Menschen auf dem Gelände des ehemaligen KZ in Flossenbürg 2016. (Foto: dpa/Nicolas Armer/Archiv)
Prag

Historischer Gedenktag

Erstmals haben Bayern und Tschechien am internationalen Holocaust-Gedenktag gemeinsam der Opfer gedacht. Landtagspräsidentin Barbara Stamm wertete das Erinnern als eine "große Geste der Versöhnung".

Gemeinsam mit dem tschechischen Parlament, der Föderation der Jüdischen Gemeinden der Tschechischen Republik und des Stiftungsfonds für die Opfer des Holocaust gedenkt eine Delegation aus dem Bayerischen Landtag der Opfer der Gewaltherrschaft. Zunächst waren die Delegationsmitglieder Gast im Senat der Tschechischen Republik. Landtagspräsidentin Barbara Stamm würdigte die Einladung als keineswegs selbstverständlich. „Ich weiß, dass es viele von Ihnen auch Überwindung gekostet hat, denn Ihre Heimat hat unter den Verbrechen der Nationalsozialisten früh und ganz besonders gelitten“, sagte die 72 Jahre alte CSU-Politikerin in ihrer Ansprache.

Eine „große Geste der Versöhnung“

Im ehemaligen KZ-Außenlager Leitmeritz, das dem oberpfälzischen KZ Flossenbürg angegliedert war und sich das größte Außenlager befand, sowie in der Gedenkstätte Theresienstadt legten die Teilnehmer Kränze nieder. Das Flossenbürger Außenlager Leitmeritz war eine Fabrik des Todes. Die Sklavenarbeit unter desaströsen Bedingungen kostete das Leben von mindestens 4500 Menschen. Stamm wertete das gemeinsame Erinnern als eine „große Geste der Versöhnung“.

Der gemeinsame Gedenkakt ist ein Schritt von historischer Bedeutung für die bayerisch-tschechischen Beziehungen. Er wird unsere mittlerweile gewachsene Freundschaft weiter stärken.

Barbara Stamm, Landtagspräsidentin

Die Deutsch-Tschechische Erklärung über die gegenseitigen Beziehungen und deren künftige Entwicklung wurde vor 20 Jahren am 21. Januar 1997 unterzeichnet. Stamm würdigte sie als „einen Meilenstein für die Beziehungen zum Nachbarland und eine wichtige Basis für die Menschen in Bayern, die Freundschaft mit Tschechien zu entwickeln“. Diese Grundsatzerklärung sieht sie zudem als Voraussetzung dafür, dass sich „der freundschaftliche Austausch zwischen den Regierungen, aber auch zwischen beiden Parlamenten so reibungslos, selbstverständlich und ergiebig“ entwickeln konnte. Den 27. Januar, an dem erstmals der gemeinsame traditionelle Gedenkakt stattfand, bezeichnete die Präsidentin als „Signal der Verbundenheit“.

Zeitzeugen mahnen Erinnerungskultur zu erhalten

Es gab auch mahnende Stimmen. So warnte Ernst Grube davor, ein ehemaliger NS-Häftling, der als Zeitzeuge mit nach Prag reiste, dass die Erinnerungskultur zunehmend in Frage gestellt werden könnte. Grube ist einer der bekanntesten Münchner Zeitzeugen der NS-Diktatur. Er erlebte seine Kindheit in der bayerischen Landeshauptstadt als einer, der ausgrenzt wurde und den gelben Stern tragen musste. Er wurde nach Theresienstadt deportiert und kehrte nach Kriegsende nach München zurück, wo er heute noch lebt und wirkt. Seine Botschaft lautet: Nie wieder Faschismus, nie wieder Krieg.

Karl Freller, Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten, sieht in der Erinnerungsarbeit auch einen entscheidenden Beitrag darin, Europa für die Zukunft zu stärken. Für ihn sei es zudem eine große Ehre und von immenser Bedeutung, die jährliche Gedenkfeier des Bayerischem Landtages und der Stiftung Bayerische Gedenkstätten erstmalig gemeinsam mit einem ausländischen Partner machen zu dürfen.

Um Europa für die Zukunft zu stärken, brauchen wir eine gemeinsame Erinnerungsarbeit. Es geht dabei um unsere gemeinsame Geschichte und um die Grundlagen, auf denen unsere Demokratie aufgebaut ist.

Karl Freller, Direktor der Stiftung Bayerische Gedenkstätten

Bayern und Tschechien wachsen zusammen

Hitler-Deutschland hatte die Tschechoslowakei mit dem Münchner Viermächteabkommen vom September 1938 zerschlagen. Im März 1939 marschierte die deutsche Wehrmacht in Prag ein. Von den mehr als 81.000 aus dem sogenannten „Protektorat Böhmen und Mähren“ deportierten Juden überlebten nur rund 10.500 den Holocaust. Jahrzehntelang hatte der Streit um die Nachkriegsvertreibung der Sudetendeutschen die Beziehungen zwischen München und Prag überschattet.

Auf politischer Ebene erfuhren die bayerisch-tschechischen Beziehungen in den letzten Jahren eine neue Dynamik. Mehrere Reisen des Bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer in die Tschechische Republik seit 2010 sowie ein Besuch des damaligen tschechischen Premierminister Petr Nečas im Jahr 2013 gaben Impulse für die grenzüberschreitende Zusammenarbeit. So gibt es inzwischen drei Landkreispartnerschaften und 83 Gemeindepartnerschaften mit Kommunen aus Tschechien. Vor allem die beiden in Ostbayern tätigen Euregiones gelten als Anlaufstelle für grenzüberschreitende Projekte eine feste Größe im Geflecht der bayerisch-tschechischen Beziehungen. Aber auch in Sachen Kultur sind Bayern und Tschechien zusammengewachsen. Jüngstes Beispiel ist die im Oktober 2016 eröffnete gemeinsame Landesausstellung zum 700. Geburtstag Kaiser Karls IV. in Nürnberg.

Dass es seit Dezember 2014 auch eine bayerische Repräsentanz in Prag gibt, gehörte ebenfalls zum dem neuen Kapitel der bayerisch-tschechischen Zusammenarbeit. Wie es in der Repräsentanz des Freistaates Bayern aussieht, zeigt das Video der Bayerischen Staatskanzlei von der Eröffnung vor zwei Jahren.

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Eröffnung der Bayerischen Repräsentanz in Prag

Zeitzeuge Ernst Grube im Porträt

Ernst Grube ist bis heute als unermüdlicher Zeitzeuge an Gedenkstätten sowie in Schulen, Vereinen und Bildungseinrichtungen unterwegs. Sein Auftrag heißt Erinnerungsarbeit.

Am Dienstag, 31. Januar, 19 Uhr, zeigt das NS-Dokumentationszentrum München den Dokumentarfilm „Ernst Grube – Zeitzeuge. Von einem, der nicht aufgibt“. Der Film von Christel Priemer und Ingeborg Weber porträtiert den Münchner Juden und Kommunisten und setzt ein Zeichen für Toleranz, Freundlichkeit und Abkehr von Gewalt und Krieg.

Im Anschluss an den Film besteht für das Publikum die Möglichkeit, mit Ernst Grube und den Regisseurinnen Christel Priemer und Ingeborg Weber ins Gespräch zu kommen. Der Eintritt ist frei. Um Anmeldung per E-Mail an veranstaltungen.nsdoku@muenchen.de wird gebeten.