In der Strafhaft geht es um Strafvollzug, in der Sicherungsverwahrung um Schutz der Öffentlichkeit und Therapie. (Foto: Imago/Thomas Eisenhuth)
Europäischer Gerichtshof

Sicherungsverwahrung ist rechtens

Deutsche Gerichte dürfen für Jugendstraftäter eine Sicherungsverwahrung anordnen. Dies entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg. Zur Begründung hieß es, eine Sicherungsverwahrung verletze die Menschenrechte nicht, solange von dem Straftäter eine Gefahr ausgehe und die Möglichkeit einer Therapie bestehe.

Deutsche Gerichte dürfen für einen nach Jugendstrafrecht verurteilten Mörder nach Verbüßen seiner Haftstrafe Sicherungsverwahrung anordnen. Dies entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte in Straßburg. Konkret ging es um den Fall des „Joggerin-Mörders“ von Kelheim. Der Mann hatte 1997 in einem Wald bei Kelheim eine Joggerin erwürgt und sich anschließend an der Leiche vergangen.

Gutachten bestätigen weiterhin große Gefahr

Der zum Tatzeitpunkt 19 Jahre alte Kläger verbüßte bis 2008 eine zehnjährige Haftstrafe, zu der er nach Jugendstrafrecht wegen des Sexualmordes in Bayern verurteilt worden war. Anschließend wurde die Sicherungsverwahrung auf Grundlage von psychiatrischen Gutachten angeordnet, wonach von dem Mann wegen schwerer psychischer Störungen weiterhin eine hochgradige Gefahr schwerster Gewalt- und Sexualstraftaten ausging. Mehrere Gerichte betonten die Gefährlichkeit des Mannes. Die Gutachter verwiesen auf anhaltende gewalttätige sexuelle Fantasien des Mannes. Im Gefängnis verweigerte sich der Mann jeder Therapie.

Sicherungsverwahrung ist keine Haft

Der Straftäter zog deshalb bis vor den EGMR und machte geltend, dass die nachträglich angeordnete Sicherungsverwahrung seine „Freiheitsrechte“ verletze und eine weitere unzulässige „Strafe“ sei.

Die Straßburger Richter aber sahen das nicht so und verwiesen in ihrer Begründung unter anderem auf ein Urteil vom Januar, das die nachträgliche Anordnung der Sicherungsverwahrung billigte: Deutschland habe mit seinem Therapieunterbringungsgesetz von 2009 das Wesen und den Zweck der Sicherungsverwahrung grundlegend geändert. Die Unterbringung in Sicherungsverwahrung unterscheide sich seit der Reform deutlich vom regulären Strafvollzug. Betroffene würden in einer Einrichtung mit individuellen Apartments untergebracht und hätten Zugang zu weitreichenden Therapieangeboten. Die Sicherungsverwahrung diene seitdem vor allem der Behandlung psychischer Störungen und sei insoweit keine Strafe im Sinn der Europäischen Menschenrechtskonvention. Damit verstoße die Sicherungsverwahrung des Mannes nicht gegen die Konvention. Eine Sicherungsverwahrung verletze die Menschenrechte zudem solange nicht, wie von dem Straftäter eine Gefahr ausgehe und die Möglichkeit einer Therapie bestehe.

Bisher kippte EGMR öfters deutsche Regelungen zur Sicherungsverwahrung

Die Straßburger Richter urteilten damit erstmals in der Frage, inwiefern eine Unterbringung eines Straftäters in Sicherungsverwahrung möglich ist, der nach Jugendstrafrecht verurteilt wurde. Der EGMR hat sich in den vergangenen Jahren wiederholt mit der Sicherungsverwahrung in Deutschland befasst und mehrere Regelungen für teilweise unzulässig erklärt.

Nach einem Urteil des Bundesverfassungsgericht wurde die Sicherungsverwahrung 2013 neu geregelt. Deutsche Gerichte können Sicherungsverwahrung anordnen, wenn sie davon ausgehen, dass Straftäter auch nach dem Ende ihrer Haftzeit eine Gefahr für die Allgemeinheit darstellen. Die Unterbringung wird in regelmäßigen Abständen überprüft, kann aber theoretisch immer wieder verlängert werden. Sicherungsverwahrte dürfen nicht zusammen mit Straftätern in Gefängnissen untergebracht sein.

Gleichwohl erzielte der Beschwerdeführer einen kleinen materiellen Teilerfolg: Weil er von Mai 2011 bis Juni 2013 in einer für die Sicherungsverwahrung psychisch Kranker nicht geeigneten Einrichtung untergebracht war, hat ihm die Bundesregierung im Verfahren eine finanzielle Entschädigung zugesagt.

(dpa/Bild/BR/wog)