Harald Fichtner ist Oberbürgermeister der Stadt Hof. (Foto: Stadt Hof)
Zuwanderung

„Es beunruhigt die Menschen“

Interview Aus dem BAYERNKURIER-Magazin: Kaum eine Stadt in Bayern hat bezogen auf die Einwohner eine ähnliche hohe Zahl an Flüchtlingen aufgenommen wie Hof. Oberbürgermeister Harald Fichtner beschreibt, wie der Zuzug der Migranten das Leben vor Ort verändert.

Herr Fichtner, Sie haben unlängst davor gewarnt, dass angesichts der vielen Flüchtlinge in Hof die Situation kippen könnte. Wie ist die derzeit Lage?

Die Situation hat sich in den letzten Monaten etwas entspannt. Zuletzt kamen weniger Flüchtlinge zu uns. Aber es gibt keinen Grund, Entwarnung zu geben.

Wie viele Flüchtlinge leben denn derzeit in Hof und wie viele kommen jeden Monat neu hinzu?

Wir haben derzeit etwa 1800 Flüchtlinge in Hof – bei knapp 47.500 Einwohnern. Zur  Zeit kommen jeden Monat ungefähr dreißig dazu. In den Monaten zuvor waren es jeweils mehr als 180. Das ist schon eine erhebliche Belastung für die Stadt. Nur zum Vergleich: Bamberg hat um fünfzig Prozent mehr Einwohner aber nur 1300 Flüchtlinge.

Warum kamen so viele Migranten ausgerechnet nach Hof?

Ein Grund ist, dass wir schon länger eine kleine syrische Gemeinde in der Stadt hatten. Diese Menschen haben dann wohl weiter Landsleute angezogen. Viel entscheidender ist aber die Verfügbarkeit von freiem Wohnraum. Wir stellen fest, dass gerade in den letzten Monaten gezielt heruntergekommene Häuser gekauft wurden, um sie dann als Wohnraum für Flüchtlinge zur Verfügung zu stellen. Ich habe den Eindruck, dass es hier organisierte Gruppen gibt, die Flüchtlinge gezielt aus anderen Regionen Bayerns anwerben. Und diese beiden Ursachen wirken wohl zusammen.

Verändert der Zuzug der Flüchtlinge die Stadt?

Wir haben zum Glück keine signifikante Steigerung der Straftaten. Aber wir beobachten natürlich eine massive Änderung im Stadtbild. Neulich wurden drei Ordensschwestern verabschiedet. Da sagte der katholische Pfarrer sehr treffend, „Wir sehen in der Stadt zunehmend Schleier, aber leider nicht die von Ordensschwestern“. Wenn ich aus meinen Fenster schaue, blicke ich auf eine unserer Haupteinkaufsstraßen. Dort hat seit kurzem ein syrischer Imbiss eröffnet. Es gibt mittlerweile auch eine arabische Spedition, die zum Beispiel anbietet, Gegenstände von Damaskus nach Hof zu transportieren. Das sind die Anfänge einer möglichen Parallelgesellschaft, die in Sprache, Werten und  Rechtsverständnis möglicherweise nicht mehr in unsere Gesellschaft eingegliedert werden kann.

Es ist für die Bürger beunruhigend, wenn sich ihre Heimat auf diese Art verändert.

Harald Fichtner, Oberbürgermeister von Hof

Wie reagiert die Bevölkerung auf diese Entwicklung?

Es ist für die Bürger beunruhigend, wenn sich ihre Heimat auf diese Art verändert. Ich kann das auch nachvollziehen. Wenn man zum Beispiel auf eine größere Gruppe von Menschen trifft, deren Sprache man nicht versteht, kann das ein gewisses Unwohlsein verursachen – selbst wenn es dafür in aller Regel keinen rationalen Grund geben sollte.

Hat sich das auch bei der Bundestagswahl ausgewirkt?

Wir unterscheiden uns trotz der hohen Zahl von Flüchtlingen nicht signifikant vom bayernweiten Afd-Ergebnis. Aber es gibt in der Innenstadt einzelne, kleine Wahllokale, in denen CSU und SPD zusammen noch auf 35 Prozent kamen, bei gleichzeitig hohem Stimmenanteil von AfD und Linkspartei. Hier haben sich viele Menschen von der politischen Mitte weit entfernt.

Wo gibt es denn die größten Schwierigkeiten bei der Integration der Flüchtlinge?

Die größte Herausforderung haben wir in unserer Sophienschule, einer Schule im Bahnhofsviertel. Dort gibt es eine erste Klasse mit 100 Prozent Migrantenanteil. Das ist für die Lehrer, die eine fantastische Arbeit machen, eine riesige Herausforderung.

Warum sind so viele Migrantenkinder in einer Klasse?

Weil in der anderen ersten Klasse auch 70 Prozent Migranten sind. Wir haben geprüft, ob wir einen Teil der Schüler auf umliegende Gemeinden verteilen können. Da gibt es Schulen, die wegen Schülermangels von der Schließung bedroht sind. Aber das ist aus praktischen und organisatorischen Gründen nicht machbar.

Ich kann niemanden zwingen, sich um Flüchtlinge zu kümmern. Viele Verantwortliche sehen heute, dass sie mit ihren Möglichkeiten an Grenzen stoßen.

Harald Fichtner

Wie sieht es denn bei der Integration in den Arbeitsmarkt aus?

Wir haben ja leider wieder die rote Laterne bei den Arbeitslosen in Bayern übernommen. Aber das liegt ausschließlich an den Flüchtlingen. Wir liegen derzeit bei 7,9 Prozent. Ohne die Flüchtlinge wären wir bei unter fünf Prozent. Wir haben in der Arbeitslosenstatistik derzeit etwa 800 ungelernte Flüchtlinge. Das verdeutlicht das Problem. Da braucht es einen langen Atem, um die Integrationswilligen in den Arbeitsmarkt zu bekommen. Aber die Chance gibt es natürlich.

Hat sich denn durch die hohe Zahl der Zuzügler die Bereitschaft der Bevölkerung zu helfen geändert?

Die Bereitschaft lässt deutlich nach. Das muss man ganz ehrlich sagen. Diejenigen, die vor einem Jahr noch gesagt haben, wir schaffen das, und davon gesprochen haben, Patenschaften für Flüchtlinge zu übernehmen, die gibt es kaum noch. Ich kann das auch verstehen. Ich kann niemanden zwingen, sich um Flüchtlinge zu kümmern. Viele Verantwortliche sehen heute, dass sie mit ihren Möglichkeiten an Grenzen stoßen.

Wie wirkt sich der hohe Migrantenanteil auf den Haushalt der Stadt aus?

Ich habe gleich zu Beginn der Flüchtlingskrise gesagt, es darf durch die neuen Herausforderungen kein Bürger in Hof schlechter gestellt werden. Das konnten wir bis jetzt weitgehend einhalten. Aber natürlich gibt es Mehraufwand für die Stadt. Wir haben zum Beispiel schon vor zwei Jahren eine Flüchtlingskoordinatorin eingestellt. Oder nehmen Sie die Meldestelle: Dort fällt natürlich erheblich mehr Arbeit an, wenn im Monat bis zu 200 Menschen zusätzlich kommen. Ich bin gerade dabei, dies alles zusammen zu stellen, um es dann an die Staatsregierung nach München zu schicken.

Was erwarten Sie denn von der nächsten Bundesregierung hinsichtlich der Flüchtlingspolitik?

Meine Forderung, das sage ich auch als CSU-Sprecher im Städtetag, lautet: Die Mehrkosten der Kommunen müssen ersetzt werden. Die Kommunen müssen diese Aufgaben wahrnehmen, das kann sonst keine andere Stelle. Aber sie müssen den Aufwand dafür erstattet bekommen. Dafür werde ich mich weiter einsetzen.

Das Interview führte Thomas Röll.