Uwe Brandl vertritt die Interessen von 11.000 Kommunen. (Foto: Picture Alliance/Armin Weigel/dpa)
Porträt

Dreifach-Kämpfer für Kommunen

Uwe Brandl ist Bürgermeister im niederbayerischen Abensberg, Chef des Bayerischen Gemeindetags und seit Anfang des Jahres auch noch Präsident des Deutschen Städte- und Gemeindebundes. Wie kann ein Mensch das alles schaffen?

Die sorgfältige Tagesplanung des Chefs von Abensberg wird erstmals früh um 8 Uhr über den Haufen geworfen: „Nur ganz kurz“ wolle er den Bürgermeister sprechen, hatte der junge Mann versprochen, er brauche bloß ein Ja oder Nein: Public Viewing während der Fußball-WM auf der Liebesinsel in den Abens-Auen – geht das? Ja oder nein? Aber natürlich ist es dann doch komplizierter: Sperrzeiten, Lärmbelästigung, Wasserwirtschaftsamt – „da brauche ich erst einmal ein Konzept“, sagt der Rathaus-Chef. Schwupp, schon steht der Fragesteller wieder vor der Tür, ohne Ja, ohne nein. Aber immerhin mit einem entschiedenen Jein.

Diese Begegnung zwischen Tür und Angel eröffnet den ganz normalen 16-Stunden-Arbeitstag des 1. Bürgermeisters der Kleinstadt Abensberg in Niederbayern. Seit 25 Jahren hat CSU-Politiker Uwe Brandl dieses Amt inne, es ist so etwas wie seine Lebensaufgabe geworden. Und offensichtlich hat er sogar noch Zeit übrig. Seit 2002 ist Brandl zusätzlich Präsident des Bayerischen Gemeindetages. Und seit 1. Januar 2018 steht der 58-jährige Jurist an der Spitze des Deutschen Städte- und Gemeindebundes.

Kreuz und Gesetze

Abensberg, München und Berlin stecken seither den Wirkungsradius Brandls ab; für 14.500 Bürger in Abensberg, gut 2.000 Städte und Gemeinden in Bayern und mehr als 11.000 Kommunen bundesweit ist er nun zuständig. Eine große Spielwiese für einen einzigen Mann. Ämterhäufung hatte ihm die politische Konkurrenz vorgeworfen und nachgefragt, auf wie vielen Hochzeiten er denn noch zu tanzen gedenke. „Erstens tanze ich gerne“, antwortete Brandl, „zweitens liebe ich Feste.“ Und drittens könne er noch so viele Hüte aufsetzen, es würde nichts ändern an dem Fakt: „Abensberg zuerst.“

Beim Gespräch mit den Leuten hört man am besten heraus, wo der Schuh drückt.

Uwe Brandl

Deshalb fühlt sich Brandls Abensberger Alltag trotz nationaler Ausweitung immer noch recht regional an: Ein Termin reiht sich an den nächsten, es geht heute um die Weihnachtsbeleuchtung an einem Geschäftshaus, um Bebauungspläne für ein neues Wohnprojekt, um den Schulsprengel und um Personalprobleme im Judoverein. An der Wand in Brandls eher funktionalem als repräsentativem Bürgermeister-Büro hängt das Kreuz, darunter stehen das BGB und das Bayerische Verwaltungsgesetz – Symbole für die Leitplanken, zwischen denen sich ein christ-sozialer Bürgermeister idealerweise bewegt.

Präsenz vor Ort

Am Sonntag noch war Brandl für den Städtebund in Berlin, gestern in München beim Gemeindetag. Und jetzt muss er schnell hinüberfahren zu einer Jubilarin. Blumen bringt Brandl zum 80. Geburtstag, dann sitzt er mit der Familie am Tisch, als hätte er heute nichts mehr vor: Wie geht’s gesundheitlich, wie läuft das Geschäft beim Junior? Und Gratulation zum ersten Urenkel!

„Sichtbare Präsenz“, sagt Brandl, „wird vom Wähler meist mehr belohnt als Aktenstudium und operative Tätigkeiten.“ Manche Bürgermeister interpretieren ihr Amt deshalb vor allem als repräsentative Aufgabe. So aber wollte Uwe Brandl seinen Job nie ausüben. Er klebt auch im Wahlkampf seine Plakate selbst, verteilte die Prospekte bei persönlichen Besuchen. „Beim Gespräch mit den Leuten hört man am besten heraus, wo der Schuh drückt. Und was die Fragestellung von morgen sein wird.“

In seinem Amt erlebt Brandl ganz direkt, woran es in der kommunalen Selbstverwaltung hapert. Beispiel Digitalisierung: „Die technologische Entwicklung krempelt derzeit unsere Gesellschaft komplett um“, konstatiert Brandl. Ländliche Gebiete kämpfen darum, in Sachen Breitbandausbau nicht abgehängt zu werden. Auch ein belastbares Funknetz und mobiles Internet sind heutzutage mitentscheidend für eine lebenswerte Stadt oder Gemeinde. Folgerichtig stellt Brandl das Thema in den Mittelpunkt seiner zweieinhalbjährigen Amtszeit im Gemeinde- und Städtebund: „Wir brauchen besseren Breitbandausbau und mehr Glasfasertechnik“, verkündete er beim Antritt.

Kritik an der Kanzlerin

Ein weiterer Themenschwerpunkt wird die Integration von Flüchtlingen sein. Als Kanzlerin Angela Merkel 2015 ihr berühmtes „Wir schaffen das“ sprach, bezog Bürgermeister Brandl bereits klar Stellung. Er sei „blank entsetzt“, erklärte er damals in einem Interview: „Wer so agiert, gefährdet nicht nur den sozialen Frieden, sondern riskiert, dass dieses Land mit Karacho gegen die Mauer knallt.“

Das Entsetzen, sagt Brandl nun, „hält bis heute an.“ Abensberg habe gut 300 Flüchtlinge aufgenommen und dank großem Bürger-Engagement die Aufgabe auch bewältigt, aber: „Was sage ich einer Frau, die 40 Jahre lang gearbeitet hat und nun von einer Rente lebt, die deutlich unter dem liegt, was ein Flüchtling vom Staat erhält? Wie erkläre ich ihr das?“ Das Erstarken der AfD habe auch hier seine Wurzeln.

Für einen Niederbayern, der die Dinge gerne kurz und knackig beim Namen nennt, ist Berlin ein diplomatisches Minenfeld. Der Gang auf Zehenspitzen ist kein Talent Brandls, auch wenn er im Laufe der Jahre ruhiger, versöhnlicher und weniger aufbrausend geworden ist. Dennoch: „Dass sich in Berlin viele damit zufrieden geben, ein Programm zu erstellen, ohne sich Gedanken um die Umsetzung zu machen“, ist ihm generell ein Graus.

Bücher zur Entspannung

Wenn Brandl mal Abstand braucht zu seinem Alltag unter drei Hüten, greift er zum Saxophon oder zur Klarinette – beide Instrumente spielt er zwar erst seit wenigen Jahren, aber dafür mit Begeisterung und inzwischen auch in einer kleinen Band. Oder aber Brandl schreibt.

Einen Lyrikband hat der Hobby-Autor bereits veröffentlicht, außerdem Urlaubs- und Adventsgeschichten. Und der erste Roman ist gerade fertig geworden. „Wer meine Bücher liest, kriegt vielleicht ein anderes Bild von mir“, glaubt Brandl. Kurz vor Weihnachten 2017 erschien „Die kleine Mäusegemeinde“, ein Erstlesebuch, in dem Brandl kindgerecht erklärt, warum Gemeinden – egal ob aus Menschen oder Mäusen bestehend – eine kommunale Verwaltung benötigen. Max Mausmann heißt der Rathaus-Chef in dem Büchlein, er trägt Schiebermütze und Weste und hat seine liebe Not mit dem Mäusechaos unter dem Dach eines alten Schulhauses und seinem Gemeinderat. Doch wer weiß, vielleicht macht Bürgermeister Mausmann ja noch Karriere und vertritt irgendwann alle Mäusegemeinden deutschlandweit in Berlin?