„Das Kreuz schließt ein“
Das Kreuz steht für die Trennung von Kirche und Staat, für die solidarische Gesellschaft, für Schutz und Asyl. Und für die Selbstvergewisserung einer Gesellschaft, der viel zugemutet wird. Daran zu erinnern, kann kein Fehler sein. Im Gegenteil.
Debatte

„Das Kreuz schließt ein“

Kommentar Das Kreuz steht für die Trennung von Kirche und Staat, für die solidarische Gesellschaft, für Schutz und Asyl. Und für die Selbstvergewisserung einer Gesellschaft, der viel zugemutet wird. Daran zu erinnern, kann kein Fehler sein. Im Gegenteil.

Wenn es um das Kreuz geht und um den Staat, darf man ruhig auf Jesus Christus persönlich hören: „Mein Reich ist nicht von dieser Welt.“ Das antwortet Jesus im Johannesevangelium (18:36) auf die Frage von Statthalter Pontius Pilatus: „Bist Du der Juden König?“

An anderer Stelle, im Matthäusevangelium (22:21), antwortet Jesus auf die Frage, ob es erlaubt sei dem Kaiser Steuern zu zahlen: „So gebet dem Kaiser, was des Kaisers, und Gott, was Gottes ist.“

Nützliches Nachdenken über Werte

Das Symbol Jesu Christi steht eben auch für die Trennung von Kirche und Staat, von Religion und Staat. Wenn ab 1. Juni Kreuze im Eingangsbereich bayerischer Behörden Amtsträger und Besucher aller Konfessionen genau daran erinnern, kann das nicht falsch sein: In Bayern wissen der Staat und seine Beamten, wofür sie zuständig sind und wofür eben nicht.

Das ist vielleicht die schönste Wirkung der Entscheidung von Ministerpräsident Markus Söder und seines Kabinetts: Auf einmal denken alle darüber nach, wofür das Kreuz steht und für welche Werte. Die leider viel zu seltene Übung lohnt, nicht nur für Kommunionkinder, Firmlinge und Konfirmanden.

Zeichen der Solidarität

Das Kreuz soll „als sichtbares Bekenntnis zu den Grundwerten der Rechts- und Gesellschaftsordnung in Bayern und Deutschland“ in den Behörden angebracht werden, heißt es im Beschluss der Staatsregierung. Das Kreuz ist „das Symbol der Einheit, des Friedens und der Gerechtigkeit und der Solidarität für alle Menschen“, erläutert der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick.

Das Kreuz schließt nicht aus, es schließt ein.

Ludwig Schick, Erzbischof von Bamberg

Was rote, grüne und gelbe Söder- und Kreuz-Kritiker vergessen: Das Kreuz ist das Symbol für die Liebe Gottes zu den Menschen, zu allen Menschen. Schick: „Das Kreuz schließt nicht aus, es schließt ein.“

Eine Botschaft, die heute womöglich besonders wichtig ist, findet Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern: „Gerade vor dem Hintergrund der Mammutaufgabe Integration halte ich es für wichtig und richtig, die Normen und Werte zu definieren, und deren Anerkennung einzufordern, die für das Miteinander in unserem Land indisponibel sind.“

Zeichen der Selbstvergewisserung

In Bayern lebt man nach den Werten des Kreuzes – jedenfalls im (unerreichbaren) Ideal. Daran werden sich auch jene gewöhnen müssen, die von solchen Werten noch nie etwas gehört haben. Erst recht, wenn sie um genau dieser Werte willen hierzulande Asyl, Aufnahme und Verköstigung erbitten dürfen. Schön, wenn sie in bayerischen Behördeneingängen darauf aufmerksam werden.

Und die Bayern. Denn immer mehr wird das Kreuz auch zum Zeichen der Selbstvergewisserung. Nicht ohne Grund: Anfang Januar etwa hatte im Amtsgericht Miesbach ein Richter das Kreuz im Gerichtssaal abgehängt – für einen Asylbewerber aus Afghanistan. Was zum Aufschrei führte: Soviel Selbstaufgabe war auch großmütigen Bayern zu arg. Zu recht. Inzwischen hängt das Kreuz wieder.

Mit seiner Initiative hat das Bayerische Kabinett womöglich auch auf den Miesbacher Zwischenfall reagiert. Asylgewährung und Integration dürfen nicht Selbstaufgabe und Selbstverleugnung zur Folge haben. Das wollen die Bayern wissen, das wollen sie hören und das wollen sie sehen. Und genau das sollen ihnen ab 1. Juni die Kreuze in den Behörden sagen. Das Kreuz als Zeichen der Selbstvergewisserung – das ist eigentlich sehr sympathisch. Wer daran Anstoß nimmt, ist es eher nicht.