Hobby-Astronomen können im Sternenpark beeindruckende Bilder machen. (Bild: Werner Klug/fkn)
Sternenpark Rhön

Zeit für Nachtschwärmer

Europaweit gibt es nur noch wenige Orte, an denen der Blick in den Himmel nicht durch zuviel künstliches Licht gestört wird. Einer davon ist der Sternenpark in der Rhön. Vor allem Ende August tauchen Hobby-Astronomen in dem Dreiländereck in ferne Galaxien ein. Projektleiterin Sabine Frank gibt Führungen und zeigt, wie massiv Lichtquellen die Umwelt beeinflussen.

Die Milchstraße kennen viele nur aus Kindergeschichten, wie beispielsweise „Peterchens Mondfahrt“. Fast die Hälfte der Menschen unter dreißig Jahren hat das weiße Band laut einer Umfrage noch nie gesehen. Straßenlaternen, blinkende Reklametafeln, beleuchtete Fußballfelder: immer mehr Lichtsmog zerstört die Finsternis. Dadurch wird nicht nur passionierten Sterneguckern der Blick in ferne Galaxien „verbaut“. Die zunehmende Lichtverschmutzung hat auch erhebliche Einflüsse auf die Umwelt. Doch die Auswirkungen für Mensch und Tier sind den wenigsten bewusst.

Sternenpracht in der Rhön

Sabine Frank will das ändern. Als Projektleiterin im Sternenpark in der Rhön hat die Hobby-Astronomin und Kulturwissenschaftlerin quasi die Funktion einer „Lichtberaterin“ angenommen. Ihre Mission ist, die Umwelt vor schädlichen und zu vielen Lichtquellen zu schützen. Denn besonders in Westeuropa gibt es kaum noch richtig dunkle Flecken, wo der Nachthimmel nicht durch künstliche Beleuchtung erhellt wird.

Am ehesten lässt sich das noch in Schottland, Schweden, Norwegen sowie in bestimmten Regionen Österreichs und Spaniens erleben. Und im Biosphärenreservat Rhön gibt es noch Gebiete mit nahezu natürlichen Nachtlandschaften und einem sternreichen Himmel. Deshalb wurde die Gegend vor zwei Jahren als internationaler Sternenpark anerkannt, der einzige in Deutschland neben dem Naturpark Westhavelland in Brandenburg. Weltweit gibt es sogar nur acht solcher anerkannter Reservate. Für Frank ist die Auszeichnung von erheblicher Bedeutung, weil sie Impulse setzt. Seitdem kommen deutlich mehr Menschen mit Interesse am Sternenhimmel in die Region und beschäftigen sich auch mit dem Thema Lichtsmog.

Wir müssen den Menschen den Himmel näher bringen. Erst wenn er etwas zu schätzen weiß, ist er bereit, es auch zu schützen.

Sabine Frank, Projektleiterin Sternenpark

Besonders beliebt seien Sternenführungen, Mondwanderungen sowie Exkursionen und Vorträge zu astronomischen Phänomenen. Einen Teil der Führungen übernimmt Frank persönlich. Über zwei Dutzend Veranstaltungen haben in diesem Jahr stattgefunden. Mithilfe von Sternenkarten können Hobby-Astronomen selbst auf die Pirsch gehen, es gibt aber auch öffentliche Sternguckertermine wie am letzten August-Wochenende an der Kissinger Hütte in der bayerischen Gemeinde Sandberg.

Venus am Westhimmel

Das Zodiakallicht und der Gegenschein, der Schimmer des Staubs in unserem Sonnensystem, können hier beobachtet werden, genauso wie der schwache Schein des Nachthimmelsleuchtens, Kometen oder kosmische Gaswolken und ferne Galaxien wie die Andromeda-Galaxie, die trotz 2,5 Millionen Lichtjahren Entfernung in der Rhön mit bloßem Auge sichtbar ist.

Glanzstücke des Skorpions sind nicht nur sein roter Riesenstern Antares (700-mal größer als die Sonne), sondern auch seine zeitweiligen Gäste, die Planeten Mars und Saturn. Die anderen beiden im August frei sichtbaren Planeten sind Jupiter, der allmählich in der Abenddämmerung untergeht und sich am 27. August mit der Venus als glanzvoller Abendstern tief am Westhimmel trifft.

Projekt über Ländergrenzen hinaus

Möglich ist das, weil viele Kommunen Beleuchtungsrichtlinien für den Schutz der Nacht angenommen haben. Sie wurden gemeinsam mit Anbietern und Betreibern öffentlicher Beleuchtung erarbeitet. Frank ist dabei auf länderübergreifende Zusammenarbeit angewiesen, denn das Reservat liegt im Dreiländereck Thüringen, Hessen und Bayern. Sie lobt vor allem die Kooperation mit bayerischen Kommunen.

Die Zusammenarbeit mit Bayern läuft wirklich gut. Die Bürgermeister der Kommunen rufen mich an und suchen meinen Rat, wie Beleuchtungskonzepte verbessert werden können.

Sabine Frank, Projektleiterin Sternenpark

So steht sie zurzeit in Kontakt mit den bayerischen Kommunen Burkardroth, die ein ökonomisches Gewerbegebiet planen, und Sandberg. Dort geht es bei der aktuellen Dorferneuerung auch um ein neues Beleuchtungskonzept. Denn Straßenlaternen haben einen erheblichen Einfluss.

Nicht nur auf Anwohner, die sich durch Lichtquellen gestört fühlen können. Auch Bäume werden durch Laternen beeinflusst und werfen beispielsweise ihr Laub nicht ab. Die Kulturwissenschaftlerin hat es sich zur Aufgabe gemacht, solche Fälle mit ihrem Fotoapparat zu dokumentieren. Erst dann wird deutlich, welche konkreten Auswirkungen Lichtsmog haben kann. Aber auch um Privat- und Gewerbebeleuchter kümmert sie sich. Derzeit erarbeitet Frank mit einem Sportverein ein neues Konzept für die Beleuchtung des Sportplatzes. Denn künstliches Licht greift massiv in Ökosysteme ein. Deshalb steht für Frank auch nicht der Tourismusgedanke im Vordergrund, sondern der Schutzgedanke.

Lichtquelle wird zur Todesfalle

Nicht nur nachtaktive Vögel und Insekten werden in ihrem Rhythmus gestört. Beispielsweise wirken beleuchtete Brücken für Lachse wie Barrieren. Sie schwimmen tausende Kilometer flussaufwärts, um sich zu paaren. Durch das Licht an Brücken verweilen sie dort. Welchen Einfluss das Phänomen auf die Fortpflanzung der Tiere hat, wird derzeit von Wissenschaftlern untersucht. Zugvögel, die sich am Sternenzelt orientieren, werden ebenfalls auf ihrem Weg durch Leuchttürme und Großstadtflimmern irritiert. Am Strand frisch geschlüpfte Meeresschildkröten krabbeln zur nächsten Lichtquelle. Das war früher der Sternenhimmel über dem Meer – heute ist es die Strandpromenade, die vielen zur Todesfalle wird.

Beleuchtungskonzept mit Auflage

Seit August 2014 ist das Biosphärenreservat Rhön im Dreiländereck Thüringen, Hessen und Bayern als Sternenpark anerkannt. Das Prädikat „Sternenpark im Biosphärenreservat Rhön“ hat ein Fachverband aus den USA verliehen. Jeder Sternenpark benötigt ein spezielles Beleuchtungskonzept, das an bestimmte Auflagen geknüpft ist. Dazu zählen blendfreie Leuchten, die nach unten gerichtet sind und eine bestimmte Lichtfarbe. Als „Dark Sky Reserves“ ausgezeichnete Gebiete verpflichten sich, eine Kernzone mit dunklem Himmel durch eine umliegende Schutzzone abzusichern. Neben dem deutschen Naturpark Westhavelland in Brandenburg haben der Mont Méganitic im kanadischen Quebec, das NaibRand Nature Reserve oder der Arraki Machenzie in Neuseeland diese Auszeichnung erhalten. Insgesamt gibt es nur acht „Dark Sky Reserves“ weltweit.

Verlust der Nacht

In dem interdisziplinären Projekt „Verlust der Nacht“ untersuchen Wissenschaftler erstmals gemeinsam die ökologischen, gesundheitlichen sowie kulturellen und sozioökonomischen Auswirkungen, aber auch die Ursachen für die zunehmende Beleuchtung der Nacht. Auf Grundlage dieser Forschungsergebnisse sollen Lösungsansätze für moderne Beleuchtungskonzepte und nachhaltige Techniken entstehen: verlustdernacht.de Im Juni 2016 erschien bereits ein Atlas der Lichtverschmutzung, der „New World Atlas of Artificial Night Sky Brightness“, herausgegeben von einem internationalen Wissenschaftlerteam. Sie dokumentieren darin, wie der Nachthimmel bereits weltweit künstlich erhellt wird.