Zum ersten Mal seit 150 Jahren hat ein freilebendes Wolfspaar in Bayern Nachwuchs bekommen. (Bild: Imago/Blickwinkel)
Umwelt

Wolfsgeheul in Bayern

Das erste Wolfsrudel fühlt sich im Nationalpark Bayerischer Wald zuhause. Braucht es jetzt Schutzzäune oder gar "wolfsfreie Zonen"? Und ist der Wolf für den Menschen eine Gefahr? Der BAYERNKURIER gibt die wichtigsten Antworten.

Es ist 21:45 Uhr, im Nationalpark Bayerischer Wald ist die Sonne Ende Juli bereits seit einer knappen Stunde untergegangen. Trotzdem bleiben die drei jungen Wölfe nicht unentdeckt. Die Aufnahme der Nachtsichtkamera dokumentiert eindeutig, wie die Jungtiere durch den Wald streifen. Das ist der erste Nachweis von freilebenden Jungwölfen in Bayern seit rund 150 Jahren.

Zwar wurden seit 2006 immer wieder einzelne Wölfe im Freistaat nachgewiesen. Das waren in der Regel aber durchziehende Jungtiere vom Balkan oder aus dem Nordosten Europas. Standorttreue Wölfe, das heißt Wölfe, die länger als ein halbes Jahr in einer Region nachgewiesen werden können, gibt es derzeit nur im Nationalpark Bayerischer Wald und auf dem Truppenübungsplatz Grafenwöhr in der Oberpfalz, jeweils ein Paar.

LfU PM 34 vom 04 08 2017 Quelle Nationalparkverwaltung Bayerischer WaldPlay Video
LfU PM 34 vom 04 08 2017 Quelle Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald

Seit 2007 hat der Freistaat ein bayernweites Wildtiermanagement am Bayerischen Landesamt für Umwelt etabliert. Es empfiehlt Nutztierhaltern in Gebieten mit dauerhafter Wolf-Anwesenheit, Tiere, wenn möglich, in der Nacht einzustallen beziehungsweise die Weidefläche mit Elektrozäunen von mindestens 90 cm Höhe zu schützen. Auch der Einsatz von Herdenschutzhunden könne eine geeignete Vorsorgemaßnahme sein. Dazu erarbeitet das Bayerische Umweltministerium derzeit ein Programm zur finanziellen Förderung.

Brunner will wolfsfreie Zonen

Einem Großteil der bayerischen Landwirte seien Zäune jedoch zu arbeitsaufwendig und Herdenschutzhunde zu kompliziert, sagte Roland Graf, Kreisobmann des Bayerischen Bauernverbands im Landkreis Regen dem Bayerischen Rundfunk. „Mit Zäunen und Herdenschutzhunden werden wir nicht arbeiten können. Ich gebe da dem Minister Brunner vollkommen recht, dass wir wolfsfreie Zonen brauchen, und da wäre es mir lieber, wenn außer dem Nationalpark der ganze Bayerische Wald wolfsfreie Zone wäre“, sagte Graf.

 

Wir brauchen eine Möglichkeit, den Schutzstatus des Wolfes abzusenken.

Helmut Brunner, Landwirtschaftsminister

Landwirtschaftsminister Helmut Brunner fordert nicht nur Beratungs- und Präventionsprogramme sowie einen Entschädigungsfonds. „Wir brauchen eine Möglichkeit, den Schutzstatus des Wolfes abzusenken, um im Einzelfall eine Regulierung des Bestandes vornehmen zu können“, sagte er der Passauer Neuen Presse. Konkret: Brunner hat angedacht, Almen und Alpen, die schwer zu umzäunen sind, zu „wolfsfreien Zonen“ zu erklären.

Doch Brunners Forderung nach wolfsfreien Zonen ist schwer umzusetzen: Der Wolf ist europaweit streng geschützt, solche Zonen sind im europäischen Naturschutzrecht nicht vorgesehen. Und schließlich ist Bayern von Ländern mit Wölfen umgeben. Bei dem zugewanderten Wolfspaar aus dem Nationalpark kommt der Rüde beispielsweise aus Italien und seine Partnerin aus Polen.

Wo gibt es Wölfe in Bayern?

Bis heute wurden mehrfach Einzeltiere nachgewiesen: 2006 wurde bei Starnberg ein junger, durchwandernder Rüde aus dem Mittelmeerraum überfahren. 2015 wurden einzelne Wölfe in den Landkreisen Rottal-Inn, Ebersberg, Regen, Miesbach und Cham nachgewiesen. 2016 stieg die Zahl der Nachweise weiter an (Kreise Freyung-Grafenau, Regen, Starnberg, Nürnberger Land, Schwandorf, Neustadt a.d. Waldnaab, Unterallgäu).

Standorttreue Wölfe gibt es nur in den beiden genannten Fällen. Wölfe lassen sich dort nieder, wo sie ausreichend Nahrung finden und genügend Rückzugsmöglichkeiten haben. Große Waldgebiete bieten da die besten Lebensbedingungen.

Ist der Wolf eine Gefahr für den Menschen?

Jörg Müller von der Nationalparkverwaltung Bayerischer Wald betonte, dass in Europa keinerlei Gefahr von Wölfen auf Menschen ausgehe. Der Wolf ist von Natur aus vorsichtig und weicht dem Menschen aus. Seit der Wolf wieder durch Deutschland streift, hat es keinen Angriff auf Menschen durch Wölfe gegeben. In den letzten 50 Jahren sind in Europa neun Fälle von tödlichen Angriffen auf Menschen bekannt geworden, fünf davon durch tollwütige Tiere. Bei den anderen vier Fällen waren die Tiere vorher angefüttert und damit bewusst an den Menschen gewöhnt worden.

Tollwut spielt heute in Deutschland kaum mehr eine Rolle, auch wenn Wölfe wie Füchse und Hunde daran erkranken können. Der letzte Fall stammt aus Rheinland-Pfalz (2006). Bayern ist seit 2001 tollwutfrei. Die Lage in den Nachbarländern wird ständig beobachtet.

Wie lässt sich ein Wolf von einem wolfsähnlichen Hund unterscheiden?

Schäferhunde haben ein ähnliches Gewicht, Wölfe sind aber deutlich hochbeiniger. Die Ohren sind relativ klein und dreieckig. Wölfe haben einen buschigen Schwanz und oftmals eine schwarze Schwanzspitze. Auf der Schulter befindet sich ein Sattelfleck und das Gesicht ist dunkel mit hellen bis weißen Partien seitlich am Fang. Eine eindeutige Zuordnung ist jedoch bei manchen Tieren nur über eine genetische Analyse möglich.

Wo heulen Europas Wölfe?

Seit 1996 leben in Deutschland wieder Wölfe. In Nord- und Ostdeutschland sind sie viel verbreiteter. Allein von 2015 auf 2016 stieg die Zahl der Rudel in der Lausitz, in der sächsischen Schweiz, in Brandenburg, Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen von 31 auf 46 (Stand: Mai 2016).

In den italienischen und französischen Südalpen haben sich mittlerweile grenzüberschreitend etwa 40 Wolfsfamilien mit 200 bis 250 Tieren etabliert. Davon wandern immer wieder einzelne Wölfe nach Norden und Osten in den Alpenbogen. 2016 wurde in Österreich erstmals ein Wolfsrudel nachgewiesen. Derzeit leben in Europa zwischen 10.000 und 15.000 Wölfe. Die größten Populationen gibt es im Balkangebiet (3900 Tiere), in den Baltischen Ländern (4300 Tiere), den Karpaten (3000 Tiere), Spanien (2500 Tiere), Italien mit 600 bis 800 Tieren sowie Finnland, Schweden und Frankreich mit je 150 bis 250 Tieren, dazu Schweiz (40), Österreich und Tschechien.

(Quelle: Bayerisches Landesamt für Umwelt)