Eigentlich ein beschauliches Städtchen: Schorndorf, 25 Kilometer östlich von Stuttgart. (Bild: Imago/Imagebroker)
Randale

Ein Volksfest artet aus

Sexuelle Übergriffe, Krawalle und Gewalt auf einem Volksfest beschäftigen Polizei und Politik in Schorndorf bei Stuttgart. Viele der jungen Leute hatten laut Polizei einen Migrationshintergrund. Auch Böblingen und Reutlingen melden solche Übergriffe.

Hat sich der Silvesterabend von Köln in kleinerem Maßstab in der baden-württembergischen 39.000-Einwohner-Stadt Schorndorf 25 Kilometer östlich von Stuttgart wiederholt? Es kam dort bei einem Volksfest zu mehreren Straftaten und Ausschreitungen. „Eine Widerstandshandlung und Flaschenwürfe auf Polizisten und andere Festbesucher, sexuelle Belästigungen von Festbesucherinnen und Sachbeschädigungen an Einsatzfahrzeugen sind die traurige Zwischenbilanz der ersten beiden Tage des Schorndorfer Straßenfestes“, so die Pressemitteilung der Polizei.

Die Randale

Da war zunächst die Randale, die mit Sachbeschädigungen und Körperverletzungen verbunden war. Im Schorndorfer Schlosspark versammelten sich in der Nacht zum Sonntag bis zu 1000 Jugendliche und junge Erwachsene. Bei „einem großen Teil“ handelte es sich laut Polizei um Personen mit Migrationshintergrund, hauptsächlich Iraker und Afghanen. Allerdings sei der Anteil unter 50 Prozent gelegen, sagte Polizeisprecher Ronald Krötz. Aalens Polizeipräsident Roland Eisele ergänzte am Montag: „In dieser Menge befanden sich viele Menschen mit Migrationshintergrund – aber nicht nur.“ Man könne nicht genau sagen, wie viele Menschen mit Migrationshintergrund dabei waren. „Wir sind keine Glaskugelleser“, sagte er. „Mit solchen Zahlen muss man vorsichtig sein, weil man sie überhaupt nicht verifizieren kann. Man geht da oftmals nach dem Aussehen, deswegen ist es schwierig, dies an einer Zahl festzumachen oder zu sagen, so und so viel Prozent hätten Migrationshintergrund.“

Die Gewalt gegenüber den Beamten war erschreckend.

Ronald Krötz, Polizeisprecher

Als ein deutscher Tatverdächtiger einer gefährlichen Körperverletzung festgenommen wurde, widersetzte sich dieser der Festnahme. In der Folge solidarisierten sich zahlreiche Personen mit ihm. „Eine Vielzahl von Polizeibeamten mussten in Schutzausstattung die Festnahme abschirmen, um einen Angriff zu verhindern“, schilderte die Polizei diesen Vorfall. Als sich die Einsatzkräfte zurückzogen, wurden sie erneut mit Flaschen beworfen. Im Verlaufe der Nacht mussten zahlreiche Einsatzkräfte aus umliegenden Landkreisen angefordert werden, um dem massiven Aggressionspotential begegnen zu können. Die Polizei habe laut Eisele die Lage streckenweise nicht unter Kontrolle gehabt.

Täter seien „einzelne Gruppierungen aus einer Masse von etwa 1000 Personen heraus“, sagte Aalens Polizeipräsident. Das Ausmaß der Aggressionen sei „nicht vorhersehbar“ gewesen. „Wir hatten eine Lage, die wir so noch nicht gekannt haben.“ Der Polizeisprecher hatte bereits am Wochenende gesagt: „Die Gewalt gegenüber den Beamten war erschreckend.“

Eine unruhige Nacht

Weiter zogen dann im Verlaufe der Nacht mehrere Gruppierungen mit circa 30 bis 50 Personen durch die Innenstadt. Laut Zeugenaussagen seien einzelne Personen hierbei mit Messern bewaffnet gewesen. Aus einer anderen Gruppe heraus soll im Bereich des Alten Friedhofs, vermutlich mit einer Schreckschusswaffe, in die Luft geschossen worden sein. Die alarmierten Einsatzkräfte konnten die Personen nicht mehr antreffen. Im Verlaufe der Nacht wurden zudem zwei Einsatzfahrzeuge der Polizei mit Graffiti besprüht, ein Einsatzfahrzeug durch ein Flaschenwurf beschädigt und an sechs Fahrzeugen die Kennzeichen abmontiert und gestohlen.

Darüber hinaus wurden während des Festes mehrere Körperverletzungen angezeigt. Die genaue Zahl der bislang erfassten Straftaten will Eisele erst am Nachmittag nennen lassen – „es sind wesentlich mehr als in den Vorjahren.“

Die Sexualstraftaten

Zum Anderen gab es sexuelle Belästigungen: Am Freitagabend seien der Polizei bislang drei Vorfälle gemeldet worden, bei denen Frauen von Männern auf dem Marktplatz sexuell belästigt wurden, hieß es am Sonntag. In einem Fall wurde ein irakischer Tatverdächtiger ermittelt. Am Samstag sei es am Bahnhofsvorplatz zu einer sexuellen Belästigung gekommen, bei der „eine 17-Jährige nach derzeitigem Ermittlungsstand von drei Männern festgehalten und am Gesäß begrapscht wurde“. Hierbei konnten drei afghanische Asylbewerber als Tatverdächtige ermittelt werden. Am Montag sprach Eisele nur noch von mindestens zwei sexuellen Übergriffen.

Ursache nur im Alkohol?

Als Hauptproblem nannte die Polizei den Alkoholkonsum der „enthemmten“ Jugendlichen. „Alkohol ist ein Gewalttransmitter“, berichtete Polizeipräsident Eisele am Montag. Desto länger Alkohol ausgeschenkt werde, umso aggressiver werde es. Eine nicht ganz verständliche Vorab-Entschuldigung der Täter. Denn laut Medien und Polizei ist der hohe Alkoholkonsum sowie die Versammlung während und nach dem Stadtfest auch in den letzten Jahren durchaus üblich gewesen – durch anwesende Schüler und Abiturienten. Eisele berichtete aber, das Stadtfest sei „in all den Jahren friedlich“ abgelaufen. Die Gewaltexplosion jedoch sei neu, auch mit Blick auf „andere Veranstaltungen in der Umgebung“.

Der Unterschied in der Zusammensetzung der Versammlung wurde in der Pressekonferenz weitgehend übergangen und die Schuld beim Alkohol, der zunehmenden Gewalt gegen Polizisten und der „Anonymität der Menge“ gesucht. „Keine signifikante Steigerung bei sexuellen Straftaten“, gebe es zudem laut Eisele in der letzten Zeit.

Ich frage mich jedoch schon, wie man sich so aufführen kann, wenn man ‚Gast‘ eines Landes ist. Das sollen Menschen sein, die vorm Krieg geflohen sind?

Kommentar einer Leserin beim SWR

Auch wenn, abgesehen von den Sexualstraftaten, die Täter noch nicht ermittelt sind: Die Leser hakten in den örtlichen Medien nach, ob nicht für Gäste dieses Landes strengere Maßstäbe angelegt werden müssten. So schreibt die Leserin Veronika G. beim SWR: „Ich frage mich jedoch schon, wie man sich so aufführen kann, wenn man ‚Gast‘ eines Landes ist. Das sollen Menschen sein, die vorm Krieg geflohen sind? Hallo, da wäre ich erst einmal sehr dankbar, dass ich hier eine Bleibe gefunden habe, ein Dach über dem Kopf, Nahrung und Kleidung. Zusätzlich Sprachkurse geboten bekomme und mir, wenn ich mich anstrenge und integriere, auch durchaus mit Chancen auf dauerhaften Aufenthalt rechnen kann. Führt man sich dann so derart undankbar auf?“ Andere fragten, ob es jetzt schon  zur Normalität gehöre, wenn man Volksfeste nur noch mit massivem Polizeiaufgebot schützen könne und Frauen lieber zuhause bleiben sollten.

Problemfälle

Die Polizei rief Opfer und Zeugen, die sich bislang noch nicht gemeldet haben, dazu auf, sich zu melden. Auch Aufnahmen von den Vorfällen sollten als Beweismaterial zur Verfügung gestellt werden. Aufgrund der Vorfälle werde die Polizei in den nächsten Nächten mit zusätzlichen Einsatzkräften vor Ort sein. Darüber hinaus ist geplant, den Schlosspark auszuleuchten. Das Fest dauert noch bis Dienstag.

Schorndorfs Oberbürgermeister Matthias Klopfer (SPD) sagte in der Pressekonferenz: „Ich bin der Letzte, der sich einer klaren Analyse verweigert. Aber eins ist auch klar: Wenn in Baden-Württemberg etwa 150.000 Flüchtlinge sind, dann gibt es eben einen ganz normalen Dreisatz – und von daher kommt es eben auch im einwohnerdichten Raum Stuttgart zu mehr Straftaten.“ Auf der „Schowo“ (Schorndorfer Woche) hätten auch viele Flüchtlinge mitgeholfen. „Gleichzeitig gibt es auch Problemfälle, und da gilt die ganze Härte des Staates.“

Ähnliche Fälle in Böblingen

Ähnliche Fälle sind nun allerdings auch von einem Fest im baden-württembergischen Böblingen, südwestlich von Stuttgart, bekannt geworden. Wie die Polizei mitteilte, war eine zwölfköpfige Gruppe betrunkener afghanischer Asylbewerber am Samstag am Rande des „Holi-Festivals“ auf dem Böblinger Flugfeld aggressiv geworden. Drei junge Männer waren an einer Schlägerei beteiligt, zwei davon mussten mit Handschellen gefesselt werden. Während der Aufnahme des Sachverhalts meldeten sich bei der Polizei mehrere junge Frauen, die demnach von zwei Männern aus der Gruppe unsittlich berührt und sexuell beleidigt worden waren. Bei ihrer vorläufigen Festnahme leisteten die beiden 18-Jährigen Widerstand und wurden daher gefesselt zum Revier gebracht.

In Reutlingen wurde laut Polizeibericht bei einem mehrtägigen Festival eine 23-Jährige in eine tanzende Menschenmenge gestoßen. Zwei Männer hielten sie fest, während ihr ein Dritter von hinten in die Hose griff. Alle wurden als „mit dunklem Teint und dunklen Haaren“ beschrieben.