Der Regensburger Dom war zeitweilig von Asylbewerbern besetzt. (Foto: Imago/Manfred Segerer)
Regensburg

Pfarrheim geräumt

Die Besetzungsaktion von Flüchtlingen in Regensburg ist beendet. Nach dem Dom haben sie jetzt auch das Pfarrheim verlassen, in dem sie sich die letzten Wochen aufgehalten hatten. Der Ärger über ihre Verhandlungsweise und über die Initiatoren bleibt. Das Bistum warnte vor einem Missbrauch des Kirchenasyls.

Anfang Juli hatten zunächst knapp 50 Asylsuchende, offenbar fast alle Roma aus verschiedenen Balkanländern, Zuflucht im Regensburger Dom gesucht, ehe sie aus hygienischen Gründen in das Pfarrheim umzogen. Mit ihrer Aktion wollten sie für ihr Bleiberecht und gegen die Einstufung der Balkanstaaten als sichere Herkunftsländer demonstrieren. Das Bistum gewährte ihnen zwar kein Kirchenasyl, duldete aber ihre Anwesenheit. Jetzt ist das Pfarrheim von der Polizei geräumt worden. Tatsächlich eingreifen musste die Polizei aber nicht: Die noch 16 im Pfarrheim St. Emeram verbliebenen Asylbewerber verließen das Gebäude freiwillig. Die Menschen, unter ihnen auch Kinder, wurden mit Bussen zu ihren Unterkünften gebracht.

Am vergangenen Freitag hatte das Bistum nach Rücksprache mit den Behörden Strafanzeige wegen Hausfriedensbruchs gegen die Asylsuchenden gestellt.

Die Kinder wurden von Anfang an als Transparent-Halter, als Foto-Objekte an der Protestfront, ja in konkreten Drohungen sogar als mögliche Waisenkinder durch Selbstmord der Erwachsenen und als mögliche Tötungsopfer benutzt.

Michael Fuchs, Generalvikar

Für besonderen Ärger hatte dabei unter den Kirchenvertretern der Umgang der erwachsenen Asylbewerber mit ihren Kindern gesorgt. Berichten zufolge hatten sie in den Verhandlungen über ihren Verbleib in Deutschland ihre Kinder als „Faustpfand“ benutzt – und angeblich sogar damit gedroht, diese verhungern zu lassen, sollte ihrem Wunsch nicht entsprochen werden. „Die Kinder wurden von Anfang an als Transparent-Halter, als Foto-Objekte an der Protestfront, ja in konkreten Drohungen sogar als mögliche Waisenkinder durch Selbstmord der Erwachsenen und als mögliche Tötungsopfer benutzt“, bestätigte dies Generalvikar Michael Fuchs. Ein Vater soll gegenüber zwei kirchlichen Mitarbeitern geäußert haben, bei einer Ablehnung des Bleiberechts sich und seine minderjährige Tochter anzuzünden. „Nach all unseren Versuchen der Hilfe und Klärung, nach den unerfüllbaren Forderungen und massiven Drohungen der Gruppe, vor allem auf Grund der zunehmenden Gefährdungen und Verschlechterungen für die Gruppe ist ein weiterer Verbleib im Pfarrheim St. Emmeram nicht mehr verantwortbar. Es geht nicht mehr“, ließ Fuchs daher mitteilen.

Zwei Männer werden abgeschoben

Wie das Polizeipräsidium der Oberpfalz mitteilte, liegen gegen einen 51 Jahre alten Mazedonier und einen 39 Jahre alten Kosovaren Abschiebehaftbefehle vor. Beide Männer werden heute einem Ermittlungsrichter beim Amtsgericht Regensburg vorgeführt. Einige Mitglieder der Flüchtlingsgruppe werden den Angaben zufolge unter Polizeibegleitung nach Baden-Württemberg gebracht und dort den zuständigen Ausländerbehörden übergeben, drei weitere Flüchtlinge werden nach Hamburg gebracht.

Bistum warnt vor Missbrauch des Kirchenasyls

Das Bistum Regensburg teilte in der Pressemeldung mit, man sei über den Ausgang der Besetzung „erleichtert“. Allerdings bleibe „gewisse Nachdenklichkeit“ zurück, so Generalvikar Fuchs. „Uns war von Anfang an wichtig, dass Menschen, die in Not zu uns kommen und um Hilfe bitten, nicht im Stich gelassen werden.“ Das gelte auch für den „Ausnahmefall, in Extremfällen für eine bestimmte Zeit bei einem Pfarrer um Kirchenasyl zu bitten.“

Freilich darf es nicht Schule machen, durch das gewaltsame Eindringen in offene kirchliche Räume staatliche Regelungen umgehen zu wollen oder Kirchen als Protestbühne zu missbrauchen.

Presserklärung des Bistums Regensburg

Die Sorge, die Diözese werde künftig mehr Kirchen aus Angst vor Wiederholungsfällen zusperren, versuchte Fuchs zu entkräften: „Unsere Kirchen bleiben offen für alle Menschen, die beten wollen, die Stille suchen oder unsere Kirchen bewundern.“ Es dürfe nicht Schule machen, durch gewaltsames Eindringen in kirchliche Räume staatliche Regelungen umgehen zu wollen oder Kirchen als Protestbühne zu missbrauchen, so der Generalvikar.

An die viel kritisierten Initiatoren der Aktion appellierte Fuchs überaus deutlich: „Wer Änderungen im Asylrecht herbeiführen möchte, muss sich in einem demokratischen Staat im argumentativen Diskurs um Mehrheiten mühen. Eine gewaltsame Abkürzung darf es nicht geben; sie wird auch künftig nicht geduldet, weil sie die Religionsfreiheit und die demokratischen Grundregeln gleichermaßen verletzt.“ Der Generalvikar warf zuletzt den Initiatoren der Dombesetzung auch vor, die Kirchenverantwortlichen immer wieder getäuscht zu haben, etwa über die wahre Anzahl der Dom-Besetzer oder den Status der Asylbewerber. So seien nur drei der ursprünglich 45 Besetzer akut von einer Abschiebung bedroht gewesen.

Der Schaden ist groß

Der Zustand des Pfarrheims ist alles andere als gut, wie der Bayerische Rundfunk mit Fotos dokumentierte. Feldbetten sind kaputt, Müll liegt in den Zimmern und auf den Tischen herum, Zigarettenkippen liegen in der Spüle, der Boden klebt. Der Fundus eines Laientheaters sei teilweise ausgeräumt worden, sagte dem BR ein Gemeindemitglied. Verschiedene Schäden müssen behoben werden, was auch erhebliche Unkosten verursachen wird. Ob dafür die Initiatoren der laut fast aller Medienberichte völlig verfehlten Aktion aufkommen, dürfte zweifelhaft sein. Ihr ohnehin falsches „Anliegen“ haben sie jedenfalls weiter diskreditiert, auch darüber waren sich alle Kommentatoren einig.

Die Erklärung des Bistums:

„Heute am frühen Abend ist die Protestaktion, die vor 35 Tagen im Regensburger Dom mit 50 Personen begann und dann im Pfarrheim St. Emmeram fortgesetzt wurde, ohne polizeiliche Zwangsmaßnahmen zu Ende gegangen. Die zuletzt 16 Personen haben das Pfarrheim verlassen und sind auf dem Weg zu den Behörden, die das Weitere klären. Damit steht das Pfarrheim für die pfarrliche Nutzung wieder zur Verfügung, die notwendigen Wiederherstellungsarbeiten können beginnen.

Die Verantwortlichen des Bistums zeigen sich erleichtert über den Ausgang, es bleibt jedoch eine gewisse Nachdenklichkeit, so Generalvikar Michael Fuchs. „Uns war von Anfang an wichtig, dass Menschen, die in Not zu uns kommen und um Hilfe bitten, nicht im Stich gelassen werden. Das wollen wir im Rahmen unserer Möglichkeiten so beihalten, auch wenn die letzten Wochen uns dabei deutlich Grenzen vor Augen geführt haben“, so Fuchs. Das umfassende Engagement vieler Frauen und Männer in den unterschiedlichen Bereichen unserer Diözese zum Wohl von Flüchtlingen aus Kriegs- und Krisengebieten bleibt ungeschmälert. Dies gilt auch für den Ausnahmefall, in Extremfällen für eine bestimmte Zeit bei einem Pfarrer um Kirchenasyl zu bitten.

Auch die Sorge, die Diözese werde zukünftig mehr Kirchen aus Angst vor Wiederholungsfällen zusperren, ist unbegründet. „Unsere Kirchen bleiben offen für alle Menschen, die beten wollen, die Stille suchen oder unsere Kirchen bewundern“, erklärt der Generalvikar. Freilich darf es nicht Schule machen, durch das gewaltsame Eindringen in offene kirchliche Räume staatliche Regelungen umgehen zu wollen oder Kirchen als Protestbühne zu missbrauchen. Die Kirche ist nicht der Staat, der Protest im Dom und im Pfarrheim hat sich daher von Anfang an den falschen Adressaten gewandt und die falschen Mittel gebraucht. An die Initiatoren der Aktion appelliert Generalvikar Fuchs: „Wer Änderungen im Asylrecht herbeiführen möchte, muss sich in einem demokratischen Staat im argumentativen Diskurs um Mehrheiten mühen. Eine gewaltsame Abkürzung darf es nicht geben; sie wird auch künftig nicht geduldet, weil sie die Religionsfreiheit und die demokratischen Grundregeln gleichermaßen verletzt.“

Im Rückblick auf die fünf Wochen war es den Verantwortlichen des Bistums wichtig, die Betroffenen zunächst anzuhören, im Gespräch mit ihnen ihre Identität und Lage zu klären und im Kontakt mit den Behörden Möglichkeiten einer Lösung herauszufinden. Dabei ergab sich ein differenziertes, bisweilen auch komplexes Bild, und die Grenzen einer Unterstützung wurden immer deutlicher. Nach dem Umzug von den Vorräumen des Doms in das größere Pfarrheim zog die erste Teilgruppe (14 Personen) in ihre Regensburger Gemeinschaftsunterkünfte zurück, gleichzeitig wurde deutlich, dass auch fünf weitere Flüchtlinge aus Hamburg schon im Dom entgegen den Abmachungen nachträglich eingeschleust worden waren. Im Laufe der Wochen hatten sich einige Personen auch ausländerrechtlich wesentlich verschlechtert, weil sie außerhalb der staatlichen Unterkünfte beispielsweise Antragsfristen versäumten.

Nach drei Wochen folgten erste Androhungen und Gefährdungen seitens der Gruppe im Pfarrheim. Es begann mit einem Hungerstreik und mündete schließlich in mehrfach geäußerte Selbsttötungsabsichten, die auch Kinder miteinschlossen. Ein Verbleib im Pfarrheim war nicht mehr verantwortbar und wir haben die Gruppe in aller Deutlichkeit zum Verlassen des Pfarrheims aufgefordert. Daraufhin hatten sich 12 weitere Personen in ihre ursprünglichen Unterkünfte begeben.

Weitere langwierige Verhandlungen blieben ergebnislos, sodass als letztes Mittel schließlich eine Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch nötig wurde. Gleichzeitig sah sich das Bistum gezwungen, auch die Unterstützung und Verpflegung der Gruppe einzustellen. Dies bewegte acht weitere Personen zum Auszug aus dem Pfarrheim. Die verbleibenden 16 Personen wurden heute durch die Polizei und Vertreter der Ausländerbehörde Regensburg ohne Zwangsmaßnahmen dazu gebracht, das Pfarrheim zu verlassen. Das Bistum dankt der Regierung der Oberpfalz mit der Ausländerbehörde und dem Gesundheitsamt, dem Polizeipräsidium Oberpfalz, der Polizeiinspektion Süd und der Stadt Regensburg für die gute, fast tägliche gegenseitige Beratung in der Vorgehensweise in diesen Wochen, sowie dem Gerl Sicherheitsdienst für die geleistete Arbeit vor Ort. Weiter dankt sie allen kirchlichen Helferinnen und Helfern, den Dommesnern und Herrn Martin Braun, Pfarrer Roman Gerl und der Pfarrei St. Emmeram, Herrn Michael Eibl als Verhandlungsführer, dem Malteser-Hilfsdienst mit Dr. Rainer Tichy und anderen für vielfältige Dienste, dem Diözesancaritasverband mit ihren Referenten und Asylsozialberatern sowie der Bischöflichen Administration. Und wir danken den Anwohnern am Wiesmeierweg für ihre Geduld.

(dos/avd)