Gegen das Vergessen
Charlotte Knobloch ist die erste Frau und die erste Jüdin, die den Eugen-Biser-Preis in den Händen hält. Damit wurde ihr Einsatz für die jüdisch-christliche Verständigung geehrt. Mit dem Preisgeld will Knobloch den geplanten Aufbaustudiengang "Interreligiöse Theologie" an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität unterstützen.
Eugen-Biser-Preis

Gegen das Vergessen

Charlotte Knobloch ist die erste Frau und die erste Jüdin, die den Eugen-Biser-Preis in den Händen hält. Damit wurde ihr Einsatz für die jüdisch-christliche Verständigung geehrt. Mit dem Preisgeld will Knobloch den geplanten Aufbaustudiengang "Interreligiöse Theologie" an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität unterstützen.

Als erste Frau und als erste Jüdin hat die Eugen-Biser-Stiftung Charlotte Knobloch in der Allerheiligenhofkirche in München mit dem Eugen-Biser-Preis geehrt. Sie habe dazu beigetragen, dass Deutschland und Europa für Juden wie für Nicht-Juden wieder zur gemeinsamen Heimat werden könne, hieß es in der Preisbegründung. Die Stiftung zeichnete die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern zudem für ihren Beitrag zur Erneuerung jüdischen Lebens im Deutschland von der Nachkriegszeit bis heute aus.

Antisemitismus unter Flüchtlingen

„Die Welt ist aus den Fugen“, beklagte Knobloch. Antidemokratische und antiliberale Ideologien dürften in Deutschland keine Chance haben. In diesem Vertrauen sei sie nach der Erfahrung des Holocaustes in Deutschland geblieben. „Aber ich lebe in diesem, unserem Land mit der Forderung, unsere Geschichte nicht zu vergessen!“

Ich glaube an die Menschen, trotz der Menschen.

Charlotte Knobloch, Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern

Knobloch äußerte sich auch deutlich zum Aufstieg der AfD. Es sei die Pflicht der Volksparteien, auf die „so genannten Besorgten“ einzugehen. Nur so könnten AfD und Pegida bekämpft werden.

Die demokratischen Kräfte dürfen den Patriotismus nicht den Falschen überlassen, müssen vielmehr selbst mit Leidenschaft einen aufgeklärten Wertepatriotismus vertreten.

Charlotte Knobloch

Bundestagspräsident Norbert Lammert (CDU), der den Preis 2012 erhielt, würdigte in seiner Laudatio das Engagement Knoblochs gegen Antisemitismus und für Aussöhnung. Noch immer gebe es in Deutschland in offener und unerträglicher Weise Rechtsradikalismus und Antisemitismus. Trialogisches Denken zwischen Islam, Christentum und Judentum bedeute aber das Gegenteil von Abgrenzung. Er warnte zugleich vor dem unter Flüchtlingen weit verbreiteten Antisemitismus. Menschen, die Hass gegen Juden und jüdisches Leben mitbrächten, „werden in Deutschland keine Heimat haben können“, machte Lammert klar.

Ambitionierte Zukunftspläne

Die gebürtige Münchnerin Charlotte Knobloch, Tochter des bekannten Rechtsanwalts Siegfried Neuland (1889-1969), war als Kind von einer katholischen Bauernfamilie in Franken vor den Nazis versteckt worden. Sie stand von 2006 bis 2010 an der Spitze des Zentralrats. Im Juli ist Charlotte Knobloch von einer großen Mehrheit für weitere vier Jahre zur Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern (IKG) gewählt worden. In den folgenden Jahren will sich Knobloch laut Süddeutscher Zeitung mit ihrem neuen Vorstand großen Projekten widmen. Dazu zählt die Eröffnung eines jüdischen Gymnasiums und eines neuen Seniorenheims mit betreutem Wohnen. Knobloch ist seit 34 Jahren Mitglied im Vorstand der IKG, seit 1985 amtiert sie als Präsidentin. Die 83-Jährige kündigte an, mit ihrem Preisgeld ein geplantes Zertifikatsstudium für die Theologie des interreligiösen Dialogs an der Ludwig-Maximilians-Universität zu unterstützen, das dort in Zusammenarbeit mit der Eugen-Biser-Stiftung entsteht.

Eugen-Biser-Preis

Der mit 5000 Euro dotierte Preis ist nach dem 2014 gestorbenen katholischen Religionsphilosophen Eugen Biser benannt. Die Stiftung verleiht den Preis seit 2003 in unregelmäßigen Abständen an Menschen, die sich für die Werte einsetzen, die auch Biser vertrat: die Freiheit des Einzelnen, den Respekt vor der Menschenwürde, die Toleranz im Dialog und die Friedenskraft der Religionen. Bisherige Preisträger waren neben Lammert der Mainzer Kardinal Karl Lehmann, der evangelische Münchner Neutestamentler Ferdinand Hahn und die muslimischen Initiatoren einer interreligiösen Dialoggruppe um den jordanischen Prinzen und Philosophieprofessor Ghazi bin Muhammad.

Die Eugen-Biser-Stiftung wurde 2002 von Eugen Biser und mehreren seiner Weggefährten in München gegründet. Die Stiftung richtet ihren Blick auf interkulturelle Verständigung. Sie will Impulse setzen für ein friedliches Zusammenleben in einer freiheitlich-demokratischen Gesellschaft.

dpa/SZ/AS