Freut sich auf seine 24-Stunden-Sprechstunde, auch, wenn er erst mal unter Schlafmangel leiden wird: Kaufbeurens Oberbürgermeister Stefan Bosse. (Foto: Stadt Kaufbeuren)
Kaufbeuren

24 Stunden Bürgermeister

Interview Kaufbeurens Oberbürgermeister Stefan Bosse (CSU) beginnt an diesem Freitag um 6 Uhr eine 24-stündige Bürgersprechstunde. Bis zum frühen Samstagmorgen ist der Rathauschef in seiner Stadt unterwegs. Der Terminkalender ist voll - und Bosse aufgeregt.

Herr Bosse, mal ehrlich: Haben Sie wenigstens ein paar Stunden Schlaf eingeplant, oder sind Sie wirklich rund um die Uhr unterwegs?

Der Fahrplan für die 24 Stunden steht inzwischen, es sind 40 verschiedene Termine vereinbart. Durch die sehr enge Taktung und eine optimierte Streckenplanung mit nur kurzen Fahrzeiten wird kein Schlaf möglich sein.

Wie sind Sie auf die Idee zur 24-Stunden-Tour gekommen, reicht der Austausch im gewohnten Rahmen und Maß nicht aus?

Ich denke seit vielen Jahren über neue Wege nach, mit den Bürgern abseits der üblichen Formate in Kontakt zu kommen. Ganz konkret kam mir die Idee mit der 24-Stunden-Tour durch die Anfrage eines Bürgers, der eine eigene Sprechstunde für Schichtarbeiter angeregt hatte. In meinem jugendlichen Leichtsinn bot ich zunächst an, eine Mitternachtssprechstunde durchzuführen. Und von der Stelle war es nicht mehr weit bis zum Konzept einer 24-Stunden-Tour.

Die Schwelle für eine Ablehnung habe ich sehr hoch angesetzt.

Stefan Bosse, Oberbürgermeister

Wie viele Anfragen für Gespräche haben Sie bekommen? Von welchen Menschen?

Insgesamt sind 51 völlig unterschiedliche Anfragen eingegangen. Knapp die Hälfte der Einladungen kommt von Personen, die ich bislang nicht kenne. Das Spektrum umfasst Tagesmütter, Alleinerziehende, Gastwirte, Unternehmer, Fahrlehrer, Asylhelfer, Kulturschaffende und Nachtarbeiter, aber auch Institutionen wie eine Grundschule, die Lebenshilfe, die Hilfsorganisation Humedica, eine Blaskapelle und die Bergwacht.

Gibt es Anfragen, die Sie besonders überrascht haben? Oder kuriose Treffpunkte?

Richtig überrascht hat mich die Bergwacht, die mich in eine nächtliche Rettungsübung um 3 Uhr an der Wertach integrieren wird. Mit solchen Angeboten hatte ich nicht gerechnet. Kurios finde ich die Einladung, im Fahrschulauto den nächtlichen Verkehrsraum zu erkunden und dabei die Sicht einer Fahrlehrerin kennenzulernen. Und dass mir kurz nach Mitternacht ein Bürger die Situation von berufstätigen Alleinerziehenden erklären will, ist genauso ungewöhnlich wie die Vorstellung eines neuen Kulturvereins um 2 Uhr Früh.

Vor welchem Gespräch sind Sie besonders nervös und warum?

Bei drei verschiedenen Terminen werde ich mit Flüchtlingen und deren Betreuern zusammentreffen. Ich weiß, dass es hier viel Verunsicherung und Enttäuschung in ausländerrechtlichen Fragen gibt, vor allem wenn auch der Bürgermeister mangels Zuständigkeit nicht helfen kann.

Hätten Sie bestimmte Gesprächsangebote auch abgelehnt?

Die Schwelle für eine Ablehnung habe ich sehr hoch angesetzt, zumal ich nicht alleine unterwegs sein werde.  Anzügliche Einladungen oder völlig unsinnige Aktionen hätte ich nicht aufgesucht.

Am Samstag haben Sie dann 24 Stunden reden, zuhören, erklären und verstehen hinter sich. Wie verbringen Sie den Tag nach diesem Spektakel?

Natürlich werde ich erst einmal tief schlafen. Aber schon Samstagmittag breche ich in unsere Partnerstadt Gablonz an der Neiße auf, wo ich am Abend ein Konzert unserer Kultband „Mauke“ besuchen möchte.

Das Gespräch führte Heike Hampl.