Neuer Bruder Barnabas: Maxi Schafroth (33, l.), hier mit Paulaner-Chef Andreas Steinfatt, wird neuer und jüngster Fastenprediger am Nockherberg. (Bild: Imago/Overstreet)
Nockherberg

Bruder Maximilian übernimmt

Interview Der Allgäuer Kabarettist Maxi Schafroth folgt 2019 als Fastenprediger auf "Mama Bavaria" Luise Kinseher beim Starkbieranstich am Nockherberg. Im Singspiel war er bereits zu sehen, etwa als Über-Ich von Horst Seehofer.

Herr Schafroth, wann haben Sie den Humor in sich entdeckt?

Ich habe schon als Kind sehr viel aufgesogen und gerne Menschen beobachtet, die nicht angezweifelt werden, beispielsweise Provinzbarone vom Land. Als ich dann nach München gekommen bin, habe ich gemerkt: Wann immer ich das wiedergebe, wenn ich zum Beispiel in die Rolle des Brauchtumspflegers schlüpfe, amüsieren sich die Leute. Und Bayern ist für Menschen, die von außen auf das Land schauen, etwas Absurdes – die Sprache, die Verhaltensweisen. Und das ist für mich die Wurzel des Humors.

Sie sind im Allgäu aufgewachsen, können Sie da überhaupt eine neutrale Sicht auf Bayern haben?

Seit ich 15 Jahre alt bin, war ich jedes Jahr in den USA und habe immer versucht, mich mit Menschen zu umgeben, die anders denken. Auf meinen Reisen liebe ich es, die Deutschen im Ausland zu beobachten. Da sind die Merkwürdigkeiten des Deutschen und Bayerischen wie unter einer Lupe. So hat mir ein überkorrektes Businnesspärchen während meines Urlaubs auf Bali die Inspiration für mein erstes Programm gegeben.

Worauf baut Ihr Programm „Faszination Allgäu“ auf?

Es ist dieses Phänomen, dass insbesondere die Bayern eine Gruppe von Leuten sind, die sich untereinander nicht anzweifeln, sondern sich in ihrer Herrlichkeit bestätigen. Der Mensch ist teilweise so unreflektiert, und das ist lustig. So parodiere ich das deutsche Bankensystem, die Wohlstandsgesellschaft, das Auseinanderklaffen der Schere zwischen Arm und Reich, das Gefälle zwischen Stadt und Land. Dabei versuche ich immer, dass die Themen durch den Bauch gehen.

Deshalb auch die Musikeinlagen?

Das war von Anfang an ein wichtiger Ankerpunkt für mich, dass mein Gitarrist Markus Schalk mit auf der Bühne steht. Für mich ist das ein emotionales Gerüst. Dann sind die Leute schon einmal in einem gewissen Gemütszustand. Kommt schöne Musik, schwelgen sie mit und das kann ich dann durchbrechen, beispielsweise mit einem Text über Sparsamkeit. Die Köpfe sind oft so vertunnelt und das versuche ich permanent zu durchbrechen. Ich finde nichts schlimmer als Abschottung, das ist eine Sackgasse.

Wann haben Sie das erste Mal gemerkt, dass es einen Unterschied zwischen Stadt und Land gibt?

Als ich mit meiner Mama zum ersten Mal vom Allgäu nach München gefahren bin. Da war ich sechs Jahre alt. Dieser Münchner Wohlstand hat mich fasziniert, aber zugleich fand ich das auch absurd wie die sind, mit Anzug und so businessmäßig. Als ich dann zur Bankausbildung mit Anfang 20 nach München gezogen bin, musste ich erst einmal lernen, dass der Fluss in einer Stadt anders ist. Man kann sich nicht permanent seiner Umwelt zur Verfügung stellen. Und dadurch ist man in sich gekehrter. Wobei ich auch in München von einer älteren Dame gefragt wurde: „Sind Ihre Schneckerl echt?“ Ich habe sie dann gefragt, ob sie ernsthaft glaube, ein Jugendlicher würde sich eine Dauerwelle machen?

Wie sind Ihre Beobachtungen über den Kontrast zwischen Stadt und Land zum Schwerpunkt Ihres Programms „Faszination Allgäu“ geworden?

Das Thema hat sich immer schon durchgezogen, die oberbayerische Hybris und das allgäuisch-schwäbisch Bescheidene. Es gehört zu meinem Prinzip, einen Grundkonflikt auf skurrile Weise zu beleuchten. Ich beschreibe, wie der bayerische Ganges, der Lech, das Land teilt. Auf der einen Seite „the poor region“, das Allgäu, und auf der anderen Seite gibt es die Starnberger Gesichtschirurgenkinder im extragroßen Kombi mit Beinfreiheit für die Kleinen. Für mich geht’s dabei ums Geschichtenerzählen und darin aktuelle Dinge einzubetten.

Was macht für Sie die Unterschiede aus?

Wenn man durch Oberbayern fährt, sieht man erhabene, gepflegte Fassaden. Die Oberbayern sind Show People, die hängen ihre Geranien raus und verdrängen Probleme, die man vielleicht auch thematisieren müsste. Es herrscht dort schon fast eine manische gute Laune und Glücksmentalität. Im Allgäu ist es mehr der Blues. Da ist auch mal eine rissige Fassade zu sehen oder ein unordentlicher Hof, wo alte landwirtschaftliche Maschinen rosten und dreibeinige Katzen unter den Hauben leben. Das Oberbayerische ist wohlständischer geprägt und auch auf dem Land mit dem SZ-Feuilleton-Intellektualismus versehen. Und diese 60 km von München entfernte Lodenmafia mit den oberen Mittelklassewagen finde ich sehr interessant. Für mich ist das Faszination und Lustigkeit zugleich.

Wo liegt die Gefahr, dass Ihre Parodie zu klischeehaft wird?

Es ist die Perspektive, die manchmal so eintönig ist. Schimpft der Schwabe über die Verspätung der deutschen Bahn, mache ich mich über den Schwaben lustig und nicht über die deutsche Bahn.

Was bietet mehr Potenzial zur Parodie: Die Städter, die raus aufs Land fahren, oder die Menschen, die vom Land in die Stadt kommen?

Die Städter im Allgäu sind für mich schon das Lustigere. Ich mag es einfach lieber, dass der Stadtmensch leidet als umgekehrt. Die Münchner ertragen das wunderbar. Wenn ich davon erzähle, wie sie das ursprüngliche Landerlebnis entdecken – für sie der optimale Lebensentwurf schlechthin –, den man aber eigentlich nicht haben will, weil es einem viel zu wichtig ist, dass man sein Business in der Stadt machen kann. Aber dann wird man immer so sentimental, wenn man rausfährt, die frische Luft atmet und den Bauern sieht, der mit den Kindern auf dem Schoß die selbst gezapfte Milch trinkt. Ich achte darauf, wo sich die Leute ihre Lebenswahrheiten selbst hinbiegen. Diese neue Bodenständigkeit ist ja ein riesen Hype, die einfachen Dinge, wie der Klappspaten, die Wollunterhosen, das Wurzelbürstenregal …

… die karamellfarbene Hornbrille …

Als ich nach München gekommen bin, war die karamellfarbene Hornbrille das Distinktionsmerkmal des Anwalts und Mediziners. Heute rennt jeder an der Uni mit dieser Brille rum. Es ist schon interessant, wie bestimmte Schichten Merkmale setzen und die übernommen werden von Leuten, die sich zugehörig fühlen wollen. Und wenn eine bestimmte Häufung von Merkmalen auftritt, ist irgendwann der Punkt erreicht, wo ich es parodieren kann. Und das Spartenhafte ist schon so eine Münchner Mentalität. Jeder ortet sich sofort zu. Ich habe noch nie so oft die Fragen gehört, „Was machst du?“ oder „Seid ihr eher Arbeiterschicht oder Besitzbürger?“ Manchmal fühlt sich München an, als wäre man im 19. Jahrhundert stehen geblieben.

Das Interview führte Anja Schuchardt. Es erschien im BAYERNKURIER-Magazin 12/2016.

Maximilian „Maxi“ Schafroth,

geboren 1985, ist ein mehrfach ausgezeichneter bayerischer Kabarettist. Er wuchs auf dem elterlichen Bauernhof in Stephansried, einem Ortsteil von Ottobeuren, im Allgäu auf. Der Bankkaufmann tritt seit 2007 mit eigenen Kabarettprogrammen auf, 2017 erhielt er den Bayerischen Kabarettpreis. Er spielte in mehreren Filmen des Regisseurs Marcus H. Rosenmüller und war als Assistent der Kommissare Batic und Leitmayr im Münchner Tatort zu sehen. Im Singspiel beim Starkbieranstich auf dem Nockherberg verkörperte er u.a. das Über-Ich von Horst Seehofer.

Nun tritt er 2019 die Nachfolge von Luise Kinseher beim Derblecken am Nockherberg an.