Bundestag erlaubt Cannabis als Medizin
Künftig können Patienten das Rauschmittel von ihrem Arzt verschrieben bekommen. Die Kosten für die Therapie müssen die Krankenkassen übernehmen. Ein entsprechendes Gesetz soll im März in Kraft treten. Bayerns Gesundheitsministerin Huml begrüßt die Entscheidung, warnt aber vor einer Legalisierung der Droge.
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Bundestag erlaubt Cannabis als Medizin

Künftig können Patienten das Rauschmittel von ihrem Arzt verschrieben bekommen. Die Kosten für die Therapie müssen die Krankenkassen übernehmen. Ein entsprechendes Gesetz soll im März in Kraft treten. Bayerns Gesundheitsministerin Huml begrüßt die Entscheidung, warnt aber vor einer Legalisierung der Droge.

Schwerkranke können in Deutschland künftig Cannabis auf Rezept verschrieben bekommen. Der Bundestag beschloss einen entsprechenden Gesetzentwurf einstimmig. Die Krankenkassen müssen die Therapie mit Cannabis künftig bezahlen.

Wem Cannabis wirklich hilft, der soll Cannabis auch bekommen können.

Marlene Mortler, Bundesdrogenbeauftragte

Das Gesetz sieht vor, dass ein Arzt Cannabis verschreiben darf, wenn er begründet eine positive Wirkung auf den Krankheitsverlauf oder Symptome erwartet: etwa bei Multipler Sklerose, chronischen Schmerzen, schwerer Appetitlosigkeit oder Übelkeit infolge einer Chemotherapie. Cannabis als Rauschmittel bleibt weiter verboten. Der Anbau zu medizinischen Zwecken soll staatlich geregelt werden. Eine Agentur beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte soll sicherstellen, dass in standardisierter Qualität angebaut wird. Die Agentur soll Cannabis dann kaufen und an Hersteller und Apotheken abgeben. Bis dahin soll auf Importe zurückgegriffen werden. Bisher hatten Cannabispatienten Sondergenehmigungen gebraucht; zuletzt waren das etwa 1000 Patienten.

Huml unterstützt das Gesetz

Bayerns Gesundheitsministerin Melanie Huml, CSU, begrüßte den Beschluss des Bundestages. „Bei einigen Krankheitsbildern wie starken chronischen Schmerzen oder fortgeschrittenen Krebserkrankungen können Cannabis-haltige Arzneimittel eine Linderung der Symptome erreichen. Damit leisten sie einen Beitrag für mehr Lebensqualität der Patientinnen und Patienten.“ Die Ministerin fügte hinzu: „Deshalb habe ich mich schon seit einiger Zeit dafür eingesetzt, dass diese Schwerkranken die Kosten für die Anwendung von Cannabis zu medizinischen Zwecken von den Krankenkassen erstattet bekommen.“

Bei jungen Menschen darf nicht der Eindruck entstehen, dass Cannabis völlig harmlos ist.

Melanie Huml, bayerische Gesundheitsministerin

Eine Legalisierung des Rauschgifts lehnt Bayerns Gesundheitsministerin dagegen strikt ab: „Bei jungen Menschen darf nicht der Eindruck entstehen, dass Cannabis völlig harmlos ist. Denn das Gegenteil ist der Fall – möglich sind sowohl psychische als auch körperliche Erkrankungen.“

Lob für Marlene Mortler

Auch die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, CSU, zeigte sich zufrieden mit der Entscheidung des Bundestags: „Wem Cannabis wirklich hilft, der soll Cannabis auch bekommen können.“

Selbst die Opposition lobte die Koalition für das Gesetz. Es lasse „wenig Spielraum zum Meckern“, erklärte der Drogenexperte der Linken, Frank Tempel. „Chapeau, Frau Mortler!“, lobte der Grünen-Experte Harald Terpe. Schwächen des ursprünglichen Gesetzentwurfs seien im parlamentarischen Verfahren behoben worden.

Schnelle Hilfe für Kranke

Die Gesundheitsstaatssekretärin Ingrid Fischbach (CDU) erläuterte, dass Schwerkranke anders als ursprünglich geplant etwa nicht austherapiert sein müssen, bevor ein Arzt Cannabis verschreibt. Der Arzt könne genau hinschauen und sagen, jetzt sei der Punkt erreicht. Zudem gebe es nun eine verkürzte Frist, innerhalb derer die Krankenkassen die Cannabistherapie erlauben müssen. Statt wie bei anderen Therapien in mehreren Wochen müsse dies innerhalb von drei Tagen geschehen. „Die Patienten brauchen eine schnelle und unbürokratische Hilfe“, sagte Fischbach.

Der Bundesrat muss dem Gesetz nicht zustimmen. Es soll im März in Kraft treten.

Rauschgift auf Rezept

Wie kommen die Patienten an Cannabis?

Ein Arzt kann es auf Kosten der Krankenkassen verschreiben, wenn eine – laut Gesetz – „nicht ganz entfernt liegende Aussicht“ auf eine positive Wirkung besteht. Er muss – anders als ursprünglich vorgesehen – zuvor nicht alles andere probiert haben. Der Medizinische Dienst der Kassen muss die Therapie genehmigen, hat dafür aber nur drei Tage Zeit. Die Patienten müssen – anonym – ihre Therapiedaten zur weiteren Erforschung der Cannabiswirkung zur Verfügung stellen.

Dürfen Patienten selber Hanf anbauen?

Nein. Den Anbau soll eine beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) angesiedelte Cannabisagentur regeln. Sie soll Cannabis dann kaufen und an Hersteller und Apotheken abgeben. Zuerst wird auf Importe zurückgegriffen. Ein BfArM-Sprecher sagte aber, die Einrichtung der Agentur werde schon vorbereitet. „Ziel ist es, dass die Cannabisagentur ohne Verzögerung ihre Arbeit aufnehmen kann, wenn das Gesetz in Kraft tritt.“ Das soll im März sein.

In welcher Form bekommen die Patienten Cannabis?

Als getrocknete Cannabisblüten oder Cannabisextrakt. Öl aus Hanfpflanzen kann über eine Vorrichtung inhaliert werden. Mediziner berichten, dass manche Patienten angeben, Cannabis helfe ihnen am besten, wenn sie es rauchen. Bereits auf Rezept verfügbar sind Fertigarzneimittel auf Cannabis-Basis. (dpa)