Bürger zahlen für Straßenbaumaßnahmen bis zu mehrere zehntausend Euro. (Bild: Imago/Gottlieb Czepluch)
Gesetz

Wer zahlt die Straße?

Ob Hausbesitzer zur Kasse gebeten werden oder die Gemeinde beim Straßenausbau für die Kosten aufkommt - das sollen Kommunen künftig selbst entscheiden können. Ein Überblick über die Pflichten der Bürger und was die CSU ändern will.

Für Hausbesitzer kann es teuer werden, wenn Baufahrzeuge anrücken, um die anliegende Straße auszubauen. Denn Städte und Gemeinden sind dazu verpflichtet, Bürger an den Kosten für Straßenbaumaßnahmen zu beteiligen. Da können schnell mehrere zehntausend Euro zusammenkommen, wenn die Straße etwa verbreitert wird oder neue Geh- sowie Radwege gebaut werden.

Wir möchten die kommunale Selbstverwaltung durch eine kann-Regelung stärken.

Otto Lederer, Mitglied des Bayerischen Landtags (CSU)

Für Frust und Ärger unter Kommunalpolitikern sorgt aber die Tatsache, dass viele reiche Kommunen auf die Straßenausbaubeiträge verzichten, darunter auch München. Dabei dürfen Gemeinden Grundstücksbesitzer in der Regel nicht vor fälligen Straßenausbaubeiträgen verschonen. Das entschied der Bayerische Verwaltungsgerichtshof im vergangenen Jahr. Im Kommunalabgabengesetz heißt es, Gemeinden „sollen“ die Beiträge von Anliegern einfordern. Strittig war, wie das Wort „sollen“ auszulegen ist – und folglich, ob die Straßenbaubeiträge erhoben werden müssen. „Ja“, lautete das damalige Urteil. Allerdings haben einige, vor allem zahlungskräftige Gemeinden sowie große Städte gar keine Straßenausbaubeitragssatzung.

Was fordert die CSU?

Nachdem der Bayerische Verwaltungsgerichtshof die bisherige Formulierung „soll“ praktisch zu einem „muss“ gemacht hat, will die CSU nun mit einem „kann“ den Kommunen eine flexible Handhabung garantieren. „Wir wollen, dass Städte und Gemeinden Anlieger an den Kosten für Straßenausbau beteiligen können, aber nicht müssen“, machte Florian Herrmann, innenpolitischer Sprecher der CSU-Fraktion im Bayerischen Landtag, deutlich. Städte und Gemeinde sollen künftig also frei entscheiden können, ob sie Anlieger an der Finanzierung beteiligen oder nicht und ob sie zum Beispiel lieber jährlich wiederkehrende Beiträge erheben. „Sie kennen die Situation vor Ort am besten und können mit dem nötigen Augenmaß etwaige Härtefälle abfedern“, sagte Otto Lederer, zuständiger Berichterstatter der CSU-Fraktion im Innenausschuss.

Warum keine Abschaffung der Satzung?

Für die „kann“-Regelung erarbeitet die CSU-Fraktion jetzt einen Gesetzentwurf. Damit erteilt sie eine Absage an die Freien Wähler und ihren Wunsch nach einer kompletten Streichung der Straßenausbaubeiträge. Die Partei befürwortet einen Fördertopf für Gemeindestraßen, der über die Kfz-Steuer finanziert wird. Damit würde sie laut CSU die Kosten für den Ausbau der Anliegerstraßen vor allem dem bayerischen Steuerzahler aufbürden. „Die Freien Wähler wollen den Kommunen jeglichen Gestaltungsspielraum nehmen und sie von einer Finanzierung durch den Freistaat abhängig machen“, wirft Herrmann der Partei vor.

Die Freien Wähler machen Lokalpolitiker vom Tropf des Staates abhängig.

Florian Herrmann

Er kritisiert auch den scharfen Ton, den die Freien Wähler in die Debatte gebracht haben. Wer über die sozialen Medien eine regelrechte Hetzkampagne starte und Horrorszenarien für Anlieger heraufbeschwöre, der betreibe reinen Populismus, sagte er. FW-Chef Hubert Aiwanger will am 16. Dezember bei einer außerordentlichen Landesversammlung der Partei darüber abstimmen lassen, ob man mit einem Volksbegehren gegen die Beiträge vorgehen soll.

Was regelt die Satzung?

In rund 1500 Kommunen, drei Viertel der 2056 Gemeinden im Freistaat, regelt eine Satzung die Erhebung von Straßenausbaubeiträgen. Sie gilt nur für bestehende Straßen, in Neubaugebieten gelten andere Regelungen. Der Beitragssatz, den die Anlieger bezahlen müssen, beträgt bis zu 80 Prozent der anteiligen Sanierungskosten. Dabei richtet sich die Höhe nach der Größe des Grundstücks und nicht nach dem Vermögen der Anlieger. Obergrenzen schützen vor allzu hohen Lasten: Kommunen können keine Beiträge erlassen, die vierzig Prozent des Marktwerts einer Immobilie übersteigen. Eine Novelle des Kommunalen Abgabengesetzes erlaubt es Städten und Gemeinden inzwischen auch, die anfallenden Gebühren in Raten zu kassieren.

Die Regelung birgt viel Streitpotential. Denn laut bayerischem Innenministerium sind viele der in den 1970er Jahren gebauten Ortsstraßen in den kommenden Jahren erneuerungsbedürftig, da sie das Ende ihrer Nutzungsdauer von bis zu vierzig Jahren erreichen. Den Finanzierungsbedarf schätzt das Ministerium auf 200 bis 300 Millionen Euro im Jahr.

Systeme auf dem Prüfstand

Der Bayerische Gemeindetag will deshalb auch das System „wiederkehrender Beiträge“: Nicht nur die Anlieger sollen zur Kasse gebeten werden, sondern die Kosten auf alle Bürger einer Gemeinde oder eines Ortsteils aufgeteilt werden. Praktiziert wird das in Rheinland-Pfalz und anderen Bundesländern. Die Konsequenz: weniger Widerspruchsverfahren und viel weniger Klagen.

Wie praxistauglich eine solche Handhabung ist, will die CSU bis zum Frühjahr 2018 prüfen. Einen entsprechenden Gesetzentwurf, der die Gestaltungsmöglichkeit der Kommunen erhält ohne Bürger finanziell über Gebühr zu belasten, bringt sie demnächst in den Landtag ein.

Der Fall Hohenbrunn bei München

Die Richter wiesen im November 2016 die Berufung der Gemeinde Hohenbrunn bei München gegen ein Urteil der Vorinstanz zurück. In dem Fall ging es um Wohnungs- und Eigenheimbesitzer, die sich an den Kosten für den Straßenbau beteiligen sollten, teilweise bis zu 15.000 Euro. Hohenbrunn hatte seine Straßenausbaubeitragssatzung 2013 aufgehoben. Das Landratsamt München beanstandete dies mit der Begründung, Gemeinden seien zur Beitragserhebung verpflichtet. Das Verwaltungsgericht München ordnete an, dass die Gemeinde die Kosten an die Grundstücksbesitzer weitergeben müsse, was der Verwaltungsgerichtshof bestätigte. Im Urteil hieß es, nach ständiger Rechtsprechung des Gerichts habe „sollen“ grundsätzlich verbindlichen Charakter, es sei denn, es liege ein „atypischer Ausnahmefall“ vor.