Persona non grata
Endlich schiebt die Bundesregierung einen Riegel vor: Der türkische Autokrat Recep Erdogan darf nach dem G20-Gipfel in Hamburg nicht auf großer Bühne auftreten und Zigtausende Türken mitten in Deutschland gegen Deutschland aufwiegeln.
Erdogan

Persona non grata

Kommentar Endlich schiebt die Bundesregierung einen Riegel vor: Der türkische Autokrat Recep Erdogan darf nach dem G20-Gipfel in Hamburg nicht auf großer Bühne auftreten und Zigtausende Türken mitten in Deutschland gegen Deutschland aufwiegeln.

Das war schon lange fällig: Die Bundesregierung wird nicht zulassen, dass der türkischen Autokrat Recep Erdogan nach – oder vor – dem G20-Gipfel in Hamburg irgendwo in großer Arena auftritt. Das bedeutet: Abseits des Gipfels ist Erdogan Persona non grata in Deutschland, eine unerwünschte Person. „Wir teilen der Türkei mit, dass wir der Auffassung sind, dass ein solcher Auftritt in Deutschland nicht möglich ist“, erklärte jetzt Außenminister Sigmar Gabriel. Und noch deutlicher: Ankara wird eine Verbalnote erhalten, „dass wir eine solche Veranstaltung nicht durchführen lassen werden“. Juristisch ist es völlig klar: Schon im März hat das Bundesverfassungsgericht betont, dass auswärtige Regierungsmitglieder keinen Anspruch auf einen Auftritt in Deutschland haben können.

Erdogan will „zu seinen Landsleuten sprechen”

Das ist schon dreist: Erdogan hält der Bundesregierung wochenlang Nazi-Methoden vor; ein Bundeswehrkontingent muss vom türkischen Stützpunkt Incirlik abziehen, weil Erdogan Bundestagsabgeordneten nicht einmal erlauben will, ihre Soldaten zu besuchen; der Bundesnachrichtendienst muss türkischstämmige Migranten und deutsche Abgeordnete vor Nachstellungen des türkischen Geheimdienstes schützen – in Deutschland; ein Journalist mit deutschem Pass und eine deutsche Übersetzerin sitzen seit Monaten wegen frei erfundener Vorwürfe in einem türkischen Gefängnis. Und jetzt will Erdogan in Nordrhein-Westfalen in großer Arena „zu seinen Landsleuten sprechen“. So tatsächlich eine offizielle Anfrage der türkischen Regierung. Als wäre nichts geschehen.

„Türkische Innenpolitik hat auf deutschem Boden nichts verloren. Ein Auftritt von Erdogan muss verhindert werden. Wer in seiner Heimat die Menschenrechte mit Füßen tritt, Journalisten ohne rechtsstaatliches Verfahren hinter Gittern bringt und das demokratische Deutschland mit Nazi-Vergleichen attackiert, der kann hier keine Großkundgebung abhalten. Das wäre unerträglich. Es ist schlimm genug, wenn der Despot vom Bosporus in der Türkei die Todesstrafe fordert, in Deutschland lassen wir dies nicht zu.“

Andreas Scheuer, CSU-Generalsekretär

 

Propaganda gegen die Demokratie

Vor dem türkischen Verfassungsreferendum sind mehrere Erdogan-Minister in Deutschland, den Niederlanden und Frankreich aufgetreten. Wir wissen also, was wir von einem Erdogan-Auftritt in Köln, Dortmund, Düsseldorf oder Oberhausen – dort gab es schon Anfragen türkischer Eventplaner – zu erwarten hätten: Werbung und Propaganda gegen die Demokratie, gegen europäische Grundwerte, für die Todesstrafe.

Wir wissen es auch von Erdogan selber: 2008 verdammte er vor begeisterten 16.000 Deutschtürken in einer Kölner Arena Assimilierung als „Verbrechen gegen die Menschlichkeit“ – die Formulierung ist nach 1945 ursprünglich für die Menschheitsverbrechen der Nationalsozialisten geprägt worden und wird heute nur auf unmenschliche Akte gegen die Zivilbevölkerung angewandt, darunter Mord, Folter, Inhaftierung, Vergewaltigung, Versklavung und Vertreibung.

Millionen Türken gegen Deutschland aufwiegeln

Erdogan meint es ernst, wenn er Millionen nach Deutschland ausgewanderte Türken „seine Landsleute“ nennt. Sie sollen es bleiben, sie sollen sich eben nicht integrieren. Erdogan will sie aufhetzen gegen Deutschland, gegen Demokratie, gegen europäische zivilisierte Werte. Und das Traurigste ist: All zu viele von ihnen sind leicht aufhetzbar. Beim türkischen Verfassungsreferendum haben 63 Prozent der etwa 1,5 Millionen auch in der Türkei wahlberechtigten Deutschtürken im Sinne Erdogans und seiner islamistischen AKP-Partei gestimmt – für ein despotisches Präsidialregime, gegen Gewaltenteilung, gegen demokratische Grundwerte. Daran ändert auch die Wahlbeteiligung von rund 50 Prozent nichts: Denn selbst wenn die Nichtwähler alle Gegner der Diktatur gewesen wären (was unwahrscheinlich ist), müssen sie sich fragen lassen, warum sie dann nicht erst recht gewählt haben? Und es bleiben letztlich dennoch rund 450.000 Deutschtürken, die Erdogan stützten. Ob die Erdogan-Gegner bei den nicht mehr in der Heimat wahlberechtigten Türken in der Überzahl sind, darf ebenfalls bezweifelt werden. Denn eine repräsentative Emnid-Umfrage ergab Mitte 2016: Unter den in Deutschland lebenden Menschen mit türkischen Wurzeln findet fast jeder Zweite die islamischen Gebote wichtiger als die deutschen Gesetze.

Die Bundesregierung kann und darf Erdogan oder seine Minister nicht mehr in Deutschland auftreten lassen. Es ist untragbar, wenn türkische Politiker innertürkischen Streit nach Deutschland tragen, für die Despotie werben und obendrein rund drei Millionen Türken in Deutschland gegen Deutschland aufwiegeln.

Die Nazi-Keule muss sich Erdogan dieses Mal verkneifen

Es ist gut, dass die Bundesregierung sich endlich ein Herz gefasst und den großen Erdogan-Auftritt schlicht untersagt hat. Die Peinlichkeit, stattdessen vom Balkon irgendeines türkischen Generalkonsulats zu sprechen, wird Erdogan sich wohl ersparen. Amüsant: Er wird es sich sogar verkneifen müssen, der Bundesregierung wieder „Nazi-Methoden“ vorzuwerfen. Denn dann bräuchte er zu Bundeskanzlerin Angela Merkels G20-Gipfel nach Hamburg gar nicht mehr zu kommen. Obwohl, wenn man es recht bedenkt: Ein G19-Gipfel wäre vielleicht gar nicht so schlecht.