Minister Dieter Lauinger hält die Einmischung zu Gunsten seines Sohnes für vollkommen normal. (Foto: imago)
Rot-Rot-Grün

Sonderbehandlung für den Ministersohn

Thüringens rot-rot-grüne Landesregierung sieht sich mit einer möglichen Amtsmissbrauchsaffäre konfrontiert. Der grüne Justizminister intervenierte zu Gunsten seines Sohnes im Bildungsministerium. Die Staatskanzlei unterstützte ihn dabei.

Hat der thüringische Justizminister Dieter Lauinger (Grüne) sein Amt missbraucht, um seinem Sohn einen Vorteil zu verschaffen? Und haben ihn die Bildungsministerin des Landes und der Staatskanzleiminister (beide Linke) dabei unterstützt? Mit diesem massiven Vorwurf sieht sich die rot-rot-grüne Regierungskoalition in Thüringen konfrontiert.

Ausnahmeregel für Auslandsaufenthalt

Darum geht es: Lauingers Sohn hatte im April dieses Jahres einen mehrmonatigen Bildungsaufenthalt in Neuseeland begonnen. Dadurch konnte er nicht an der in Thüringen eigentlich zwingend vorgeschriebenen „besonderen Leistungsfeststellung“ am Ende der 10. Klasse teilnehmen. In Thüringen müssen alle Gymnasiasten diese Prüfung ablegen und den Realschulabschluss erwerben, um nach einem möglichen Scheitern beim Abitur nicht nur über ein Hauptschulzeugnis zu verfügen. Auf Antrag der Eltern wurde der Junge in einer, wie die Thüringer Allgemeine schreibt, „sehr freien Interpretation der Gesetze“ von seiner Erfurter Schule vom Unterricht und der Prüfung befreit. Auch das Schulamt stimmte vor Reiseantritt dieser Ausnahmegenehmigung zu, wonach der Schüler ohne die Prüfung in die 11. Klasse versetzt werden dürfe. Kurz vor der Zeugnisübergabe kassierte aber das Bildungsministerium diese Entscheidung und stoppte die Versetzung von Lauingers Sohn. Die früheren Bescheide durch Schule und Amt seien rechtswidrig gewesen.

Anrufe vom Ministertelefon

Daraufhin intervenierte Lauinger persönlich im Bildungsministerium. In zwei Telefonaten, die er, wie er einräumte, von seinem Büro aus führte, habe er sich in der Angelegenheit an Mitarbeiter des Ministeriums gewandt. „Es ging um etwas vollkommen Privates, was mit meinem Job nichts zu tun hat“, rechtfertigt Lauinger die Anrufe. Es sei „die normalste Reaktion der Welt, dass Eltern anrufen und sich erklären lassen, was der Grund dafür ist“, sagte Lauinger. Er habe als Vater und nicht als Minister gehandelt und dies auch bei Gesprächen mit Mitarbeitern des Bildungsministeriums stets deutlich gemacht. Dass er und nicht seine Frau anrief, begründet er damit, dass es um juristische Fragen bei der Auslegung einer Verwaltungsvorschrift gegangen sei. Lauinger ist Jurist und war viele Jahre Richter.

Hilfe aus der Staatskanzlei

Mit Bildungsministerin Birgit Klaubert (Linke) habe er über das Problem und das gefährdete Vorrücken seines Sohnes in die 11. Klasse nicht gesprochen, behauptet Lauinger. Gleichzeitig wandte er sich nach eigener Aussage aber an den Staatskanzleiminister Benjamin Hoff (Linke) und informierte diesen darüber, dass er mit einem anderen Ministerium in Konflikt stehe. Wie ein Regierungssprecher zugab, griff Hoff tatsächlich in den Fall ein. „In Absprache mit dem Bildungsministerium wurde durch die Staatskanzlei eine kurze Einschätzung der Rechtslage gefertigt“, teilte der Sprecher der Thüringer Allgemeinen mit. „Die Expertise hatte zum Ergebnis, dass im vorliegenden Fall eine Versetzung auch ohne Nachweis einer besonderen Leistungsfeststellung möglich ist.“ Dieser Einschätzung folgte dann auch Bildungsministerin Birgit Klaubert und machte die Entscheidung ihrer Fachaufsicht rückgängig. Lauingers Sohn durfte ohne die Prüfung in die 11. Klasse vorrücken. Wie ein Sprecher des Bildungsministeriums erklärte, habe Klaubert „nach sorgfältiger Rechtsgüterabwägung für den Vertrauensschutz zum Wohle des Schülers entschieden“.

Union droht mit Untersuchungsausschuss

Die Opposition im Landtag hält die Erklärungen Lauingers und des Bildungsministeriums nicht für stichhaltig. Der Vorsitzende der CDU-Fraktion im Landtag, Mike Mohring, sagte, seine Partei werde ihre parlamentarischen Mittel „vollständig ausschöpfen“, um den Sachverhalt aufzuklären, und drohte die Einsetzung eines Untersuchungsausschusses an.

Als Minister muss er das Recht hüten und sollte nicht wie ein Winkeladvokat agieren. Das schadet dem Amt.

Mike Mohring, CDU-Fraktionschef im Thüringer Landtag

Mohring wirft dem Justizminister zudem Schummelei vor. Nach seiner Meinung gilt die Verwaltungsvorschrift, auf die sich Lauinger im Fall seines Sohnes beruft, nur dann, wenn Jugendliche ein ganzes Jahr an einer Schule im Ausland verbringen und nicht nur einige Monate. „Das Problem ist nicht der Vater, sondern der Justizminister“, so der CDU-Fraktionschef. „Als Minister muss er das Recht hüten und sollte nicht wie ein Winkeladvokat agieren. Das schadet dem Amt.“ Der Bildungsministerin bescheinigt der Oppositionsführer im Landtag, „dass sie mit dem Amt überfordert ist“.

Kritik vom Lehrerverband

Auch der Lehrerverband sieht beim Bildungsministerium Klärungsbedarf. Der Fall gebe tiefe Einblicke in die Funktionsweise des Ressorts, sagte der Landesvorsitzende Rolf Busch. Wenn es erst ein Einverständnis für eine Prüfungsbefreiung gebe, das Ministerium diese später zurückziehe und sich dann die Ministerin darüber hinwegsetze, zeuge das nicht nur von Kommunikationsproblemen im Haus.

Busch kritisiert auch den Justizminister: „Das ist nicht der normale Weg, dass Eltern im Ministerium anrufen, wenn sie Probleme mit einer Entscheidung haben.“ Busch nannte dieses Vorgehen merkwürdig. Dann könnten auch alle anderen Eltern etwa bei Problemen mit Stundenausfall, Klassenzusammenlegungen oder nicht genehmigten Klassenfahrten sich sofort an das Ministerium wenden.