Der bosnisch-serbische General Ratko Mladic auf der Anklagebank in Den Haag. (Foto: Imago/Xinhua)
Völkermord

Lebenslange Haft für Mladic

Das UN-Kriegsverbrechertribunal in Den Haag hat den Serben-General Ratko Mladic wegen Völkermordes zu lebenslanger Haft verurteilt. Er wurde für schuldig befunden, unter anderem für das Massaker von Srebrenica 1995 verantwortlich gewesen zu sein.

Der bosnisch-serbische Ex-General Ratko Mladic (75) ist zu lebenslanger Haft verurteilt worden. Die Richter des UN-Kriegsverbrechertribunals zum früheren Jugoslawien in Den Haag sprachen den „Schlächter vom Balkan“ unter anderem des Völkermordes in Srebrenica 1995 schuldig. Mladic war erst 2011 nach 16 Jahren auf der Flucht festgenommen worden.

Das Ziel von Mladic war ein ethnisch reines Großserbien.

Anklage in Den Haag

Mladic ist nach dem Urteil für schlimmste Gräuel des Balkankrieges (1992 -1995) verantwortlich. Er war Oberkommandant der bosnisch-serbischen Truppen, die im Juli 1995 die UN-Schutzzone Srebrenica überrannt und anschließend etwa 8000 bosnisch-muslimische Buben und Männer zwischen 13 und 78 Jahren ermordet hatten. Tausende Frauen und Mädchen wurden abtransportiert und in Lagern gefoltert und hundertfach vergewaltigt.

Völkermord, Folter, Mord und Vergewaltigungen

Während der Urteilsverkündung war Mladic aus dem Gerichtssaal entfernt worden, nachdem er lautstark protestiert hatte. Die Verteidigung hatte zuvor erfolglos gefordert, die Urteilsverkündung abzukürzen, weil der Blutdruck des Angeklagten angeblich gefährlich hoch sei. Die Anklage hatte Völkermord, Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Kriegsverbrechen in insgesamt elf Fällen aufgelistet. Als Oberkommandant der bosnischen Serben war Mladic demnach hauptverantwortlich für Vertreibungen, Folter, Mord und Vergewaltigungen.

Ich werde leben, um wieder ein freier Mann zu sein.

Ratko Mladic, am ersten Prozesstag

„Das Ziel von Mladic war ein ethnisch reines Großserbien“, hatten die Ankläger erklärt. „Es wäre eine Beleidigung der Opfer – lebend oder tot – und ein Affront gegen die Justiz, eine andere Strafe zu verhängen als die rechtlich schwerstmögliche: lebenslang.“ Mladic selbst hatte erklärt, unschuldig zu sein. Seine Anwälte forderten Freispruch. Im Balkankrieg von 1992 bis 1995 waren etwa 100.000 Menschen getötet und zwei Millionen vertrieben worden.

Die Verbrechen des Generals

2016 war Mladics enger Vertrauter, der damalige Präsident der bosnischen Serben-Republik, Radovan Karadzic, für eine fast identische Anklage zu 40 Jahren Gefängnis verurteilt worden. Karadzic und die Anklage legten Berufung ein. Der 2012 gestartete und damit fünf Jahre dauernde Prozess ist der letzte des Tribunals, das zum Jahresende seine Arbeit nach 24 Jahren abschließt. Noch laufende Berufungsverfahren werden von einer neuen Instanz in Den Haag übernommen.

Die schwerwiegendsten Verbrechen Mladics sind nach Auffassung des Gerichts: Misshandlung von Gefangenen in Internierungslagern, die Terrorkampagne gegen Kroaten und Muslime in bosnischen Kommunen, die Geiselnahme von UN-Soldaten. Neben Srebrenica war der schwerwiegendste Anklagepunkt die über drei Jahre dauernde Belagerung von Sarajevo mit tausenden Todesopfern durch dauernden Granatbeschuss und Scharfschützen, die sogar hunderte Kinder erschossen. Allein dadurch starben von 1992 bis 1995 rund 10.000 Menschen, die meisten von ihnen Zivilisten. Am schlimmsten Tag der Belagerung fielen allein 4000 Granaten auf die Stadt.

Der Völkermord

Im Sommer 1995 befahl Mladic nach Überzeugung des Gerichts das Massaker in Srebrenica. Thom Karremans, der niederländische UN-Kommandeur, sollte mit 400 nur leicht bewaffneten Blauhelmsoldaten über die muslimische UN-Schutzzone wachen – einen Kampfauftrag hatten sie nicht. Kurz bevor Mladics bosnisch-serbische Armee die Stadt erreicht hatte, forderte Karremans Luftunterstützung an. Bombenangriffe wurden jedoch nach serbischen Drohungen gestoppt. Die Niederländer mussten schließlich dem Abtransport der Muslime tatenlos zusehen und sich teilweise die Ausrüstung abnehmen lassen.

„Auch dreimal so viele Blauhelme hätten nicht gereicht, um die Serben zu stoppen“, sagte laut einem Spiegel-Bericht einer der Soldaten über die entfesselten Serben. Das Schicksal der Deportierten dürften die Niederländer trotz aller späteren Dementis geahnt haben, das legen viele Zeugenaussagen nahe. Schließlich bekamen sie neben ersten Morden auch die Verschleppung besonders hübscher muslimischer Frauen in ein Gebäude mit. Diese Schuld wog schwer: Laut dem Bericht des Spiegel brauchten 40 Prozent der später als Feiglinge beschimpften „Dutchbat“-Truppen zum Teil jahrelange psychologische Hilfe.

Trinkspruch mit Karremans

Am 11. Juli 1995 verkündete Mladic vor laufender Kamera: „Hier sind wir im serbischen Srebrenica. Kurz vor einem großen serbischen Festtag übergeben wir dem serbischen Volk diese Stadt. Die Zeit ist gekommen, an den Muslimen Rache zu nehmen.“ Seitdem nannten die Medien außerhalb Serbiens Mladic den „Schlächter vom Balkan“.

Er ist eine dieser furchtbaren Gestalten, die die Geschichte immer wieder hervorbringt: ein charismatischer Mörder.

Richard Holbrooke, Ex-Bosnien-Beauftragter der USA, über Mladic

Mladic hatte zu diesem Zeitpunkt bereits den Befehl zur ethnischen Säuberung gegeben – laut Welt die größte derartige Aktion in Europa seit dem Holocaust. Bis zu 8000 muslimische Jungen und Männer wurden in drei Tagen in Srebrenica hingerichtet, die meisten durch Erschießungskommandos bosnisch-serbischer Truppen an einer Vielzahl von Tatorten in der Nähe der Stadt. Zudem wurden Tausende Frauen und Mädchen in Bussen deportiert, eingesperrt, gefoltert, vergewaltigt.

Ein Foto aus jenen Tagen ging um die Welt: Mladic mit Karremans beim Trinkspruch, Mladic stößt auf den „serbischen Sieg“ an, dann ziehen die Holländer ab. Ein Gericht in Den Haag bestätigte in diesem Jahr eine Teilschuld der niederländischen Regierung am Tod von 350 muslimischen Männern, die Zuflucht bei den UN-Truppen gesucht hatten. Niederländische Blauhelmsoldaten hatten sie an bosnisch-serbische Kämpfer übergeben.

(dpa/Spiegel/wog/avd)