Augsburgs Oberbürgermeister Kurt Gribl. (Foto: Nikky Maier)
Kommunalpolitik

Kommunen bedeuten Heimat

Interview Augsburgs OB Kurt Gribl ist seit Juli Vorsitzender des Bayerischen Städtetages. Im Interview mit Chefredakteur Marc Sauber spricht er über die Bedeutung starker Kommunen, die Bedeutung von Heimat und die Vorzüge konstruktiver Sachpolitik.

Die Kommunen in Bayern haben nach einer aktuellen Studie im bundesweiten Vergleich die mit Abstand beste Finanzlage und konnten sogar einen Überschuss erwirtschaften – was haben Sie vor mit dem ganzen Geld?

Die Lage klingt besser, als sie in Wirklichkeit ist. Im Vergleich mit den anderen Bundesländern ist unsere Situation stabil, aber es gibt in Bayern starke regionale Unterschiede. Gerade die Städte und Gemeinden im Nordosten Bayerns oder auch in Teilen Mittelfrankens haben nach wie vor große finanzielle Probleme mit hohen Schulden und einer schwachen Investitionsquote. Das versuchen wir über den kommunalen Finanzausgleich und Schlüsselzuweisungen auszugleichen, was aber aufgrund der unterschiedlichen Lebensverhältnisse nie ganz gelingen wird. Zudem ist der Nachholbedarf insgesamt groß und die Städte sind froh, dass sie ihre strukturellen Rückstände nach und nach aufarbeiten können. Hier in Augsburg ist die Situation positiv, wir sehen aber auch enormen Investitionsbedarf.

In welchen Bereichen besonders?

Ganz intensiv im Bereich der Bildung. Bei der Schulinfrastruktur merken wir einen ganz deutlichen Unterschied zwischen dem ländlichen Raum und den Städten, wo die Investitionsstaus erheblich sind. Hier wird man über Jahrzehnte hinweg kontinuierlich investieren müssen, um eine in die Zukunft gerichtete Bildung anbieten zu können. Zudem bleibt das Thema der Integration eine kommunale Daueraufgabe und auch in finanzieller Hinsicht ein permanenter Kraftakt.

Die Mobilität in den Städten ist momentan ein Riesenthema. Wie sieht die in Zukunft aus?

Der öffentliche Personennahverkehr muss noch deutlich an Bedeutung gewinnen – nicht nur im innerstädtischen Verkehr, sondern auch in der Wechselwirkung mit dem Umland. Der ÖPNV muss attraktiver und günstiger werden! Wenn ich die Menschen vom Individualverkehr auf den öffentlichen Nahverkehr bringen will, dann muss ich einfach auch genau hinschauen, woran es liegt, dass vielen der Umstieg bislang einfach nicht attraktiv erscheint. Das hat viel mit Komfort, mit Bequemlichkeit, mit Taktzeiten zu tun, mit Sauberkeit, mit Sicherheit – also vielen Rahmenbedingungen, die hier eine Rolle spielen. Menschen lieben es, flexibel und frei zu sein. Ich glaube, da ist schon viel passiert, aber es muss sich noch mehr tun. Die Mobilität ist die entscheidende Frage, ob sich Städte zukünftig gelingend entwickeln oder nicht.

Damit wären wir wieder beim Thema Investitionsbedarf…

Richtig – und zudem bei den enormen Aufwendungen für den laufenden Betrieb. Wir in Augsburg steuern jährlich deutlich über 40 Millionen Euro bei, um den öffentlichen Nahverkehr am Laufen zu halten. Jetzt kommen weitere Teuerungen im Bereich der Löhne, der Fahrzeuganschaffung, der Kraftstoffe und so weiter, die nicht über Fahrpreiserhöhungen auszugleichen sind. Der ÖPNV wird in den seltensten Fällen rentabel arbeiten können und ist auf entsprechende Bezuschussung angewiesen.

Der Ausbau des ÖPNV ist ein langfristiges Unterfangen. Angesichts der stellenweise überhöhten Schadstoffbelastung und der Möglichkeit von Fahrverboten drängt allerdings die Zeit…

Die Grundhaltung hat sich nicht verändert. Die Städte wollen keine Fahrverbote, diese sind wirklich die ultima ratio. Das bedeutet im Umkehrschluss, dass man alles macht, was die Schadstoffbelastung in den Städten reduziert. Zunächst mal muss man an die Quelle gehen, an die Umrüstung der Motoren. Jetzt muss man abwarten und überprüfen, was die mit dem Dieselgipfel angekündigten Maßnahmen bewirken. Zudem müssen wir dorthin schauen, wo viele Autos mit hoher Kilometerlaufleistung tagtäglich in den Städten unterwegs sind. Das sind vor allem die Taxis, die Busflotten, die städtischen Fahrzeuge, diese müssen wir umrüsten. Auch den Ansatz, alte Dieselfahrzeuge aus dem Verkehr zu ziehen und mit modernen, schadstoffarmen PKW zu ersetzen, halte ich für richtig. Die Frage ist nur, wer den Umstieg unter dem Strich bezahlen muss. Hier muss man klar darauf achten, dass die Hauptlast bei den Autoherstellern liegt und nicht etwa bei den Verbrauchern oder den Steuerzahlern. Die Autoindustrie ist eine wichtige Industrie, das bedeutet aber nicht, dass man sie nicht in die Verantwortung nimmt.

Die Autoindustrie ist eine wichtige Industrie, das bedeutet aber nicht, dass man sie nicht in die Verantwortung nimmt.

Oberbürgermeister Kurt Gribl, stellv. Vorsitzender der CSU

Die Bewahrung der Schöpfung ist ein Thema, das die Menschen wieder mehr beschäftigt, gerade viele junge Leute schätzen die bayerische Natur. Schreibt die CSU den Umweltschutz groß genug?

Der Umweltschutz ist ein ganz grundsätzlicher Punkt der modernen Politik und kann gar nicht groß genug geschrieben werden. Die Bewahrung unserer Lebensgrundlagen ist für die CSU seit jeher ein zentrales Thema, aber ich bin der Auffassung, hier sollte man auch über Parteigrenzen hinweg Lösungen erarbeiten. Meine Vorstellung ist es zudem, dass wir im Bereich der Umweltbildung noch stärker werden. Ansonsten entwickelt sich das Verständnis von Umwelt in Bayern auseinander – je nachdem, ob man im ländlichen Raum aufwächst oder im urbanen Bereich.

Der Umweltschutz ist ein ganz grundsätzlicher Punkt der modernen Politik und kann gar nicht groß genug geschrieben werden.

Kurt Gribl, Oberbürgermeister der Stadt Augsburg

Im Bayernplan, dem Wahlprogramm der CSU, steht „Heimat gestalten heißt Kommunen stärken“. Was heißt das konkret?

Das ist ganz einfach – die Menschen wohnen in den Städten und Gemeinden – in den Kommunen. Die Kommunen sind an den Menschen am nächsten dran und bedeuten Heimat. Heimat gelingt aber nur dann, wenn der soziale Friede gewährleistet ist und die Leute gute Lebensverhältnisse haben. Deswegen brauchen wir starke Kommunen.

Welche Rolle spielen Begriffe wie Heimat, Tradition oder regionale Verwurzelung in unserer globalisierten, digitalisierten Welt?

Ich glaube, dass die Sehnsucht nach Heimat spürbar größer geworden ist. Die Rückbesinnung auf die eigene Identität ist wichtig. Und die eigene Identität darf in der Diskussion um Globalisierung und Digitalisierung nicht verloren gehen. Ich glaube, man muss den Menschen aktiv das Vertrauen geben, dass sich die örtlichen Lebensverhältnisse und Identifizierung mit der eigenen Heimat durch die aktuellen Entwicklungen nicht verschlechtern. Mit der gezielten Förderung der eigenen, auch örtlichen Kultur muss die Identität gestärkt werden. Dann führt die in großen Teilen notwendige Digitalisierung nicht zur Entwurzelung.

Ich glaube, dass die Sehnsucht nach Heimat spürbar größer geworden ist.

Oberbürgermeister Kurt Gribl, Vorsitzender des Bayerischen Städtetags

Sie persönlich haben sich entschieden, der Gesellschaft etwas zurückzugeben. Sie haben Ihren Beruf als Anwalt an den Nagel gehängt und sind in die Politik gegangen. War das der richtige Schritt?

Auf jeden Fall. Das Amt des Oberbürgermeisters ist extrem vielseitig und abwechslungsreich, verbunden mit einem hohen Maß an Verantwortung. Ich genieße die vielen Begegnungen mit den Bürgern und habe große Freude daran, wie sich die Dinge in Augsburg positiv entwickeln. Das schreibe ich mir nicht alles persönlich zu, aber ich darf aktiv daran mitwirken.

Wie sieht für Sie moderne Politik aus?

Die Aufgeschlossenheit gegenüber den Belangen der jungen Menschen und der Familien ist gewiss ein gewichtiger Bestandteil. Wenn wir die nicht im Fokus unserer Politik haben, dann verlieren wir sie als Engagierte und Verantwortliche für morgen. Wir haben die Aufgabe, den jungen Leuten Perspektiven zu geben. Moderne Politik braucht zudem einen authentischen und direkten Umgang mit den Menschen, sie wollen wissen, was vor sich geht und was nicht. So vermeidet man Spekulationen und Unsicherheiten.

Für eine laute, effekthaschende Politik, die nur von heute auf morgen denkt, bin ich nicht zu haben.

Oberbürgermeister Kurt Gribl, stellv. Vorsitzender der CSU

Sind manchmal die leisen Töne eher die zielführenden?

Auf die lange Sicht auf jeden Fall. Sie brauchen aber eine gewisse Zeit, um die Achtung für die leisen Töne dann auch zu bekommen. Ich habe das selbst erlebt, am Anfang meiner Amtszeit. Die ersten paar Jahre habe ich natürlich auch gespürt, dass eine gewisse Ungeduld da ist und dass Veränderungen erwartet werden. Wenn Sie aber nachhaltige Veränderungen bewirken wollen, dann brauchen diese auch eine gewisse Zeit. Für eine laute, effekthaschende Politik, die nur von heute auf morgen denkt, bin ich nicht zu haben. Ich bin der festen Überzeugung, dass es der richtige Weg ist, über lange Zeit kontinuierlich zu arbeiten, verlässlich zu sein und auch den ruhigen, konstruktiven Ton zu pflegen. Das ist stellenweise etwas anstrengender, aber die Früchte der Arbeit stellen sich dann im Laufe der Zeit ein.

Auszug

Dies ist ein Auszug des Interviews. Das gesamte Gespräch zwischen dem Stv. CSU-Vorsitzenden Kurt Gribl und Chefredakteur Marc Sauber lesen Sie im aktuellen BAYERNKURIER-Magazin. Alle Informationen finden Sie hier.