Western von gestern: Duell zwischen El Marco Söder (Stephan Zinner, l.) und Old Horst Seehofer (Christoph Zrenner, r.). Mit dem Singspiel eröffnete auf dem Münchner Nockherberg die bayerische Starkbier-Saison. (Foto: dpa/Matthias Balk)
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Sieben Helden und ein Halbblut

Bleihaltige Luft auf dem Nockher-Mountain: In einem kabarettistischen Showdown duellieren sich die größten Heroen des Südstaats. Aus schusssicherer Entfernung berichten die Korrespondenten des Bayernkurier über den diesjährigen Starkbieranstich.

Die Sonne glüht unerbittlich herab auf Staub und Dunst vor dem Saloon. Auf der Hauptstraße beim Mai-Kaktus klaut ein Indianer eine halbleere Flasche Feuerwasser, ein AfD-Django zerrt seinen Sarg vorüber. Dann reiten die Westmänner zu Fuß ein. Die „Glorreichen Sieben“ – zu dritt! „Wir sind in unseren eigenen Kugelhagel geraten“, keucht Horst (Christoph Zrenner), der Anführer im John-Wayne-Wams. Schon vor dem Duell ist Blut geflossen: Die Gegenspieler „El Marco“ (Stephan Zinner) und Horst haben sich die Pferde unter den Hintern weggeschossen. Nur das Cowgirl „Ilsi“ (Angela Ascher) begleitet die beiden. Alle anderen sind tot.

Hossa! El Marco!

Von den übrigen Reit-Gefährten sind nur die Italowestern-Mäntel geblieben: der völlig Zersiebte von Joachim, der zu langsam zog; der Überfahrene des Straßenräubers „Dobbsy“; der Blutüberströmte des meuchlings erdolchten Weber; das geflickschusterte Designerteil von K.T. Mit den Klamotten der Verblichenen kleidet El Marco die Mariachi-Kapelle der DorfJUgend ein, die ihm mit Pappschildern huldigt: „Hossa! El Marco!“ Mit den Jubilanten füllt der Revolverheld die gelichteten Reihen wieder auf. „Reschbekt vor so viel Engagement“, zollt er im nord-texanischen Dialekt.

Du musst jetzt nur bis Oktober der größte und beliebteste Revolverheld in ganz Texas werden.

Cowboy „Horst“ zu „El Marco“

Unter dem Vorwand, einen Indianerüberfall abzuwehren, trachten sich die beiden Wildwesthelden nach dem Leben. In liebevollem Würgegriff liegen sich Horst und El Marco in den Armen, stöhnen, zischen: „Alter Amigo“, „Lebensmensch“, „Seelenfreund“. So viel Eintracht war selten im wilden Westen. Beweis: Kein Schuss fällt in diesem Duell. Mit einer zünftigen Fiesta versucht El Marco, den geliebten Feind in den Sonnenuntergang zu schicken. „Du konntest so viel erreichen,/ aber jetzt kannst du dich schleichen“, singt er Horst hinterher. Doch der kehrt immer wieder zurück, wärmt sich am TV-Lagerfeuer, umgibt sich mit dem Grünhorn „Hoppi Rider“ (Wowo Habdank als Anton Hofreiter)und der blonden Rot-Haut „Calamity Kohnen“ (Nikola Norgauer) im Heimat-Wildleder und findet, es komme irgendwann der Moment, wo man „noch mal neu durchstarten“ müsse.

Auftritt Uschi Glas

Zum Schluss, als nicht mehr klar ist, was wahr ist in diesem blutrünstigen Schauspiel und was wirklich – da taucht sie auf: die echte Apanatschi aus den Karl-May-Filmen: Uschi Glas. Sie legt einen Cameo-Auftritt der Best-Western-Klasse hin. Apanatschi überfällt das Siedlerstädtchen gar nicht, sie hat es schon von El Marco gekauft. Sie will im Millionen-Dorf am Rio Bravo renovieren und die Mieten kräftig erhöhen.

Derweil entschwindet Horst mit der Bar-Chanteuse Angie (Antonia von Romatowski) zu den Yankees nach Berlin. El Marco wird vom Viehtreiber zum Getriebenen – seine Mariachi-Claqeure haben Mut gefasst und hetzen nun ihrerseits den neuen Boss mit Bowiemessern und Colts. Ende eines glorreichen Singspiels, das die Textschmiede Stefan Betz und Richard Oehmann treffsicher in Szene gesetzt haben.

Kinsehers letzte Fastenrede

Allerdings, schon bevor sich die „Glorreichen Sieben“ duellieren, gab es Verluste zu beklagen. Zum achten Mal trat Luise Kinseher als „Mama Bavaria“ vor das Fastenbier-Publikum und derbleckte die Politiker – dass es das letzte Mal sein würde, erklärte sie freilich erst ganz zum Schluss ihrer Rede. Ein großer Teil der Fastenpredigt befasste sich mit dem Rückzug von „meinem Horst“ vom Amt des Ministerpräsidenten – und mit Markus Söder, dem designierten Nachfolger. „Noch nie gab es in Bayern so viel Ministerpräsidenten. Zwei: Einen amtierenden, einen gefühlten. Aufpassen: Das könnte Euer letzter Nockherberg sein, beide fahren‘s einen Diesel“, ruft Kinseher zur Begrüßung.

Wer setzt sich schon gern auf einen Stuhl, an dem er selber so lang gesägt hat.

Mama Bavaria

Jetzt herrsche wieder Friede in der CSU, verkündet Kinseher. „Das kommt mir vor wie das Schweigen der Lämmer. Seehofer und Söder sind jetzt befreundet – also ned miteinander.“ Allerdings sei die Personalrochade noch lang nicht in trockenen Tüchern: „Seehofer muss nach Berlin. Nicht traurig sein, wenn die SPD nein sagt. Dann bleibst einfach da. Schaut einmal, wie der Söder jetzt schaut. Das hättet‘s Euch ned träumen lassen, dass ihr einmal von der SPD abhängig seid’s.“

Spott für Markus Söder

Mitgefühl signalisiert „Mama Bavaria“ für die Arbeitsbelastung des künftigen Bundesministers Seehofer: „Dass’D Dich fei ned übernimmst mit Deinem Super-Super-Ministerium – praktisch zuständig für alles außer Tiernahrung.“ Mehrere Salven Spott bekommt erwartungsgemäß Markus Söder ab: „Der hat sein Schattenkabinett schon zusammengestellt. Teils Halbschatten, unter 40 Prozent gibt’s eine Sonnenfinsternis.“ Viele politische Richtungen, in die Söder ziehen könnte, sieht Kinseher bereits besetzt: „In welche Richtung soll‘s denn gehen? Weiter rechts ist die AfD, weiter links ist Baden-Württemberg, unten sind die Alpen, oben ist Thüringen und dann Berlin, und da sitzt der Horst. Kann man also nur nach innen wachsen, ins eigene Fleisch.“

Arrivierte des Derbleckens

Traditionell darf jeder als gestandener bayerischer Politiker gelten, der auf dem Nockherberg derbleckt wird. In diese Kategorie gehören dieses Jahr die Landesminister Ilse Aigner („Als Frau wirst du in Bayern nicht belästigt mit höchsten Ämtern. Statt Hashtag #metoo heißt es #younot.“), Joachim Herrmann („Vom Bayerischen Innenminister zum Bundesminister und zurück, rasender Stillstand.“), Ludwig Spaenle („bleibt Minister, und das sachgrundlos“), sowie Ex-Bundesminister Alexander Dobrindt („Es gibt in Bayern Honigbienen, die haben eine höhere Lebensleistung.“) und CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer („Seehofers Sancho Pansa“).

(grd/wog)