Die Wünsche der Kinder stehen im Zentrum der Arbeit der Kinderkommission. (Foto: BK/AS)
Kommission

„Wir reden mit den Kindern“

Früher war sie Schulleiterin, jetzt ist Tanja Schorer-Dremel die Vorsitzende der Kinderkommission des Bayerischen Landtages. Im Interview mit dem BAYERNKURIER erklärt sie, wie sie die Rechte der Jüngsten weiter stärken möchte.

Frau Schorer-Dremel, was zeichnet die Kinderkommission des Bayerischen Landtages aus?

Wir sind die einzige Kommission, die paritätisch besetzt ist. Das bedeutet, unabhängig von der Größe entsendet jede Fraktion im Bayerischen Landtag genau ein Mitglied in die Kinderkommission. Wir sind also zu viert und seit unserer Einsetzung im Juli 2014 ist es unser Ziel, alle Belange zu unserem Thema zu machen, die Kinder in irgendeiner Form betreffen. Dazu zählen beispielsweise Kinderarmut, Kinderrechte, Kindergesundheit und Bildung.

In welcher Form geschieht das?

Wir arbeiten nicht wie ein Ausschuss – also jemand stellt einen Antrag und die anderen stimmen darüber ab. Sondern wir bringen ganz konkrete Nöte, die Kinder haben, in den Landtag ein, treffen uns mit den jeweiligen Ministern und leiten Themen an die zuständigen Ministerien weiter. Wir sind also mehr Impulsgeber. Wir treiben Initiativen voran und versuchen, etwas zu bewegen. Dazu laden wir zu unseren monatlichen Sitzungen Gesprächspartner ein, sehr häufig auch Kinder. Denn das ist etwas, worauf ich als Vorsitzende großen Wert lege: dass wir nicht nur über Kinder, sondern auch mit Kindern reden.

Mit welchen Belangen kommen die Kinder zu Ihnen?

Das sind ganz verschiedene Nöte. Da ging es zum Beispiel um Handyverbote an Schulen, einen kindgerechten Pausenhof, oder wir haben darüber diskutiert, wie viel Geld Kinder behalten dürfen, wenn sie im Heim leben und nebenbei arbeiten und Geld verdienen. Darüber wird derzeit auch auf Bundesebene gesprochen. Kinder haben auch den Wunsch, dass die Natur erhalten wird. Sie sind wahnsinnig interessiert an politischen Prozessen. Kinder wollen sich mit einbringen und erwarten, dass sie gehört werden und ihre Meinung wertgeschätzt wird.

Wie erfüllen Sie diesen Wunsch?

Wir haben 2015 mit der ersten Regionalbereisung angefangen, was für uns ein ganz wichtiges Instrument ist. Wir besuchen dazu jeden Wahlkreis der Kommissionsmitglieder. In meinem Wahlkreis, in Eichstätt, haben wir uns mit sämtlichen Schülersprechern getroffen. Bei den Reisen stelle ich fest, dass die Kinder sehr gut vorbereitet sind und intensiv mit uns diskutieren. In diesem Jahr besuchen wir Vertreter von Institutionen in Aschaffenburg und in der Oberpfalz. In diesen Regionen haben wir derzeit keine Kollegin, die uns vertritt.

Sie haben sich als Kommission vorgenommen, „über den Tellerrand hinaus zu schauen“ – wie erreichen Sie das?

Zum einen mit den Regionalbereisungen, aber wir waren auch als erste Kinderkommission bei den Vereinten Nationen in New York, wo die Kinderrechtskommission seit 1989 etabliert ist. Wir haben uns ausgetauscht und festgestellt, dass im Zuge der Migrationsbewegungen das Thema Kinderehen ein ganz wichtiger Punkt ist. Wir haben die Diskussion also aufgegriffen. Dazu haben wir uns mehrere Male mit Justizminister Winfried Bausback getroffen und ihn im Rahmen seiner Initiative, Kinderehen auf Bundesebene zu verbieten, unterstützt. Wir waren nicht nur Antreiber, sondern haben die Diskussion um Kinderehen regelmäßig begleitet.

Wie viel Zeit investieren Sie als Vorsitzende in die Arbeit der Kinderkommission?

Es ist ein Arbeitsfeld, das mich wöchentlich beansprucht – auch wenn wir uns nur einmal im Monat treffen. Dazu kommen die zwei bis drei Regionalbereisungen pro Jahr. 2017 waren wir zusätzlich eine Woche in Genf und haben uns unter anderem mit dem Roten Kreuz und der Kofi Annan Stiftung ausgetauscht, um uns breiter zu vernetzen.

Was treibt Sie persönlich an, sich für die Kinderkommission zu engagieren?

Die Begeisterung für die Arbeit mit Kindern, die ich aus meinem Berufsleben mitgenommen habe! Als Grundschulleiterin, da war ich noch nicht Mitglied des Landtages, habe ich 2011 mit meiner vierten Klasse am Entdeckertag im Bayerischen Landtag teilgenommen. Ich war total begeistert, dass es eine Kommission gibt, die sich gezielt um Kinder kümmert. Als ich dann 2013 in den Landtag kam, habe ich mich dafür eingesetzt, dass die Arbeit fortgeführt wird. Wir sind zwar von Erwachsenen gewählt, aber für die Kinder da.

Wie schlagen Sie die Brücke zwischen der manchmal idealistischen Perspektive eines Kindes und der realistischen Sicht eines Erwachsenen?

Kinder sehen Dinge nicht so kompliziert und haben für vieles einfache Lösungen. Während meiner 25 Jahre an der Grundschule habe ich immer wieder festgestellt: Wir Erwachsenen sind manchmal zu kompliziert und könnten auch wieder mehr über Kleinigkeiten staunen, wenn wir die Dinge mit Kinderaugen betrachten würden. Ich bemerke immer wieder, wie zufrieden und begeistert Kinder von Menschen und ihrer Umwelt sind. Es ist aber auch wichtig, ihnen zu erklären, dass es in der Welt der Erwachsenen komplizierter geworden ist und wie Politik funktioniert. Dazu haben wir 2015 beispielsweise gemeinsam mit Jugendlichen die Bayernkaserne besucht und uns über Asylpolitik ausgetauscht.

Für welche Themen setzen Sie sich besonders ein?

Mir ist es wichtig, Kinderrechte im Grundgesetz zu verankern und mir liegen die Themen Kindergesundheit und Umwelt besonders am Herzen, da ich auch Mitglied im Umweltausschuss bin.

Was steht für Sie in den kommenden Monaten auf der Agenda?

Wir wollen das Thema Kinderambulanz noch einmal aufgreifen und wir sind immer noch dran, die Kinderrechte in die Verfassung aufzunehmen. Es ist uns durch viele Gespräche gelungen, dass Sozialministerin Emilia Müller auf Bund-Länder-Ebene eine Kommission ins Leben gerufen hat. Die Mitglieder der Arbeitsgruppe evaluieren, wo Kinderrechte auf verschiedenen Ebenen eingehalten werden, sei es im Bereich der Gesundheit, Justiz, Bildung oder Umwelt. Mir ist auch immer sehr wichtig, dass jedes Mitglied in unsere Kommission Anregungen einbringen kann und sich wiederfindet.

Wo gibt es in der Zusammenarbeit auch mal Schwierigkeiten?

Was wirklich gut ist: Wir verstehen uns und die menschliche Ebene zwischen uns vieren funktioniert. Schwierig ist manchmal, dass jede aus einer anderen „Parteifamilie“ kommt, mit anderen Vorstellungen und Prägungen. Aber bis jetzt hat es immer funktioniert und wir waren im Interesse der Kinder ein kleines Rädchen. Das ist unsere Hauptaufgabe: ein kleines Rädchen zu sein im großen Uhrwerk, das vielleicht auch unverzichtbar ist – das ist zumindest unser Ziel.

Das Interview führte Anja Schuchardt.