Familiennachzug als Streitpunkt: Außengitter vom Flüchtlingsheim auf dem Hiroshimaplatz in Nürnberg. (Bild: Imago/C. Hardt/Future Image)
Zuwanderung

Die „Herrschaft der Männer“

Die SPD fordert den Familiennachzug für alle Flüchtlinge. Doch das sei ein völlig falscher Weg, sagt die Islamkritikerin Necla Kelek. Familiennachzug sei kein Akt der Nächstenliebe, sondern der Beginn von Parallelgesellschaften.

Kelek warnt in einem Gastartikel für die Mainzer Allgemeine Zeitung und einer ergänzenden Stellungnahme in der Zeitung Die Welt die SPD deutlich davor, den Familiennachzug für subsidiär Schutzbedürftige wieder zuzulassen – was auch CDU/CSU vehement ablehnen. Der Familiennachzug diene keinesfalls der Nächstenliebe, sondern fördere „gerade Parallelgesellschaften und sendet zudem das falsche Signal an Menschen in ihren Heimatländern“. Lieber sollte es keine Große Koalition geben, als eine, die unter einem solchen Zugeständnis zustande komme, schreibt die türkischstämmige Soziologin.

Familiennachzug mit Nebenwirkungen

Parteivize Ralf Stegner vom linken SPD-Flügel hatte vor den ersten Kontakten zur Neuauflage einer Großen Koalition betont: Alle, die mit der SPD redeten, müssten wissen, dass der Familiennachzug zu den „humanitären Verpflichtungen“ gehöre, bei denen es keine Abstriche geben werde.

Der Familiennachzug fördert gerade Parallelgesellschaften und sendet zudem das falsche Signal an Menschen in ihren Heimatländern.

Necla Kelek, Publizistin

Kelek schildert in der Mainzer Allgemeinen Zeitung anhand von Flüchtlingsschicksalen, was Familiennachzug bedeuten würde. Sie berichtet von einem14-jährigen Syrer, der als sogenanntes „Ankerkind“ für seine ganze Familie nach Deutschland geschickt wurde. Er holte mittlerweile Eltern, sieben ältere und jüngere Geschwister und eine Tante nach Hamburg, wo sie in einer Sozialwohnung von Sozialhilfe lebten. „Wie auch immer das gesetzlich möglich war“, fragt sie in der Zeitung Die Welt, wo sie sogar von 13 Familienmitgliedern spricht. Der bis dahin schnell lernende Jugendliche müsse nun seinen Traum von Freiheit und Bildung begraben, da er wieder dem Familienoberhaupt, dem Vater, gehorchen müsse. In der Schule sei er seitdem kaum noch gewesen, die Leistungen abgefallen.

Patriarchalische Großfamilien

Kelek fordert, man müsse anhand solcher Beispiele verstehen, was Familie oder Familiennachzug überhaupt bedeute. Schon zahlenmäßig irrten sich die deutschen Behörden, glaubt man der Soziologin. „Es geht bei orientalisch-muslimischen Familien nicht um die wie in Europa übliche Kleinfamilie, in denen Vater, Mutter und Kinder zusammenleben, sondern um Großfamilien und Sippen, die patriarchalisch organisiert sind“, so die türkischstämmige Kelek. So werde auch das Wertesystem dieser Familien importiert, die „Herrschaft der Männer“. Ein Ausbruch aus diesen Gemeinschaften sei außer durch vollständigen Bruch mit der Familie unmöglich. In der islamischen Männerherrschaft sei die Ehefrau keine Lebenspartnerin, sondern nur Sexualpartnerin, so die Publizistin. Mädchen würden früh verheiratet und bekämen früh Kinder. „Ich arbeite an einem Projekt mit Flüchtlingen und erlebe es dort“, sagt Kelek. Sie sei keine Radikale: „Ich analysiere das islamische Wertesystem für Muslime. Wenn wir das nicht tun, bewegt sich nichts.“

Politikerinnen wie die Grüne Claudia Roth entdecken plötzlich die heilige Familie, Altkommunisten wie Jürgen Trittin mahnen christliche Werte an.

Necla Kelek

Und dann erteilt die islamkritische Autorin den Grünen eine Lehre: „Wer wie die Grünen, Familiennachzug als Akt der Nächstenliebe preist, produziert einen Popanz. Er will offenbar nichts über die Strukturen dieser anderen Kultur wissen – will vielleicht gar keine Integration, sondern bewusst unter dem Mantel der Vielfalt und Toleranz Gegengesellschaften etablieren helfen?“ Und auch die grüne Doppelmoral bleibt nicht verschont: „Politikerinnen wie die Grüne Claudia Roth entdecken plötzlich die heilige Familie, Altkommunisten wie Jürgen Trittin mahnen christliche Werte an.“

Gastarbeiter als Lehrstück

Dabei hätte schon die Geschichte der Gastarbeiter für Deutschland eine Lehre sein müssen, urteilt Kelek. 1972 hat die sozialliberale Bundesregierung den Nachzug von Frauen und Kindern für hier lebende Gastarbeiter erlaubt, vor allem aus der Türkei. „Dies führte zum Import des islamischen Familiensystems. Man zog nicht aus dem anatolischen Dorf nach Deutschland, sondern zur Familie in die bald in sich geschlossene Community von Moschee und Kulturverein“, schildert Kelek die Historie. „Dies hat Integrationsprobleme und Parallelgesellschaften erst geschaffen. Niemand brauchte sich mehr anzupassen, man blieb unter sich, blieb verhaftet in der Kultur des anatolischen Dorfes.“ Auch das System krimineller libanesischer Clans in deutschen Großstädten hänge damit zusammen. „Es sind die verlorenen Söhne, weil wir in Deutschland nicht wirklich an der Wertevermittlung gearbeitet haben.“

Es ist nicht rechtens, wen wir hier alles unter Asylschutz stellen.

Necla Kelek

Der gleiche Fehler werde jetzt wiederholt, „wenn syrische Großfamilien hierherkommen und ihre Traditionen der Kinderehe, Gebärzwang und Frauenapartheid weiterleben“. Ursächlich für das Scheitern Syriens sei auch die „gewalttätige Herrschaft der Männer, der Älteren, der Vorbeter über Frauen und Kinder“, bilanziert Kelek. Daran krankten alle islamischen Gesellschaften. Deshalb bedeute Familiennachzug den „vorhersehbaren Import“ dieser islamischen Männerherrschaft „in unser Sozialsystem“, schrieb die preisgekrönte Publizistin und Menschenrechtlerin der SPD ins Stammbuch.

Kritik an deutscher Asylpolitik

Auch die deutsche Asylpolitik kommt bei der 59-Jährigen deshalb schlecht weg: „Es ist nicht rechtens, wen wir hier alles unter Asylschutz stellen.“ Kelek, selbst Muslimin, greift in der Welt auch Bundeskanzlerin Angela Merkel an: „Es ist unglaublich, wie die Kanzlerin wegschaut, sich weigert, dem politischen Islam ins Auge zu sehen und die daraus folgenden Probleme nicht ernst nimmt.“ Keleks Forderungen: individuelle Unterstützung der Flüchtlinge, ein Verbot der Kinderehe und Aufklärung der Frauen, die vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet wurden, dass sie zur Schule gehen und sich einen Beruf wählen können. Und: „Wir müssen die Werte vermitteln, dass Europa den Einzelnen beschützt, und den Einzelnen aus dem Herrschaftssystem der Männer befreien.“