Bund stützt Schwächere
Die Architektur der föderalen Finanzordnung ändert sich. Das hat der Bundesrat beschlossen. Der Bund wird schwächere Länder finanziell stärker unterstützen - und bekommt dafür mehr Eingriffsrechte. Welche dazu zählen, lesen Sie hier.
Finanzausgleich

Bund stützt Schwächere

Die Architektur der föderalen Finanzordnung ändert sich. Das hat der Bundesrat beschlossen. Der Bund wird schwächere Länder finanziell stärker unterstützen - und bekommt dafür mehr Eingriffsrechte. Welche dazu zählen, lesen Sie hier.

Die seit Jahrzehnten umstrittenen Finanzströme zwischen Bund und Ländern werden ab dem Jahr 2020 neu geordnet. Nach dem Bundestag hat am 2. Juni der Bundesrat einstimmig die mühsam ausgehandelte Reform der Finanzbeziehungen zwischen Bund und Ländern gebilligt. Die erforderliche Zwei-Drittel-Mehrheit für die nötige Grundgesetzänderungen wurde deutlich erreicht.

Diese Reform ist ein großer Erfolg für Bayern und bleibender Erfolg für den Föderalismus in Deutschland.

Horst Seehofer, bayerischer Ministerpräsident

Ministerpräsident Horst Seehofer sieht die Zustimmung des Bundesrates zur Neuordnung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen als historischen Schritt: „Diese Reform ist ein großer Erfolg für Bayern und bleibender Erfolg für den Föderalismus in Deutschland. Gemeinsam haben wir Handlungsfähigkeit gezeigt und das komplexe System der Bund-Länder-Finanzen grundlegend erneuert – im Interesse der Menschen und über Parteigrenzen hinweg.“ Die Neuordnung ist das größte Reformvorhaben der schwarz-roten Koalition. Mit der Reform erhalten die Länder von 2020 an jährlich 9,75 Milliarden Euro vom Bund – die Summe wird in den Folgejahren weiter steigen. Das ist deutlich mehr Geld als bisher. Der Bund bekommt dafür mehr Eingriffsrechte – etwa bei Fernstraßen, in der Steuerverwaltung und bei Schul-Investitionen.

Bayern profitiert mit 1,4 Milliarden Euro

Besonders Bayern profitiert mit einer Entlastung von rund 1,4 Milliarden Euro jährlich von der Reform. Seehofer betonte, der Wesenskern des Föderalismus bleibe durch die Neuordnung unberührt. Auch Bildung bleibe Ländersache. Die neuen Regelungen sollen mindestens bis zum Jahr 2030 gelten.

Föderalismus ist für uns nicht verhandelbar.

Horst Seehofer, bayerischer Ministerpräsident

Eckpunkte des Reformpakets

Finanzausgleich: Der Länderfinanzausgleich in seiner jetzigen Form wird abgeschafft. Ein Ausgleich erfolgt ab 2020 im Wesentlichen über die Umsatzsteuer. Der Länderanteil daran soll grundsätzlich nach der Einwohnerzahl verteilt werden, jedoch modifiziert durch Zu- und Abschläge je nach Finanzkraft. Vor allem der Bund greift „ärmeren“ Ländern unter die Arme. Insgesamt zahlt er ab 2020 jährlich 9,751 Milliarden Euro – Tendenz steigend. Bayern spart dadurch 1,35 Milliarden Euro pro Jahr – mehr, als Ministerpräsident Horst Seehofer versprochen hatte.

Umsatzsteuer: Die Länder erhalten zusätzliche Umsatzsteueranteile in Höhe von 4,02 Milliarden Euro. Davon sind 2,6 Milliarden Euro ein Festbetrag. Hinzu kommen zusätzliche Umsatzsteuerpunkte von 1,42 Milliarden Euro, die jährlich angepasst werden.

Investitionshilfen: Der Bund soll finanzschwachen Kommunen Investitionshilfen zur Sanierung maroder Schulen gewähren können. Aus dem Sondervermögen „Kommunalinvestitionsförderungsfonds“ zahlt der Bund den Ländern Finanzhilfen von 3,5 Milliarden Euro. Durch eine Änderung des Grundgesetzes kann der Bund künftig in die Bildungsinfrastruktur finanzschwacher Kommunen investieren. Dadurch wird das Kooperationsverbot aufgebrochen.

Kontrollen: Bei Mischfinanzierungen kann der Bundesrechnungshof prüfen, wie Bundesmittel verwendet werden. Der Bund erhält bei Finanzhilfen an die Länder mehr Steuerungs- und Kontrollrechte.

Steuerverwaltung: In der Steuerverwaltung sollen die Kompetenzen des Bundes sowie die länderübergreifende Zusammenarbeit der Steuerverwaltungen gestärkt werden.

Stabilitätsrat: Das Gremium wird gestärkt und soll ab 2020 die Einhaltung der Schuldenbremse von Bund und Ländern überwachen.

Unterhaltsvorschuss: Bisher bestand Anspruch auf Unterhaltsvorschuss nur für Kinder bis 12 Jahren und maximal 72 Monate lang. Nun wird der Anspruch ausgeweitet: Künftig gilt er für Kinder bis zum 18. Geburtstag und ohne Begrenzung der Leistungsdauer. Für Alleinerziehende und ihre Kinder, die auf Hartz-IV-Leistungen angewiesen sind, gibt es Sonderregelungen.

Online-Angebote: Das Onlineangebot öffentlicher Verwaltungen soll verbessert und erweitert werden. Leistungen sollen über einen Portalverbund zur Verfügung gestellt werden.

Kommunale Finanzkraft: Der Anteil der in den Finanzausgleich einzubeziehenden kommunalen Steuereinnahmen soll auf 75 Prozent steigen. Die Einwohnerwertungen für die Stadtstaaten Hamburg, Berlin und Bremen bleiben unverändert, ebenfalls die von Sachsen-Anhalt, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg.

Sonderbedarfs-Bundesergänzungszuweisungen: Diese Zuweisungen für die neuen Länder enden 2019. Die Instrumente, die helfen, regionale Ungleichgewichte unter den Ländern auszutarieren, werden fortgeführt.

Sanierungshilfen: Der Bund zahlt ab 2020 Bremen und dem Saarland jährlich Sanierungshilfen von jeweils 400 Millionen Euro.

Zuschüsse für kommunale Investitionen: Das Bundesprogramm aus dem Gemeindeverkehrsfinanzierungsgesetz wird dauerhaft fortgeführt.

Stabilitätsrat: Dieser Rat überwacht künftig auch die Einhaltung der Schuldenbremse und erhält mehr Kompetenzen.

Autobahngesellschaft: Beim Bund wird eine zentrale Gesellschaft für Autobahnen und Bundesstraßen gegründet. Sie soll ab 2021 Bau, Planung und Betrieb der Autobahnen und zumindest eines Teils der Bundesstraßen bündeln und damit wirksamer gestalten. Eine Privatisierung der Autobahnen und Bundesstraßen ist erstmals verfassungsrechtlich ausgeschlossen.

Bis zuletzt umstritten waren die Pläne für die künftige Autobahngesellschaft des Bundes. Union und SPD hatten sich auf zusätzliche Privatisierungsschranken im Grundgesetz verständigt, um eine Veräußerung der Gesellschaft und von Autobahnen auch durch die Hintertür zu verhindern. Eine Privatisierung der Autobahnen und Bundesstraßen ist erstmals verfassungsrechtlich ausgeschlossen. Verkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) sagte, es gehe um mehr Effizienz und Schlagkraft.

Ich will keine Autobahnen privatisieren.

Alexander Dobrindt, Bundesverkehrsminister

Er misstraue aber nicht jedem privaten Engagement. Als prominentester Gegner der Gesamtreform im Koalitionslager gilt Bundestagspräsident Norbert Lammert. Der CDU-Politiker kritisiert, dass das Grundgesetz an zahlreichen Stellen geändert wird. Er befürchtet eine zunehmende Entwicklung hin zu einem Zentralstaat. Linken-Spitzenkandidatin Sahra Wagenknecht sprach wie Lammert von einem „monströsen Eingriff“ in das Grundgesetz. Sie warf der Koalition vor, die Öffentlichkeit zu täuschen. Eine Privatisierung von Autobahnen sei nicht vom Tisch, die Formulierung zu Partnerschaften mit der Privatwirtschaft sei schwammig.

(dpa/AS)