Unsozial und uneuropäisch
Die Grünen bestehen auf dem Verbot des Verbrennungsmotors bis zum Jahr 2030 – ohne zu wissen, was dann kommen soll. Das ist Politik gegen die Menschen und gegen die wirtschaftlichen Interessen des Landes sowie der europäischen Nachbarn.
Grüne

Unsozial und uneuropäisch

Kommentar Die Grünen bestehen auf dem Verbot des Verbrennungsmotors bis zum Jahr 2030 – ohne zu wissen, was dann kommen soll. Das ist Politik gegen die Menschen und gegen die wirtschaftlichen Interessen des Landes sowie der europäischen Nachbarn.

„Das sind doch Schwachsinnstermine.“  So schimpfte Winfried Kretschmann, grüner Ministerpräsident im Autoland Baden-Württemberg, im vergangenen Juni über den Beschluss seiner Partei, zum Jahr 2030 die Zulassung von Autos mit Verbrennungsmotor zu verbieten. Kretschmann: „Wie kann man denn so ein Zeug verzapfen?“

Vergeblich. Die Grünen wollten vor der Bundestagswahl nicht auf ihren einzigen Ministerpräsidenten hören, und sie wollen es nach der Wahl auch nicht. In den Sondierungsverhandlungen macht Grünen-Chef Cem Özdemir die Festlegungen auf das Verbot des Verbrennungsmotors ab 2030 zur conditio sine qua non – ohne Rücksicht auf die Mobilitätsbedürfnisse der Menschen oder die Wirtschaftsinteressen des Landes und der europäischen Nachbarn.

Ohne Rücksicht auf die Nachbarn

Was Özdemir und seine grünen Gefolgsleute nicht verstehen: Die deutsche Automobilindustrie gehört nicht nur den Deutschen. Sie bestimmt den Markt in Europa und ist einer der stärksten Player in allen anderen Automobilmärkten. Europäische Nachbarländer hängen als Produktions- und Zuliefererstandorte mit zigtausenden Arbeitsplätzen von ihr ab – und werden jetzt unruhig ob der grün-deutschen Diskussion. Kein Wunder: Wenn jetzt ein Verbot des Verbrennungsmotors für das Jahr 2030 käme, hätte das schon heute Folgen für die Kfz-Produktion in Deutschland und den Nachbarländern. Die grüne Forderung ist rücksichtslos, anti-europäisch – und fast schon nationalistisch.

Üble Klima-Bilanz

Egal, es geht ums Klima. Da müssen wirtschaftliche Interessen in Deutschland und bei den europäischen Nachbarn zurückstehen. So sehen das offenbar Özdemir und seine grüne Mit-Chefin Katrin Göring-Eckardt. Und liegen wieder falsch. Denn die Klima-Bilanz der Elektroautos ist nicht so gut, wie sie aussieht. Beim heutigen Strommix sei das Elektroauto „eher klimaschädlicher als der Verbrennungsmotor“, warnt jetzt der Naturwissenschaftler Ernst Ulrich von Weizsäcker. Er ist Präsident der Expertenorganisation Club of Rome: „Bitte kein Schnellschuss beim Verbrennungsmotor.“ Tatsächlich muss ein moderner Benziner etwa 30.000 Kilometer fahren, bis er soviel CO2 ausgestoßen hat, wie etwa bei der Produktion der Akkus für einen elektrischen Nissan Leaf frei werden. Das ergab die Studie eines schwedischen Umweltforschungsinstituts.

Kobalt aus dem Kongo

A propos Akkus: Für die Lithium-Ionen-Akkus, mit denen die Elektroautos fahren, braucht man die Spezialrohstoffe Kobalt, Lithium, Graphit, Nickel und Mangan. Und die sind knapp oder ihre Abbaukapazitäten sind es. Der Lithium-Abbau in Südamerika verbraucht große Mengen Grundwasser. 60 Prozent der weltweiten Kobaltvorräte lagern im Boden des zentralafrikanischen Bürgerkriegslandes Kongo – und sind zum Großteil schon in chinesischer Hand. Beim Kobaltabbau im Kongo ist Kinderarbeit in den Minen üblich. Grüne Wirtschaft? Der Nachschub der Rohstoffe und ihre Weiterverarbeitung haken. Was vermutlich der Grund für den Produktionsengpass ist, den der kalifornische Hersteller Tesla gerade erlebt.

Elektroautos für die Reichen

Und dann sind da die Menschen. Die brauchen Arbeitsplätze und müssen sie auch erreichen können. Sehr oft mit dem Auto. 60 Prozent der Arbeitnehmer sind Pendler, Tendenz steigend. Und da wollen die Grünen Verbote aussprechen für Diesel- und Verbrennungsmotoren?

Elektroautos werden auf absehbare Zeit Luxusprodukte für Reiche bleiben. Das schrieb jetzt die Pariser Tageszeitung Le Figaro und legt Zahlen vor: Nur in Ländern mit einem Bruttosozialprodukt pro Kopf von über 30.000 Euro überschreitet der Marktanteil der Elektroautos ein Prozent. Elektro-Autos sind teuer, und die Käufer erwerben sie praktisch immer als Zweit- oder Drittwagen. Ist das Grüne Sozialpolitik?

Politik kann technischen Fortschritt nicht beschließen

Die Kunden kaufen nicht Elektroautos, sondern schwere SUVs. Deren Marktanteil ist in Deutschland seit 1995 von 2 auf 22 Prozent gestiegen. Deutschlands Wirtschaft und den Herstellern mit Hunderttausenden Arbeitnehmern geht es damit gut. 24,9 Prozent der Fahrzeuge, die etwa BMW derzeit herstellt, sind SUVs.

Wenn es Elektroautos gäbe mit billigen Akkus, die man so schnell aufladen könnte wie man einen Tank füllt und mit denen man 600 Kilometer weit fahren könnte – die Kunden würden sich darum reißen. Aber es gibt sie nicht. Und die Politik kann technischen Fortschritt eben nicht erzwingen. Auch nicht mit Verboten. So einfach ist das. Dass die Grünen das partout nicht begreifen wollen, macht sie im Grunde politikunfähig.