiterer großer Schritt zu mehr europäischer Gemeinsamkeit.

Das Interview mit Bernd Posselt führte Wolfram Göll.