Johannes Nußbaumer und Matthias Haug (v.l.n.r.) haben die Frischeproduktion zurück ins Allgäu geholt. (Bild: Hof-Milch)
Landwirtschaft

Mut, der sich lohnt

Zwei Allgäuer haben mit ihrer Geschäftsidee den Nerv der Zeit getroffen. Mit Produkten aus Heumilch erobern sie derzeit die Supermärkte. Landwirte aus der Region gewinnen sie mit fairer Bezahlung und einer Milchquote.

Stille Wälder, plätschernde Bäche und immer wieder blitzt auf einer Fahrt nach Missen-Wilhams das Gipfelpanorama der Allgäuer Alpen hinter den saftig grünen Hügeln hervor. 30 Kilometer nordöstlich der Gemeinde liegt Kempten, 40 Kilometer westlich der Bodensee. Links neben der Hauptstraße, die zum Luftkurort führt: ein Kiesparkplatz auf dem ein großes cremefarbenes Gebäude mit zwei silbrig glänzenden Milchtanks steht. Daneben ein mit Schindeln verkleidetes kleines Bürogebäude. Blumen blühen in den Balkonen, an der Eingangstür wiegt sich eine Fahne im Wind mit dem pinken Logo der neuen Molkerei. Aus der Tür tritt Molkereitechniker Matthias Haug und blinzelt gutgelaunt in die Sonne. Es ist Mittagszeit, tausende Liter Heumilch haben die Mitarbeiter bereits abgefüllt. Eine weitere Tankfüllung mit frischer Heumilch geht heute noch in das fünf Kilometer entfernte Diepolz. In der kleinen Sennerei auf über 1.000 Meter Höhe verarbeitet Landwirt Johannes Nußbaumer das Naturprodukt zu Käse.

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Hof-Milch: Neue Molkerei für Heumilch im Allgaeu

Aus Freunden werden Geschäftspartner

Haug und Nußbaumer haben gewagt, woran sich bisher niemand getraut hat: die Frischeproduktion von Heumilch ins Allgäu zu holen. Dazu gründeten sie die Molkerei Allgäuer Hof-Milch. Seit Dezember 2016 läuft die Produktion. Bereits im Mai 2017 erreichten sie das selbst gesteckte Jahresziel von einer Million Liter verarbeiteter Heumilch. Derzeit füllen die Mitarbeiter in Missen-Wilhams pro Woche 120.000 Liter von dem natürlichen Rohstoff ab oder verarbeiten ihn zu Joghurt und Butter weiter. Rund 30 Prozent der Milch haben Bioqualität. „Anderen Unternehmern hat vielleicht einfach der Mut gefehlt, ein solches Projekt umzusetzen und in so einen Betrieb zu investieren“, sagt Haug. Sieben Jahre arbeitete er als Produktionsleiter bei Andechser, Europas größter Biomolkerei. Ein sicherer Job, nette Kollegen, gutes Gehalt, Haug war zufrieden.

Doch da kam ihm zwischen Weihnachten und Sylvester 2014 diese Idee. Haug rief seinen Freund Nußbaumer an. Beide haben sich während der Molkereilehre vor über 20 Jahren kennengelernt. Nußbaumer versorgt auf seinem Hof in Oberstaufen 30 Kühe. Haug stellte ihm die Frage: „Warum gibt es im kleinbäuerlich geprägten Allgäu keine Molkerei, die sich auf die Verarbeitung von Heumilch spezialisiert hat?“

Warum Heumilch?

Das wollten die beiden gebürtigen Allgäuer ändern und tüftelten ein Konzept aus. „Wichtig war uns, dass der Landwirt und sein Produkt im Mittelpunkt stehen“, sagt Haug. Dazu zählte für die beiden: ein fairer Milchpreis für einen hochwertigen Rohstoff. Deshalb schließen die Unternehmer Verträge nur mit Landwirten ab, deren Kühe Heumilch erzeugen. Das heißt, die Kühe bekommen keine Silage, sondern ausschließlich frisches Gras und getrocknetes Heu. Das gibt der Milch durch den höheren Fettsäure-Anteil einen besonderen Geschmack. Beim Käsen kann Nußbaumer zudem auf Zusatzstoffe und Konservierungsstoffe verzichten. Auch die Tiere haben etwas von der Ernährung. „Wir haben gemerkt, dass unsere Tiere viel gesünder sind, wenn wir auf Silagefütterung verzichten“, sagt David Fischer. Der Landwirt aus Waltenhofen schloss den ersten Vertrag mit Haug und Nußbaumer ab. Mit 90 Kühen ist Familie Fischer bislang der größte Heumilchlieferant der Molkerei. Die silagefreie Milchproduktion steht in Bayern noch am Anfang. Ihr Anteil erreichte 2016 gerade einmal 0,9 Prozent. In Österreich hingegen liegt er bei etwa 15 Prozent.

Chancen für die Kleinen

„Für uns war entscheidend: Wenn wir auf Heumilch umstellen, brauchen wir eine faire Bezahlung“, sagt Fischer. Denn die Umstellung kostete die Familie zunächst eine dreiviertel Million Euro – das Geld mussten sie zunächst für eine neue Halle aufbringen, um darin frisch gemähtes Gras zu trocknen.

Der durchschnittliche Literpreis für konventionelle Milch ist laut dem Verband der Milcherzeuger Bayern seit dem Tiefpunkt der Krise im Frühsommer 2016 von 25 auf inzwischen 34 Cent emporgeschnellt. Haug zahlt Landwirten 40 Cent pro Liter Heumilch, garantiert für drei Jahre mit einer Preissteigerung von jeweils einem Cent pro Jahr. Gleichzeitig müssen alle eine Milchquote einhalten. Dazu gibt jeder Bauer bei Vertragsschluss seine Jahresproduktion von Heumilch an. Diese Menge darf er nicht überschreiten – was Überproduktion vermeidet und Preisstabilität garantiert. „Wir müssen uns den kleinbäuerlichen Strukturen im Allgäu anpassen, damit auch die Kleinen mit nur zehn Kühen eine Chance haben“, sagt Haug. Von ihnen springen immer mehr auf den Zug auf. In den ersten Monaten waren es nur sieben, inzwischen beliefern 50 Landwirte aus der Region die Molkerei Hof-Milch.

Handelspartner unterstützt Konzept

Aber nicht nur Mut und das Vertrauen der Landwirte hat die Molkereigründer nach vorne gebracht. Haug und Nußbaumer konnten neben einem geeignetem Grundstück und zwei regionalen Hausbanken, die ihnen Darlehen gewährten, noch einen weiteren Mitspieler überzeugen: den Handelspartner Rewe, der rund einen Euro pro Liter Heumilch zahlt. Im Supermarkt des Großhändlers können Kunden ihn für 1,35 Euro kaufen. Bei der Preiskalkulation orientierten sich die Geschäftsführer an dem, was Kunden bereit sind für vergleichbare Bio-Milchprodukte zu zahlen. Der Plan geht bislang auf. Nicht nur in Bayern, bereits in Baden-Württemberg und auch in Teilen von Hessen und dem Saarland vertreibt Rewe die Produkte der Hof-Milch.

Wir vereinbaren mit Landwirten, dass sie freiwillig auf Kunstdünger verzichten.

Matthias Haug, Geschäftsführer Hof-Milch

Die Verlockung sei groß, sagt Haug, schnell zu wachsen, wenn die Nachfrage da ist. „Wir müssen uns da zügeln und Augenmerk auf die Qualität legen. Beispielsweise vereinbaren wir mit unseren Landwirten, dass sie freiwillig auf Kunstdünger verzichten“, sagt er. Gleichzeitig feilt der Visionär am nächsten Konzept. Auf dem Grundstück ist noch Platz. Gleich neben dem neuen Produktionsgebäude soll eine Erlebnismolkerei entstehen. Dort füllen Mitarbeiter die Milch nicht nur ab. Für Gäste soll der Prozess zum fertigen Produkt, wie es im Supermarkregal steht, erlebbar werden. Rund sechs Millionen Euro kostet das Vorhaben. Haug ist davon überzeugt, dass er das Geld in ein lukratives Projekt steckt. „Wenn man von einer Idee überzeugt ist, muss man es tun. Ich finde es schrecklich, wenn man zaudert und von daher – warum nicht?“

Landwirt Sebastian Lackner produziert auf seinem Hof in Tittmoning Bio-Heumilch. Hier trifft neueste Technik auf Althergebrachtes. Lesen Sie hier mehr: Premium statt Masse.
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