Bohrung für ein Geothermie Kraftwerk in Kirchwaidach. (Bild: Imago/argum)
Nachhaltigkeit

Kochen per Erdwärme

Wie kann Thermalwasser aus drei Kilometer Tiefe genutzt werden? Am Tag der Erneuerbaren Energien können Technikbegeisterte die Anlagen besichtigen. Auch Liebhaber der Weißwurst kommen auf ihre Kosten - in der Geothermieanlage Unterföhring.

Jeder spricht davon und immer mehr nutzen sie: erneuerbare Energien. Doch wie machen Anlagenbetreiber die Natur für unsere Zwecke nutzbar und welches Potential steckt dafür in der Erde? Am 29. April 2017 haben Interessierte deutschlandweit die Chance hinter die Kulissen von Unternehmen zu blicken, die regenerative Energien erzeugen. Anlass dazu ist der Tag der Erneuerbaren Energien, an dem beispielsweise im Landkreis München sechs Betriebe teilnehmen, darunter die Geothermie-Anlage in Unterföhring.

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Kochen per Erdwärme: Geothermie-Anlage lohnt einen Besuch

Peter Lohr, Geschäftsführer des Erdwärmelieferanten Geovol Unterföhring, spricht vom „Herzen“, wenn er Besucher durch die Energiezentrale führt, und vom „Kopf“, wenn es um die Netzpumpen geht. Für Lohr ist die Geothermieanlage ein eigener Kosmos mit enormen Vorteilen. Im Gegensatz zu Wind-, Wasser- und Solarenergie kann sie jederzeit genutzt werden. Zudem bedeutet Energiegewinnung durch Erdwärme Unabhängigkeit vom Erdöl und eine stabile gesicherte Grundversorgung. Experten sagen sogar voraus, dass Energiepotential in den ersten drei Kilometern Tiefe der Erdkruste sichere den Energiebedarf der Menschheit für 100.000 Jahre.

Prima Klima

Die positiven Auswirkungen auf das Klima spüren die Bürger direkt. „Seitdem der Großteil der Gemeinde am Fernwärmenetz angeschlossen ist, sind deutliche weniger Rußpartikel in der Luft, was die Bürger beispielsweise beim Säubern der Fensterbänke merken“, sagt Lohr.

Aufgrund der umweltfreundlichen Energieerzeugung spart Unterföhring rund 10.000 Tonnen Kohlendioxid pro Jahr ein. Rund 2500 Haushalte und 50 Gewerbekunden hängen bereits am Netz. Bis 2020 soll die gesamte Gemeinde für die Erdwärmelieferung erschlossen sein.

Thermalwasser aus Oberbayern

Doch der Bau entsprechender Kraft- und Heizwerke ist mit erheblichem finanziellen Aufwand und Risiko verbunden. Rund 70 Millionen Euro investierten die Gemeinde Unterföhring, die Kreditanstalt für Wiederaufbau und das Landesförderinstitut des Freistaats Bayern bereits in den Erdwärmelieferanten Geovol. Er wurde 2007 als Tochtergesellschaft der Gemeinde gegründet. Außerdem müssen die geologischen Voraussetzungen passen. Dabei lässt sich Erdwärme an kaum einem anderen Ort in Deutschland so gut nutzen wie in Oberbayern. Denn dort gibt es im Untergrund Ablagerungen des süddeutschen Molassebeckens und in einer Tiefe von 3000 bis 5000 Metern fließt ausreichend Thermalwasser. Dieses speichert sich wiederum in den Hohlräumen des Gesteins. Gleichzeitig ist die Oberfläche stark besiedelt. Das heiße Grundwasser kann also direkt genutzt werden. Von den 33 tiefen Geothermie-Anlagen stehen daher allein 21 in Bayern.

Mit Kochtopf

Die Geovol in Unterföhring ist mit insgesamt 22 Megawatt geothermischer Wärmeleistung die leistungsstärkste Anlage in Deutschland, wenn es um den Transport von Erdwärme geht. Für die Erzeugung von Strom reicht die Temperatur des geförderten Wassers nicht aus. Zwischen 87 und 93 Grad heiß ist es, wenn die Pumpen die Flüssigkeit aus 2700 Metern Tiefe hervorholen. Immerhin braucht sich Lohr keine Sorgen um die Weißwürste machen. Denn das Wasser im Weißwurstkessel, der in die Anlage integriert ist, wird wegen der geringen Temperatur nicht kochen – und die Würste niemals platzen. Worauf Lohr besonders stolz ist: das Fernüberwachungssystem des Kochtopfes. Es meldet per Alarmsignal in der Schaltzentrale, sobald die Würste heiß sind. „Somit haben wir nicht nur für Technikbegeisterte, sondern auch für Genussorientierte ein kleines Schmankerl“, sagt Lohr. Wer am 29. April in Unterföhring vorbeischaut, kann sich davon selbst überzeugen.

Weitere Informationen zu Veranstaltungen am Tag der Erneuerbaren Energien gibt es auf der Internetseite des Landkreises München.

Eine Idee aus Sachsen

Der Tag der Erneuerbaren Energien ist eine deutschlandweite Initiative, die zum Jahrestag der Reaktorkatastrophe in Tschernobyl die verschiedenen Nutzungsarten einer nachhaltigen Energiewirtschaft präsentiert. Dieser Tag ist offen für Anlagenbetreiber, Bürgerinitiativen und Unternehmen, die zeigen wollen, wie Energieversorgung auf der Basis der erneuerbaren Energien funktioniert. 1996 wurde der Tag der Erneuerbaren Energien in der sächsischen Stadt Oederan erstmalig veranstaltet.