Die Armut von Alleinerziehenden ist zur Hälfte Grund für die Armut unter Kindern. (Bild: Imago/Westend61)
Kinderarmut

Armutsfalle Alleinerziehend

Wer sich von seinem Partner trennt, hat als Alleinerziehender ein höheres Risiko, arm zu werden. Knapp 40 Prozent von ihnen sind auf staatliche Grundsicherungsleistungen angewiesen. Inzwischen lebt jedes zweite Kind im Hartz-IV-Bezug mit nur einem Elternteil. Die Ursachen liegen in Gesetzesreformen und zahlungsunwilligen Vätern. Das zeigt eine Studie der Bertelsmann-Stiftung.

In Deutschland ist mittlerweile jede fünfte Familie alleinerziehend. In den allermeisten Fällen – 90 Prozent – sind es die Mütter, bei denen die 2,2 Millionen Kinder von Alleinerziehenden aufwachsen. Gut zwei Drittel von ihnen haben ein Kind, ein Viertel hat zwei Kinder und knapp sieben Prozent sorgen für drei oder mehr Kinder. Und es werden immer mehr Ein-Eltern-Familien. Damit ist sie die einzige Familienform, die Zuwachsraten verzeichnet. In vier von fünf Fällen ist es allerdings keine bewusste Entscheidung. In den Ein-Eltern-Familien ist eine Trennung der Eltern meistens der Grund des Alleinerziehens.

In Bayern leben weniger arme Alleinerziehende

Alarmierend ist, dass knapp 40 Prozent der Alleinerziehenden auf staatliche Grundsicherungsleistungen angewiesen sind, um sich selbst und ihre Kinder versorgen zu können. Das ist mehr als fünf Mal häufiger als bei Paar-Haushalten mit minderjährigen Kindern. Bei ihnen sind es nur sieben Prozent. In Bayern leben im deutschlandweiten Vergleich die wenigsten Paare (knapp drei Prozent) und Alleinerziehenden (24 Prozent), die Hartz-IV beziehen.

Die Armut von Alleinerziehenden ist zur Hälfte Grund für die Armut unter Kindern. Denn von den 1,87 Millionen Kindern und Jugendlichen bis 18 Jahren im Hartz-IV-Bezug leben 952.000, also etwa die Hälfte, in Alleinerziehenden-Haushalten. Und der Anteil der Alleinerziehenden, die als armutsgefährdet gelten, nimmt immer mehr zu. 2014 ist er auf 42 Prozent angestiegen. Das sind knapp sieben Prozentpunkte mehr als noch 2005. Entsprechend gängiger Armuts-Definitionen sind davon Familien betroffen, die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommen zur Verfügung haben. Nach Berechnungen der Bertelsmann-Stiftung lag diese Schwelle 2014 für eine Alleinerziehende mit einem Kind unter sieben Jahren bei etwa 1150 Euro. Der Anteil armutsgefährdeter Paarfamilien dagegen ist um knapp zwölf Prozentpunkte zurückgegangen.

Dass in den letzten zehn Jahren Reformen in verschiedenen Rechtsbereichen nicht zu besseren Lebensbedingungen von Ein-Eltern-Familien beigetragen haben, zeigt die Studie anhand verschiedener Reformen und Gesetze.

1. Unterhaltsrechtsreform

Seit der Unterhaltsrechtsreform im Jahr 2008 haben geschiedene Alleinerziehende mit Kindern über drei Jahren in der Regel keinen Anspruch mehr darauf, dass ihr Ex-Partner ihnen Betreuungsunterhalt zahlt. Wenn das jüngste Kind drei Jahre alt ist und grundsätzlich eine Kinderbetreuung zur Verfügung steht, wird von geschiedenen Müttern eine Vollzeiterwerbstätigkeit erwartet. Auch wenn mehrere Kinder zu versorgen sind oder wenn besondere Belastungen vorliegen, hält der BGH eine Vollzeiterwerbstätigkeit generell für zumutbar. Aussicht auf Unterhalt für sich selbst haben die betroffenen Alleinerziehenden nur dann, wenn nachweislich keine Betreuungsmöglichkeiten vorhanden sind oder Kinder aus gesundheitlichen oder psychischen Gründen eine persönliche Betreuung durch den Elternteil benötigen. Doch obwohl 70 Prozent der Alleinerziehenden erwerbstätig sind, darunter 45 Prozent in Vollzeit, reicht in vielen Ein-Eltern-Familien das Einkommen nicht aus.

2. Unterhaltsvorschuss

Wenn der unterhaltspflichtige Elternteil nachweislich nicht zahlt, können Alleinerziehende  staatliche Unterstützung in Form des Unterhaltsvorschusses beantragen. Der Unterhaltsvorschuss ist damit eine Leistung, die sich speziell auf Kinder in Ein-Eltern-Familien bezieht und bedarfsunabhängig gewährt wird. Alleinerziehende erhalten 133 Euro für Kinder bis einschließlich fünf Jahre bzw. 180 Euro für Kinder zwischen sechs und zwölf Jahren. Der Staat kann diese  Zahlungen vom Unterhaltspflichtigen zurückfordern. Seit dem Jahr 2008 wird auf den Unterhaltsvorschuss allerdings das volle Kindergeld angerechnet. 2012 haben rund eine halbe Million Kinder Unterhaltsvorschussleistungen in Anspruch genommen. Allerdings wird die Leistung nur maximal sechs Jahre und nur bis zum 12. Geburtstag gewährt wird. Dem Staat gelänge es laut Bertelsmann-Studie in vier von fünf Fällen nicht, sich den Unterhaltsvorschuss von den unterhaltspflichtigen Elternteilen zurückzuholen.

3. Steuerrecht und Sozialversicherungssystem

Seit der Abschaffung des Haushaltsfreibetrags für Alleinerziehende Ende des Jahres 2003 werden Alleinerziehende – insbesondere in den unteren Einkommensbereichen – fast so besteuert wie Singles, obwohl sie mit ihrem Einkommen auch ihre Kinder versorgen. Sie können zwar den Kinderfreibetrag geltend machen, dieser wirkt sich jedoch vor allem in den höheren Einkommensbereichen aus. Seit 2004 wird Alleinerziehenden zwar der Entlastungsbetrag in Höhe von 1.308 Euro gewährt, der in der Steuerklasse II eingearbeitet ist. Doch im niedrigen und mittleren Einkommensbereich sind die dadurch entstehenden Entlastungen nur gering. Da die meisten Alleinerziehenden unterdurchschnittlich bis durchschnittlich verdienen, werden sie anteilig besonders stark durch Sozialabgaben belastet.

Viele Väter zahlen nicht

Es gibt aber noch eine weitere Ursache, warum Ein-Eltern-Familien nicht über die Armutsgrenze kommen: weil der andere Elternteil – meist die Väter – keinen Unterhalt zahlt. Bei der Hälfte aller Alleinerziehender kommt kein Geld an, selbst den Mindestunterhalt bekommen weitere 25 Prozent nicht. Der Staat springt, wie bereits oben aufgeführt, dann mithilfe eines Vorschusses ein – allerdings nur sechs Jahre lang und nur für Kinder unter zwölf Jahren. Es brauche daher bessere Mechanismen, um die Ansprüche auf Unterhalt durchzusetzen. Unterhalt sollte beispielsweise von null bis 18 Jahren gewährt werden. Bei säumigen Zahlern könnten außerdem gesetzliche Druckmittel helfen, die Zahlungsmoral zu steigern.

(Quellen: dpa/Bertelsmann-Studie/AS)