Genauer hinsehen, was man liest und anschaut: Medien in der Kritik. (Bild: Imago/McPhoto/Pilsak)
Debatte

Medialer Wirkungstreffer

Kommentar CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hat in einem Beitrag für die Zeitung "Die Welt" eine "bürgerlich-konservative Wende" gefordert – gegen eine "linke Meinungsherrschaft". Die Kritik an diesem Essay bestätigt dessen Inhalt.

CSU-Landesgruppenchef Alexander Dobrindt hat in einem Beitrag für die Zeitung Die Welt eine „bürgerlich-konservative Wende“ gefordert – gegen eine „linke Meinungsherrschaft“, deren Ursprung er in dem Marsch der 68er-Bewegung durch die Institutionen sieht. Mit Institutionen aber meint er neben Kultur, Kunst und Politik vor allem die Schlüsselpositionen in den Medien. Dies hat er auch in Interviews betont und so steht es im Text: „Sie (die Linken) wurden zu Meinungsverkündern, selbst ernannten Volkserziehern und lautstarken Sprachrohren einer linken Minderheit.“ Und weiter: „Sie kamen aus den Hörsälen und Redaktionsräumen“. Der „Kampf um das bessere Argument wurde schnell ersetzt durch den unverrückbaren Glauben an die eigene moralische Überheblichkeit“. Das Ziel sei ein „ideologischer Feldzug gegen das Bürgertum“ mit dem Ziel „der Umerziehung der bürgerlichen Mitte“. Die mehrheitlich bürgerlichen Menschen in Deutschland fühlten sich von einem „oft linken Meinungsmainstream“ nicht vertreten oder widergespiegelt. Genau dies haben Umfragen auch belegt.

Reaktionen stützen Dobrindt

Die Reaktionen auf diesen Gastbeitrag Dobrindts zeigen, wie recht er mit seinen Thesen hatte. Der ausgeprägte Wille zum Missverständnis und zur vorsätzlichen Fehlinterpretation des Textes in linken Medien beweist das. Da wird Dobrindts Terminus „konservative Revolution“ geprügelt, weil dies die Strömung sei, die in der Weimarer Zeit als Wegbereiter für den Nationalsozialismus gilt. Außer Historikern weiß das vermutlich kaum einer, aber die Nazikeule ist ein beliebtes Mittel dieser Medien. Weiter wurde gefragt, ob man nun die Linken aus den Medien entfernen solle, dabei plädierte Dobrindt nur für eine ausgeglichene Berichterstattung.

Eine Studie als Beleg

Ein Beispiel: Wichtige deutsche Tageszeitungen haben während der Flüchtlingskrise der Jahre 2015 und 2016 bei der kritischen Berichterstattung nach Einschätzung von Experten versagt. Zu diesem Ergebnis kam 2017 eine Studie der Hamburg Media School und der Uni Leipzig im Auftrag der Zeit, die immerhin mehr als 30.000 Berichte regionaler und überregionaler Zeitungen analysierte: Die „Mainstreammedien“ hätten sich geschlossen hinter Angela Merkels Flüchtlingspolitik versammelt, „Losungen der politischen Elite“ unkritisch übernommen und eine „euphemistisch-persuasive Diktion“ des Begriffs der Willkommenskultur verbreitet, so die Studie.

Sie wurden zu Meinungsverkündern, selbst ernannten Volkserziehern und lautstarken Sprachrohren einer linken Minderheit.

Alexander Dobrindt in der Welt

Die ZDF-Moderatorin Marietta Slomka steht beispielhaft für all die Journalisten, die nun auf einzelnen Wörtern Dobrindts herumhacken und seine zentrale These meist übergehen. Im Prenzlauer Berg, dessen Szene-Milieu Dobrindt als (oft verwendetes) Beispiel für linken Mainstream angeführt hatte, würden doch hauptsächlich Bürgerliche wohnen, so Slomka. Das war neben dem Ignorieren der Hauptthese auch nicht korrekt: bei der letzten Bundestagswahl lag die CDU in dem auf zwei Wahlbezirke aufgeteilten „Prenzlauer Berg“ im Ostteil nur auf Platz 4 mit ganzen 13,9 Prozent, davor Linke mit 28,6 Prozent, Grüne mit 20,4 Prozent und SPD mit 15,9 Prozent. Nicht viel anders im zweiten Wahlbezirk Pankow, wo die CDU auf 19,8, die SPD auf 15,6, die Grünen auf 14,3 und die Linke auf 23,5 Prozent kam. Natürlich gibt es auch unter SPD- oder Grünen-Wählern bürgerlich denkende Menschen. Aber den Prenzlauer Berg als bürgerlich zu bezeichnen, das würde etwa die CSU-Bundestagsabgeordnete Silke Launert, die dort wohnt, nicht tun.

Aus dem Aufbruch der Studenten wurde ein ideologischer Feldzug gegen das Bürgertum, mit dem Ziel der Umerziehung der bürgerlichen Mitte.

Alexander Dobrindt

Dann waren die 68er dran, die doch alle in Rente seien, wie Slomka behauptete. Dabei ging es Dobrindt um deren kritikwürdige geistige Hinterlassenschaften. Schließlich drehte sich nicht alles in dieser Zeit um lobenswerte Errungenschaften wie NS-Aufarbeitung, Liberalisierung oder mehr Demokratie, dies zeigte schon die Entstehung der RAF.

Schließlich erklärte die ZDF-Moderatorin, nach 16 Jahren Kohl und 12 Jahren Merkel brauche es doch keine konservative Wende. „Konservative Revolution“, laut Slomka gleichbedeutend mit „Aufstand, Systemveränderung, radikaler Wandel“ – den wolle das Bürgertum sicher nicht. Beide Male umging sie Dobrindts zentrale Forderung, dass dieser Wandel vor allem in den Medien stattfinden müsse.

Die Umfragen sind eindeutig

Auch wenn es selbstverständlich große konservative Medien gibt: Dass linke Meinungen vorherrschend sind, offenbaren zwei Umfragen aus den Jahren 2005 und 2010 unter Journalisten. Die große Studie vom Hamburger Institut für Journalistik ergab 2005 unter 1500 Journalisten 35,5 Prozent Grün-, 26 Prozent SPD- und 1,0 Prozent Linken-Wähler, aber nur 8,7 Prozent CDU und 6,3 Prozent FDP (keine Partei: 19,6 Prozent). Dem bürgerlichen Lager neigten also gerade 15 Prozent der in Deutschland arbeitenden Journalisten zu. Nicht viel anders die Umfrage der FU Berlin 2010 unter Politikjournalisten: Grüne 26,9 Prozent, SPD 15,5 Prozent und Linke 4,2 Prozent, aber nur 9,0 Prozent Union und 7,4 Prozent FDP (keine Partei: 36,1 Prozent). Hier neigten also 16,4 Prozent dem bürgerlichen Lager zu. Wer ernsthaft glaubt, diese linke Mehrheit von 62,5 bzw. 46,6 Prozent würde sich nicht in der medialen Berichterstattung niederschlagen, der lebt im Wunderland.

Das meinte Alexander Dobrindt mit “linker Meinungsvorherrschaft“.