Kämpfer für die virtuelle Front
Die Bundeswehr hat eine neue Einheit. Das Kommando Cyber- und Informationsraum soll Attacken aus dem Internet abwehren und selbst virtuelle Angriffe durchführen. 15.000 Soldaten und Zivilisten sollen einmal für die Truppe arbeiten.
Verteidigung

Kämpfer für die virtuelle Front

Die Bundeswehr hat eine neue Einheit. Das Kommando Cyber- und Informationsraum soll Attacken aus dem Internet abwehren und selbst virtuelle Angriffe durchführen. 15.000 Soldaten und Zivilisten sollen einmal für die Truppe arbeiten.

Ihr Kürzel lautet CIR, ihr Abzeichen besteht aus einer Weltkugel, einem Blitz und einem Schild – mit einem feierlichen Appell in Bonn wurde jetzt das Kommando Cyber- und Informationsraum der Bundeswehr aufgestellt. Die neue Einheit steht auf einer Ebene mit Heer, Marine und Luftwaffe. Erster Inspekteur der Cyber-Streitkräfte ist Generalleutnant Ludwig Leinhos. Er gilt als Experte für elektronische Kampfführung.

Fast 300.000 Attacken seit Jahresbeginn

„Cyber-Angriffe auf Staaten und deren kritische Infrastrukturen sind schon lange keine Fiktion mehr, sondern Realität“, heißt es in einer Aufgabenbeschreibung der neuen Waffengattung. Sie soll ihren „Beitrag im Rahmen der Sicherheitsarchitektur in Deutschland“ leisten und den „Bedrohungen aus dem Cyber- und Informationsraums zu begegnen“. Wie nötig die Cyber-Truppe ist, zeigen aktuelle Zahlen der Bundeswehr: Allein in den ersten neun Wochen des Jahres registrierten die Militärs 284.000 Cyber-Attacken auf ihre Rechner. „Wenn die Netze der Bundeswehr angegriffen werden, dann dürfen wir uns auch wehren“, sagte Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen in Bonn.

Künftig sollen rund 13.500 Soldaten und zivile Mitarbeiter die Netze und Waffensysteme der Bundeswehr schützen. Dazu werden der neuen Einheit andere, bereits bestehende Bereiche zuordnet, so etwa die strategische Aufklärung, das Zentrum Operative Kommunikation und das Geoinformationswesen. Die IT-Experten sollen aber auch zu Angriffen in der Lage sein. Bis 2021 soll die Cyber-Truppe voll einsatzbereit sein. Dann sollen dort 15.000 Menschen arbeiten.

Hacker statt Pioniere

Um genügend Personal für die Cyber-Armee zu finden, will die Bundeswehr bei der Rekrutierung neue Wege gehen. So sollen auch Studienabbrecher bestimmte höhere Laufbahnen einschlagen können. Auch der Fitnessgrad der Bewerber müsse bei der Einstellung überdacht werden, heißt es im Verteidigungsministerium. Es sei ein Unterschied, ob man per Mausklick arbeite, oder als Pionier Brücken verlege. Gleichzeitig wird der Fachbereich Informatik und Cybersicherheit an der Universität der Bundeswehr München ausgebaut. Insgesamt entstehen dort 13 neue Professuren.

Schlachtfeld der Zukunft

Bundesverteidigungsministerin von der Leyen hatte bereits im Herbst 2015 den Befehl zur Cyberoffensive gegeben. Die Bundeswehr, verlangte die Ministerin, müsse „zur erfolgreichen Operationsführung im gesamten Informationsraum“ befähigt werden. Das Schlachtfeld der Zukunft liege im Cyberraum, so von der Leyen. Dort und nicht mehr „ganz konkret auf dem Boden“ fänden künftig die Auseinandersetzungen, Konflikte und Krisen statt. Die Netze des Bundes würden jeden Tag rund 6500 Mal, zum Teil automatisiert, angegriffen, sagte von der Leyen. 20 bis 30 der Attacken seien in „hoch spezialisierter Form, die uns schwer zu schaffen machen“.

Bundestag soll entscheiden

Möglichen Cyber-Attacken der Bundeswehr müsse aber in jedem Fall der Bundestag zustimmen, forderte der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels anlässlich der Aufstellung der neuen Truppe. „Jede offensive Maßnahme unserer im Grundgesetz verankerten Parlamentsarmee Bundeswehr braucht ein ausdrückliches Mandat des Bundestages“, sagte der SPD-Politiker der Neuen Osnabrücker Zeitung. Diese Regel müsse nicht nur für militärische Angriffe, sondern auch für virtuelle Attacken auf das Datennetz eines Gegners gelten.

Bartels warnte außerdem davor, für die neue Teilstreitkraft jetzt in der Bundeswehr andere Bereiche zu vernachlässigen. „Die Personalbedürfnisse des neuen Cyber-Kommandos dürfen nicht den Rest der Bundeswehr kannibalisieren“, sagte er. „Auch alle anderen Teilstreitkräfte brauchen IT-Spezialisten oder Fernmelder, wie sie früher hießen.“