Kormorane fügen den Fischzüchtern große Schäden zu. (Foto: Imago/Blickwinkel)
Teichwirte

Die Gefahr kommt aus der Luft

Die Karpfenzucht hat in der Oberpfalz seit mehr als 1.000 Jahren Tradition. Heute sehen sich viele Teichwirte in ihrer Existenz bedroht. Kormorane und andere Wildtiere fügen den Fischbeständen große Schäden zu.

Das Tier windet sich, schlägt mit den Flossen, Wasser spritzt, der ganze Körper zappelt. So kräftig, dass der Karpfen aus dem etwa 35 Zentimeter hohen Eimer springt. Hans Schießl packt ihn, legt ihn wieder zurück ins Haltebecken. Bis morgen, dann ist Schlachttag.

Seit 40 Jahren dreht sich im Leben von Schießl alles um den Speisefisch. Mit ihm verdient er als Teichwirt sein Geld. Ohne ihn hätte er wohl auch keine Blockhütte gebaut und Sohn Johannes einen anderen Beruf. Der Junior hat den Betrieb im oberpfälzischen Asbach 2012 übernommen. Schießl Senior steckt aber immer noch voll mit drin. Vor acht Jahren, mit 61 Jahren, baute er sich gemeinsam mit seiner Frau ein zweites Standbein auf – in Form einer Blockhütte im Garten. Dort betreibt das Paar eine Hofgastronomie. Auch einen Partyservice hat Ilse Schießl gestartet. Nur von der Fischzucht könnte die Familie nicht mehr leben.

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Vom Aussterben bedroht: Teichwirte in der Oberpfalz

Kulturlandschaft in Gefahr

So wie Familie Schießl geht es vielen Teichwirten in der Oberpfalz. Die Fischer sind gezwungen, nach weiteren Möglichkeiten zu suchen, Geld zu verdienen. Nicht allen gelingt das, regelmäßig geben einige auf. „Geht das Fischereihandwerk in der Oberpfalz zugrunde, droht damit auch eine 1.000-jährige Kulturlandschaft zu veröden“, sorgt sich Alfons Stock, teichwirtschaftlicher Sprecher des Bayerischen Bauernverbands Tirschenreuth. Mit etwa 8.500 Karpfenteichbetrieben liegen rund 70 Prozent aller deutschen Zuchtbetriebe in Bayern. Ein großer Teil befindet sich in der Oberpfalz, etwa im „Land der 1.000 Teiche“ im Landkreis Tirschenreuth und in der Region um Schwandorf.

Was den Teichwirten vor allem zu schaffen macht, sind fischfressende Wildtiere, allen voran der Kormoran. Vor knapp vier Jahrzehnten waren die Vögel in Deutschland fast ausgestorben. Inzwischen haben sich die Bestände erholt. Doch mit seinem Appetit von einem halben Kilo Fisch täglich zerstöre der Kormoran nicht nur die ökologische Balance vieler Gewässer, sondern gefährde auch die Fischerei, sagen Kritiker. Zwar ist der Kormoran durch die europäische Vogelrichtlinie geschützt, es liegt aber in der Hand der Bundesländer, wie sie mit lokal begrenztem „Kormoranmanagement“ die Bestände kontrollieren. Laut Naturschutzbehörde ist der Kormoranbestand im Freistaat von circa 2.000 im Jahr 1988 auf heute etwa 7.000 Tiere gewachsen. Zur Zug- und Überwinterungszeit kommen noch Tausende Vögel hinzu. Um die Zahl der Vögel zu begrenzen, ist in Bayern bereits seit mehreren Jahren die Jagd mit Sondererlaubnis auch im Naturschutzgebiet erlaubt.

Bis zu 80 Prozent Verlust

Als effektivste Methode, die Ausbreitung der Tiere zu kontrollieren, gilt die Manipulation der Nester, etwa durch Anstechen der Eier. Doch da die Vögel in der Regel auf hohen Bäumen brüten, sind die Gelege oft nur schwer oder gar nicht zu erreichen.

Der Teichwirt wird aussterben, wenn es so weitergeht.

Marco Mulzer

Für die Kormorane sind die Zuchtteiche ein Schlaraffenland. Vor allem auf die einjährigen Jungtiere haben sie es abgesehen. Wenn sie sich in Jagdverbänden von mehreren Hundert Vögeln auf die Weiher stürzen, bleibt nicht mehr viel übrig. Die Fischpopulation schrumpft bis zu 80 Prozent. Der natürliche Verlust eines Züchters beträgt dagegen nur zwischen 15 und 30 Prozent. Neben den Kormoranen gehen auch immer mehr Silber- und Graureiher in den Teichen auf Beutezug. Hinzu kommen die Schäden durch Biber. Und auf dem Vormarsch ist auch der Fischotter. Er breitet sich von Osten her in Bayern aus. Auf bis zu 50.000 Euro jährlich beziffert Teichwirt Schießl seinen Verlust durch die Wildtiere.

Eine Generation vor dem Aus

Fischzüchter Karl Mehler hat über die Jahre mehrere Hunderttausend Euro verloren. Es sei unmöglich, den genauen finanziellen Schaden durch Wildtiere zu dokumentieren, klagt er. Seine Weiher in Tirschenreuth wurden vor zehn Jahren zu 95 Prozent zu Naturschutzgebieten erklärt. Durch zusätzliche Auflagen und immer mehr Wildtiere ist die Bewirtschaftung für ihn dermaßen unrentabel geworden, dass er den Familienbetrieb in dieser Saison aufgeben wird.

„Der Teichwirt wird aussterben, wenn es so weitergeht. Vermutlich werden 90 Prozent der Generation meiner Väter aufhören“, prophezeit Marco Mulzer. Er übernahm den Fischereibetrieb in Schwandorf von seinem Großvater. Der 30-Jährige arbeitet nebenbei als Diplomingenieur für Motorenentwicklung. Anders könnte er sich finanziell nicht über Wasser halten.

Minister Brunner ist besorgt

Landwirtschaftsminister Helmut Brunner hat sich unlängst selbst ein Bild von den Zuständen gemacht. Im Sommer besuchte er einen Fischbetrieb in Tirschenreuth. „Es ist besorgniserregend, wie die Bestände Fisch fressender Vogelarten an unseren Gewässern zunehmen. Vogelarten wie der Kormoran lassen sich nur durch aufwendige Managementmaßnahmen vergrämen. Gleiches gilt für Biber und Fischotter“, sagt der Minister.

Helfen sollen dabei Berater. Sie zeigen den Züchtern zum Beispiel, wie Schutzzäune errichtet werden. Dafür bekommen die Teichwirte die Hälfte der Kosten erstattet. Beim Thema Kormoran sollen zwei Kormoranbeauftragte die unterschiedlichen Interessen der Teichwirte, Jäger und Naturschützer zusammenbringen. Für entstandene Schäden durch die Tiere werden Entschädigungen gezahlt. Allerdings ist der entsprechende Fonds bisher nur mit 100.000 Euro ausgestattet.

Karpfen in allen Variationen

Die Fischzüchter haben ein weiteres Problem: An den Karpfen, der von September bis Ostern Saison hat, wagen sich immer noch viele Köche nicht heran. Es gibt Gäste, die seinen vermeintlich modrigen Geschmack fürchten. Auf der Liste der beliebtesten Speisefische in Deutschland rangiert der Karpfen gerade einmal auf Platz 15.

Ich bin jeden Tag in der Natur, mein eigener Chef und ich kann sagen: Das ist mein Produkt.

Hans Schießl

Auch Schießl kennt die Vorbehalte. Nur fünf Gastronomen kaufen regelmäßig bei ihm ein. Dabei weiß er inzwischen, was sich aus Karpfen alles machen lässt: vom frittierten „Fischstick“, wie er es im französischen Lyon gesehen hat, bis hin zum klassischen „Karpfen blau“. Immerhin ist auf die Nachfrage durch die Oberpfälzer Verlass. 70 Prozent verkauft Schießl über Direktvermarktung durch die Fischereivereine. Je nach Monat zwischen 50 und 250 Kilogramm Fisch.

Drei Reisegruppen pro Woche

Hans Schießl hat einen weiteren Weg gefunden, seine Tiere an die Kunden zu bringen. Regelmäßig machen sich Besuchergruppen auf den Weg zu ihm, um Fisch zu probieren. Während Gattin Ilse und Sohn Johannes in der Küche für 40 Landdamen aus der Holledau Karpfen backen und Forellen räuchern, steigt Hans Schießl in den Reisebus und dirigiert die Gruppe zu seinen Weihern. Hier erzählt er dann, wie es beim Laichen zugeht und passt auf, dass niemand über Biberdämme stolpert.

Zwischen zwei bis drei Reisegruppen mit jeweils 30 bis 50 Personen trudeln wöchentlich bei ihm ein. Das Konzept lohnt sich aber nur, weil die ganze Familie mit anpackt. Neben seiner Frau auch die drei Kinder sowie seine Cousine. Schießl Junior hat die Entscheidung, den Betrieb seines Vaters fortzuführen, nicht bereut – trotz aller Schwierigkeiten: „Ich bin jeden Tag in der Natur, mein eigener Chef und ich kann sagen: Das ist mein Produkt, das habe ich großgezogen, ich kann es schlachten, zubereiten und meinen Gästen servieren. Und ich freue mich, wenn es ihnen schmeckt.“