Überbrückbare Differenzen?
CSU-Chef Horst Seehofer geht mit „Zuversicht” in die Berliner Gespräche mit der CDU. Landesgruppenchef Alexander Dobrindt äußert sich skeptisch über die Chancen einer Jamaika-Koalition und warnt die Grünen vor „linken Spinnereien”.
CDU/CSU

Überbrückbare Differenzen?

CSU-Chef Horst Seehofer geht mit „Zuversicht” in die Berliner Gespräche mit der CDU. Landesgruppenchef Alexander Dobrindt äußert sich skeptisch über die Chancen einer Jamaika-Koalition und warnt die Grünen vor „linken Spinnereien”.

Das werden vielleicht die schwierigsten Gespräche einer möglichen Jamaika-Koalition: Am kommenden Sonntag wollen Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer und Bundeskanzlerin Angela Merkel mit den Spitzen beider Unionsparteien eine gemeinsame Linie für die Verhandlungen mit FDP und Grünen finden. Ein wichtiges Thema unter anderen wird dabei die von der CSU geforderte Obergrenze für Migranten und Flüchtlinge sein. „Ich kann ohne eine Lösung zur Obergrenze zu meiner Basis nicht zurück“, sagte Seehofer am Freitag in München. Ob er auf dem Wort bestehen wird, ließ er allerdings offen. „Ich sag jetzt zu Worten und zu Lösungen gar nichts – ich kann Ihnen nur beschreiben, was zu lösen ist.“ Wenn man die tiefe Spaltung des Landes überwinden wolle, müsse man die Zuwanderung an die Integrationsfähigkeit koppeln, betonte der CSU-Chef. Und das gehe „am ehesten mit einer Grenze“. „Das würde die Akzeptanz in der Bevölkerung rasend nach oben treiben.“

Wir haben eine breite Palette von Themen zu behandeln, vor allem soziale Themen.

Horst Seehofer, Ministerpräsident

Nach dem Wahlabend hat die CSU in der Frage der Obergrenze den Druck auf die große Schwesterpartei erhöht. Die Union war bei der Bundestagswahl stärkste Kraft geworden, hatte aber nur 32,9 Prozent erreicht. Er gehe mit „Zuversicht” in die Gespräche, sagte Seehofer der dpa in Ingolstadt. Trotzdem werde es am Sonntag schwierig werden. „Wir haben eine breite Palette von Themen zu behandeln, vor allem soziale Themen, die Rente, die Pflege, die Mieten. Die Entwicklung der Mieten − das ist die zentrale Frage in den nächsten Jahren”, betonte der CSU-Chef. Das meine er auch damit, wenn er sage, die Union müsse die „rechte Flanke“ zumachen, betonte der bayerische Ministerpräsident: dass man die Probleme der Menschen lösen müsse, damit diese „nicht nach rechts wandern“. „Rechte Flanke zumachen heißt nicht Rechtsruck.“

Jamaika-Skepsis

Verhalten äußert sich auch der neue Vorsitzende der CSU-Landesgruppe im Bundestag, Alexander Dobrindt. Er rechnet nicht mit einer schnellen Beilegung der Differenzen mit der Schwesterpartei CDU. „Ich gehe davon aus, dass die Klärung innerhalb der Union nicht mit einem Treffen zu erledigen ist. Es geht nicht um Kommazeichen, es geht um Grundsätzliches”, so Dobrindt.

Eine Jamaika-Koalition hält der frühere Bundesverkehrsminister für unwahrscheinlich. „Ich halte ein solches Bündnis für nur sehr schwer möglich”, so Dobrindt zum Nachrichtenmagazin Focus. „Wir werden auf jeden Fall ernsthaft in Gespräche mit Grünen und FDP einsteigen. Ob das von Erfolg gekrönt sein kann, hängt stark von der Bewegungsfähigkeit gerade der Grünen ab.” Auf die Frage, ob die neue Regierung vor Weihnachten stehe, sagte er: „Das kann ich mir aktuell nicht vorstellen.“

Wenn die Grünen Teil einer bürgerlichen Regierung sein wollen, müssen sie sich von linken Spinnereien verabschieden.

Alexander Dobrindt, CSU-Landesgruppenchef

Zeitdruck dürfe dabei nicht die Inhalte dominieren, mahnte Dobrindt. „Gerade eine Koalition wie Jamaika müsste intensiver und klarer in einem Koalitionsvertrag ihre politischen Aufgaben definieren, als das bei der großen Koalition der Fall war.” Dobrindt forderte: „Wenn die Grünen Teil einer bürgerlichen Regierung sein wollen, müssen sie sich von linken Spinnereien verabschieden. Für ein Innovationsland wie Deutschland wäre Jamaika kein Projekt, sondern ein gewagtes Experiment.” Er schlug im Obergrenzen-Streit die Regelung für Vertriebene als Modell vor. „Das Bundesvertriebenengesetz setzt eine Obergrenze von 100.000 Vertriebenen pro Jahr“, sagte er der Passauer Neuen Presse. „Eine solche Obergrenze sollten wir auch für Flüchtlinge setzen.“

Begrenzte Aufnahmefähigkeit

Wirtschaftsministerin und CSU-Vize Ilse Aigner bekräftigte diese Forderung nach einer fixen Obergrenze von maximal 200.000 neuen Migranten pro Jahr. „Damit keine Hintertürchen offen bleiben oder Unklarheiten entstehen”, so Aigner zur Zeitung Die Zeit. Sie pochte dabei auf die Eigenständigkeit ihrer Partei. „Wir sind eben kein Landesverband der CDU.” Aigner weiter: „Es ist unerlässlich, dass man einmal unmissverständlich feststellt, dass ein Land begrenzte Aufnahmefähigkeiten hat.”

Es ist unerlässlich, dass man einmal unmissverständlich feststellt, dass ein Land begrenzte Aufnahmefähigkeiten hat.

Ilse Aigner, Wirtschaftsministerin

Mit Blick auf das Wahlergebnis warf die CSU-Politikerin der CDU Versäumnisse vor: Die CSU sei als „letzte echte Volkspartei“ christlich, liberal, aber auch konservativ. „Und deshalb gehören die Nationalkonservativen ebenfalls in unsere Reihen.” Die CDU, so Aigner, habe „die konservative Seite zuletzt arg vernachlässigt”.

Zeichen des Einlenkens

Unterdessen kommen von Unionsfraktionschef Volker Kauder erste Zeichen eines Einlenkens. Er erwarte im Streit über eine Obergrenze eine Einigung, sagte der CDU-Politiker der Passauer Neuen Presse. Kauder weiter: „Der Konflikt ist bekannt. CDU und CSU haben hier unterschiedliche Positionen. Jetzt muss der Streit endgültig gelöst werden.”

Für die CDU sind am Sonntag neben Kauder noch Generalsekretär Peter Tauber, Kanzleramtschef Peter Altmaier und Finanzminister Wolfgang Schäuble dabei. Für die CSU kommen neben Dobrindt Generalsekretär Andreas Scheuer, Bayerns Innenminister Joachim Herrmann und Landtagsfraktionschef Thomas Kreuzer. Schäuble nimmt teil, weil es auch um die Finanzierung möglicher Beschlüsse gehen dürfte.

Unionsfraktionsvize Stephan Harbarth (CDU) nannte Stuttgarter Zeitung und Stuttgarter Nachrichten gegenüber als mögliche Kompromisslinie eine Obergrenze nicht als starre Grenze, sondern als Zielmarke: „Die von der CSU genannte Obergrenze von 200.000 ist nach meiner Auffassung keine trennscharfe Grenze, sondern ein Ziel, das es durch einen strengen Maßnahmenkatalog zu sichern gilt.” (dpa/BK)