Tornados sind auch in unseren Breitengraden nicht unüblich. Bild: Fotolia/swa182
Klimawandel

Mehr Tornados in Bayern?

Die Wissenschaft geht davon aus, dass der Klimawandel nicht mehr aufzuhalten ist. Weltweit wird es immer wärmer, die Wetterextreme nehmen zu. Im Mai verursachten in Bayern kleine Wirbelstürme große Schäden. „Tornados“ gab es in Deutschland zwar schon immer, ob ihre Zahl zunimmt, weiß aber niemand so genau.

Es waren Szenen wie in einem Katastrophenfilm: Am späten Abend des 13. Mai donnerte ein verheerender Tornado durch Ortsteile der Gemeinde Affing bei Augsburg. Nach Angaben der Meteorologen hatte der Sturm Spitzengeschwindigkeiten von bis zu 300 Stundenkilometer und hinterließ eine 150 Meter breite Schneise der Verwüstung: Ein Maibaum wurde umgerissen, Dachziegel bohrten sich in Wohnwagen, von einem Haus wurde der gesamte Dachstuhl abgetragen, und sogar am Mauerwerk nagte der Sturm. Seine Bilanz: 200 schwer beschädigte Häuser, 30 davon waren nicht mehr bewohnbar, mehrere Familien wurden obdachlos. Der Kreis Aichach-Friedberg schätzte den Gesamtschaden auf 40 Millionen Euro. Die Staatsregierung sagte den Betroffenen umgehend unbürokratische Soforthilfe zu.

Der Mai blieb extrem: Nach einem sogenannten Verdachtsfall in Lebenhan am 25. des Monats sorgte am 29. Mai erneut ein Tornado im Freistaat für Aufsehen: Im oberpfälzischen Freystadt-Ohausen bei Neumarkt beschädigte er 20 Dächer und riss zahlreiche Bäume um, verletzt wurde glücklicherweise niemand. Die Schäden hielten sich im Vergleich zu Affing aber in Grenzen. Auch in Freystadt prüft die Staatsregierung eine finanzielle Unterstützung der Betroffenen. Wie hoch die Zuwendungen sein könnten, ist aber noch unklar. Eine entsprechende Anfrage sei gestellt, sagte der Bürgermeister von Freystadt, Alexander Dorr. Der Bürgermeister schätzte den Schaden auf mehrere 100 000 Euro. Die gröbsten Schäden an den Hausdächern waren bereits am Wochenende beseitigt worden.

Auch in Baden-Württemberg war einiges geboten: In Bonndorf, Lembach, Lausheim und Fützen tobte sich ebenfalls am 13. Mai ein Tornado mit bis zu 300 Stundenkilometern aus und hinterließ ein heilloses Chaos.

Tornados in Deutschland sind nicht ungewöhnlich

So heftig die jüngsten Unwetter auch waren, ungewöhnlich sind sie nicht: Auf der Internetseite von Thomas Sävert sind Tornado-Fälle in Deutschland zurück bis ins Mittelalter aufgelistet. Der Meteorologe führt peinlich genau Buch über die Wirbelstürme, ihre Stärke und die angerichteten Schäden. In diesem Jahr zählte er in Deutschland bislang 17 Tornados und 32 „Verdachtsfälle“. 2014 waren es insgesamt 51 nachgewiesene Wirbelstürme und 233 Verdachtsfälle. Von 30 bis 60 Tornados pro Jahr könne man ausgehen, sagt Sävert mit Blick auf die jüngere Vergangenheit. Für genauere Zahlen würden die gesammelten Daten allerdings noch nicht ausreichen, bedauert er.

Die Tornadoforschung steckt in Deutschland also noch in den Kinderschuhen. Aber Sävert kann zumindest mit der lange Zeit gängigen Meinung aufräumen, „dass es bei uns keine oder nur wenige Tornados gibt“. „In vielen Bundesstaaten der USA treten weitaus weniger Tornados auf als in Deutschland“, macht Sävert klar. Und: „Tornados können in Deutschland genauso stark sein wie in den USA.“

Keine Zunahme der Wirbelstürme nachweisbar

Davon können die Bürger der Gemeinde Affing ein Lied singen: „Ihr“ Tornado brachte den beachtlichen Wert 3 auf die offizielle „Fujitsu-Skala“, die bis zur Stufe fünf reicht. Ebenso heftig erwischte es am 5. Mai die Gemeinde Bützow in Mecklenburg-Vorpommern. Auch dort hinterließ ein F3-Tornado Sachschäden in zweistelliger Millionenhöhe, 30 Menschen wurden verletzt. Dennoch: Eine Zunahme der gefährlichen Wirbel, die sich in Gewitterzellen bilden, sei in Deutschland „derzeit nicht nachweisbar“, betont Sävert noch einmal. Die Tornados werden seinen Angaben nach schlichtweg öfter auf frischer Tat ertappt: Ein Foto oder ein kleiner Film von den Ungetümen ist schließlich dank der vielen Smartphones, die im Umlauf sind, schnell im Kasten.

Die Sturmjäger

Dazu kommen sogenannte Sturmjäger („Stormchaser“): Privatleute, die es ihren Vorbildern in den USA gleichmachen und mit Autos Gewitterfronten hinterherjagen. Viele dieser Ehrenamtlichen arbeiten auch mit Meteorologen zusammen, bestätigt der Deutsche Wetterdienst (DWD). Mitglieder des Vereins „Skywarn“ informieren demnach direkt von den Gewittern den Wetterdienst über mögliche Gefahren. Der DWD kann dann wiederum rasch eine Warnmeldung an die Bevölkerung herausgeben – auch zu möglichen Tornados.