Hochbetrieb auf der Wiesn-Baustelle: Viele Zelte stehen noch im Rohbau. Der Bauzaun rund um die Münchner Theresienwiese weicht bis zum Anstich am 17. September einem streng überwachten Sicherheitszaun. (Foto: G. Dolak)
Oktoberfest

München zäunt die Millionen-Wiese ein

Nach monatelangen Debatten stellt die rot-schwarze Münchner Rathaus-Koalition ihr Sicherheitskonzept für das Oktoberfest vor: Sie erlässt ein Rucksack-Verbot und zäunt die Theresienwiese mit einem „SecuFence" ein. Millionen Besucher gelangen nur mehr über Personenkontrollen zu den Karussells und Bierzelten. Nun bleibt noch eine Frage: Ob der Zaun überhaupt rechtzeitig fertig wird.

Ray-Ban-Sonnenbrille auf der Nase, unter dem Kinn ein Bart, wie ihn auch Salafisten und manche Großstadt-Hipster tragen – der Aufpasser von „Kötter Security“ wacht streng über den Zugang zur Oktoberfest-Baustelle. Die Augustiner-Festhalle und die Pschorr-Bräurosl sind bereits aufgebaut, andere Zelte stehen noch im Rohbau. Der Blick des Wachmanns am Wiesn-Haupteingang wandert vom Mahnmal für das Bombenattentat von 1980 zur Theresienhöhe hinter den Bierzelten. „Da kommt ein neuer Sicherheitszaun hin?“, fragt er mit gerunzelter Stirn, „habe ich noch nie gehört.“

Derzeit umschließt noch ein provisorischer Draht-Bauzaun die gesamte Theresienwiese. Gabelstapler sausen umher, Laster liefern Teile einer Achterbahn an. In genau einem Monat beginnt das größte Volksfest der Welt. Während die Bauarbeiten auf Hochtouren laufen, hat die rot-schwarze Rathaus-Koalition nach monatelangen Debatten ihr neues Sicherheitskonzept für die Millionen-Kirmes präsentiert. Zentraler Punkt: die „offene Flanke“ an der Hangkante entlang der Theresienhöhe soll mit einem Sicherheitszaun geschlossen werden. An den anderen Seiten ist der Zugang zum Oktoberfest bisher schon durch Buden, Fahrgeschäfte, Zelte verbaut oder durch Zäune versperrt. Nach dem Aufbau des so genannten „SecuFence“ wird er in diesem Jahr erstmals nur noch über 15 Kontroll-Tore möglich sein.

Das schwarz-rote Security-Bollwerk

CSU-Vizebürgermeister Josef Schmid und SPD-Kreisverwaltungsreferent Thomas Böhle sitzen an diesem Mittwoch-Mittag Schulter an Schulter, eng an eng hinter einem riesigen Tisch in der Ratstrinkstube des Rathauses. Eine Art großkoalitionäres Bollwerk aus zwei Mann, zwischen denen kein Bierzelt-Terrorist hindurchpasst. Diese Zweisamkeit war viele Wochen gestört. Wegen Differenzen über die Frage, wie die Sicherheit beim Weltereignis Wiesn in Zeiten des globalen Terrors zu gewährleisten ist. Gegen die Bedenken von Schmid und von Sicherheitsexperten lehnte die SPD einen Zaun an der Theresienhöhe ab, dem der Sozialdemokrat Böhle erst zugestimmt, dann widersprochen hatte. Dieser räumte nach den Anschlägen von Würzburg und Ansbach und dem Amoklauf im Münchner Olympiaeinkaufzentrum (OEZ) jetzt jedoch ein: „Meine Bedenken gegen den Zaun, die ich ursprünglich wegen einer Überfüllungssituation hatte, sind ausgeräumt.“ Bei einer Präsentation im Bauhof sei der Zaun binnen 50 Sekunden aufgerollt gewesen, so dass Oktoberfestbesucher bei einer Massenpanik nach einem eventuellen Attentat das Festgelände verlassen könnten.

Rucksackverbot und Kontrollen

Das neue Sicherheitskonzept für das Münchner Weltereignis sieht außerdem vor: ein Rucksackverbot für Taschen mit mehr als 3 Litern Fassungsvermögen, sowie Personenkontrollen an den 15 Zugangsstellen. Dafür will die Stadt statt bislang 250 heuer 450 Sicherheitsleute aufbieten. Allerdings könne es zu Stoßzeiten oder an besonders stark frequentierten Tagen zu erheblichen Staus für die Besucher wie sonst auch vor den Bierzelten kommen, gestehen die beiden Verantwortlichen ein. „Mit Verzögerungen ist zu rechnen“, sagt Vizebürgermeister Schmid, „ein Mehr an Sicherheit ist nur für gewisse Einschränkungen zu haben.“ Wichtig sei ihm, „den Charakter dieses schönen Volksfestes als Familienfest zu erhalten“.

Wie genau die Personenkontrollen ablaufen, darüber hüllten sich beide in Schweigen, um möglichen Attentätern keine Hinweise zur Überlistung der Sicherheitskräfte zu bieten. Nur soviel: Die Security-Leute werden gestaffelt an den Eingängen stehen, um die Besucher zu überprüfen, flankiert von Polizisten. Wie in den vergangenen Jahren auch wird die Polizei zudem auf der Theresienwiese und im Umfeld der umliegenden S- und U-Bahnhaltestellen Streife gehen. Um Attentäter mit Sprengstoffgürteln aufzuspüren, können die Wachmänner in Verdachtsfällen auch Leibesvisitationen durchführen und auf Detektoren zurückgreifen. Allerdings schränkte Schmid ein, absolute Sicherheit könne und werde es nicht geben.

Wer dennoch größere Taschen mitbringt, muss sie in eigens eingerichteten Gepäckaufbewahrungsstellen deponieren. Nur medizinisch notwendige Geräte dürfen per Tasche auf den weltbekannten Riesen-Rummel mitgenommen werden. Draußen bleiben müssen dagegen Spraydosen und Waffen aller Art. „Den Hirschfänger in der Lederhose müssen die Leute daheim lassen“, kündigt Schmid an.

Das Oktoberfest wird keine Hochsicherheitszone. Aber es kommen wichtige Änderungen.

Josef Schmid, Münchner Vizebürgermeister

Beschlossene Sache ist der lange umstrittene Sicherheitszaun also, der es verunmöglichen soll, die Personenkontrollen zu umgehen. Der „SecuFence“, wie er beispielsweise auch in der Münchner Allianz-Arena oder am Stuttgarter Bahnhof zum Einsatz kommt, funktioniert wie ein metallener Vorhang. An einer Art Vorhangstange kann er aus neun Aufbewahrungs-Boxen in kurzer Zeit auf- und auch wieder eingerollt werden. Ob der „SecuFence“ aber tatsächlich bis in vier Wochen auf einer Länge von mehr als 500 Metern an der Theresienhöhe steht, dahinter bleibt noch ein Fragezeichen. Denn die Rathaus-Koalition hat sich lange Zeit gelassen mit ihrem Konzept.

Zaun fürs Großereignis aus einer kleinen Werkstatt

Hergestellt wird der Zaun von einer kleinen Zwei-Mann-Firma im baden-württembergischen Westhausen-Lippach nördlich von Ulm. Auf Nachfrage des Bayernkurier sagt SecuFence-Chef Peter Neumann: „Das Problem ist die Produktion. Wir stellen den Zaun in unserer eigenen Werkstatt her. Sind die Teile aber erst mal fertig, sind sie auch innerhalb eines Tages aufgestellt.“ Bis Ende dieser Woche montiert er noch ein Exemplar in der Wolfsburger Fußball-Arena, danach will er „nur noch für das Oktoberfest arbeiten“. Dabei gibt sich Neumann einstweilen zuversichtlich, dass er rechtzeitig zum Anstich im Schottenhamel-Zelt fertig wird. „Ozapft is‘“ kann Oberbürgermeister Dieter Reiter erst rufen, wenn der erste Zapfhahn richtig im Fass sitzt – und wenn der „SecuFence“ auch wirklich „auf’baut is‘“.