Rot-Rot-Grün und die Gewalt
Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat eine Internetseite verboten, die offen zur Gewalt gegen Polizisten aufruft. Führende Vertreter der Linken, der Grünen und sogar der SPD sind empört − über das Verbot. Ein Skandal.
Bayern-SPD

Rot-Rot-Grün und die Gewalt

Kommentar Bundesinnenminister Thomas de Maizière hat eine Internetseite verboten, die offen zur Gewalt gegen Polizisten aufruft. Führende Vertreter der Linken, der Grünen und sogar der SPD sind empört − über das Verbot. Ein Skandal.

Kaum zu glauben: Ein SPD-Führungsmitglied beweint das Verbot der linksradikalen Gewalt-Plattform „linksunten.indymedia.org“. Als „Wahlkampfaktionismus“, „Nebelkerze“ und „falsche Prioritätensetzung“ hat Juso-Chefin Johanna Uekermann das „linksunten“-Verbot kritisiert: „Es wird die Gefahr von links beschworen und darüber vergessen, wo die eigentliche Gefahr liegt nämlich rechts.“ Was die Wortmeldung besonders heikel macht: Die 30-jährige Uekermann ist nicht nur Juso-Bundesvorsitzende, sondern zugleich stellvertretende Vorsitzende der Bayern SPD.

Sylvester-Raketen gegen Polizisten

Um die Uekermann-Wortmeldung einzuordnen, muss man sich zu Gemüte führen, was auf jener linksaußen-Internetplattform bis zum 25. August so zu lesen war, etwa vergangenen 21. Dezember:

„Da es mal wieder die Zeit des Jahres ist in der man sich ohne großen Aufwand mit Feuerwerkskörpern eindecken kann, und da sie leider immer noch viel zu selten eingesetzt werden, ein paar Gründe wieso es durchaus sinnvoll ist das zu tun. Im Gegensatz zu Steinen und Flaschen braucht ihr mit einem Böller einen Bullen nicht treffen und auf die Wucht des Aufpralles hoffen, die dank der Rüstung meist eh zu gering ist, sondern müsst ihnen das Teil bloß vor die Füße werfen. Außerdem trifft der Böller die gesamte Gruppe in die er geworfen wird, nicht bloß eine Person, und ist damit im Idealfall um ein vielfaches effektiver, was ist schon ein Bulle mit Kratzer am Helm gegen 5 mit Knalltrauma. (…) Mit einer Feuerwerksbatterie lassen sich die Bullen sogar unter Dauerfeuer nehmen und damit durchaus vom Vorrücken abhalten. In diesem Sinne, für mehr Riots mit Pyro! Und hebt euch was für Juli auf ;)“.

Sie verurteile „Gewaltanwendung oder auch den Aufruf zu Gewalt, egal ob bei G20 oder anderswo“, sagt Uekermann zwar. Aber irgendwie ist dann doch alles nicht mehr so schlimm, wenn es nur irgendwie „gegen Rechts“ geht. Offenbar auch übelste Gewalt gegen Polizisten nicht. Jedenfalls nicht so schlimm, dass man Vereine und Internetseiten, die dazu aufrufen, dann auch tatsächlich verbietet.

Grüne Solidarität

Uekermann ist mit ihrer Auffassung nicht allein. Der Bundesgeschäftsführer der Linken, Matthias Höhn, fand das Verbot sofort „ziemlich verwunderlich“. Etwas später folgte eine Berliner Bundestagskandidatin der Grünen: Canan Bayram. Sie bewirbt sich um Hans-Christian Ströbeles Kreuzberger Direktmandat. Bayram fand „das Verbot nicht in Ordnung“ und nahm prompt an einer Sympathie-Demonstration für die linksradikale Internetseite teil.

Wir verurteilen diese Maßnahme aufs Schärfste und erklären uns solidarisch mit indymedia.linksunten.org!

Grüne Jugend

Überhaupt, die Grünen. „Solidarität mit dem antifaschistischen Infoportal“, trommelt auch die Grüne Jugend auf ihrer Internet-Homepage: „Wir verurteilen diese Maßnahme daher aufs Schärfste und erklären uns solidarisch mit indymedia.linksunten.org!“. Das muss man sich merken: Bei den Nachwuchs-Grünen gilt Gewalt gegen Polizei als „Antifaschismus“. Kein Schelm, wer da an Frankfurter Tage einer „Putzgruppe“ und an ganz andere grüne Figuren denkt, die es weit gebracht haben. Nur: Ein Frankfurter Polizist hat damals schwerste Brandverletzungen erlitten.

Sogar Cem Özdemir

Nicht nur die Grüne Jugend, sondern auch angeblich erwachsene Grüne haben Probleme mit dem „linksunten.indymedia“-Verbot: „Tausendmal lieber #linksunten als Rechtsaußen“, twittert die parlamentarische Geschäftsführerin der Grünen im Landtag des rot-rot-grün regierten Thüringen − und gefährdet damit kaum die Koalitionsharmonie. Ein Verbot müsse immer Ultima Ratio sein, gibt sogar Grünen-Spitzenkandidat Cem Özdemir gegenüber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung zu bedenken: „Es ist fraglich, ob das hier erfüllt ist.“

Gewalt gegen Polizisten ist ein absolutes Tabu. Hätte man gedacht, jedenfalls unter zivilisierten Menschen. Von wegen. Es ist schon beängstigend, wer da alles nicht mit kann, wenn es zum Schwur kommt. Oder zum Verbot.