SPD-Parteichef Sigmar Gabriel. (Foto: CommonLens/imago)
Erbschaftssteuer

NRW-Genossen gegen Gabriel

Kommentar Die Autorität des SPD-Parteichefs sinkt immer weiter. Jetzt lehnt der nordrhein-westfälische SPD-Finanzminister die von Sigmar Gabriel ausgehandelte Reform der Erbschaftssteuer ab. Gemeinsam mit der schleswig-holsteinischen SPD verlangen die NRW-Sozialdemokraten eine deutlich höhere Belastung von Erbschaften und konterkarieren so den Kurs ihres Parteivorsitzenden.

Wenn es noch eines Beispiels bedurft hätte, wie uneins und zerrissen die SPD ist und wie weit die Autorität des Parteivorsitzenden Sigmar Gabriel inzwischen gesunken ist, dann hat es jetzt Nordrhein-Westfalen geliefert. Das Land, in dem der größte und mächtigste SPD-Landesverband an der Regierung ist, stellt sich bei der Reform der Erbschaftssteuer offen gegen Gabriel. Der sozialdemokratische NRW-Finanzminister Norbert Walter-Borjans lehnt die Anfang der Woche unter Mitwirkung seines Parteichefs gefundene Einigung rundheraus ab. Dem Deutschlandfunk sagte Walter-Borjans: „Dieser Kompromiss geht so nicht. Er ist nicht akzeptabel, weil er noch weiter geht zum Teil als das ohnehin von den Verfassungsrichtern schon monierte Regelwerk, das wir bisher schon hatten.“

Gabriel verteidigt den Reform-Kompromiss

Ganz anders hatte am Montag Sigmar Gabriel das Ergebnis der Verhandlungen mit CDU und CSU kommentiert: Die Erbschaftssteuer, so Gabriel, werde „sozial gerechter, ohne die Fortführung von Unternehmen oder Arbeitsplätze zu gefährden“. Die vereinbarte Reform leiste „einen Beitrag zur Herstellung sozialer Chancengleichheit in Deutschland“. Sie sei „das zentrale Element, um der zunehmend ungleichen Verteilung der Vermögen in Deutschland zumindest ein Stück weit entgegenzuwirken“. Bei der Vorstelllung der Reformpläne äußerte Gabriel die Hoffnung auf ein Steuer-Plus von 235 Millionen Euro pro Jahr.

NRW-Finanzminister Walter-Borjans zieht diese Aussage seines Parteivorsitzenden offen in Zweifel. Die Reform der Erbschaftssteuer könne im Gegenteil dazu führen, dass die Steuereinnahmen sinken, erklärte er. Walter-Borjans kündigte an, er werde dem Gesetzesvorhaben im Bundesrat nicht zustimmen und auch bei anderen Bundesländern für die Ablehnung werben.

Erbschaften wie Einkommen besteuern

Tatsächlich verfolgt die NRW-SPD längst eigene Steuerpläne. Gemeinsam mit den Genossen aus Schleswig-Holstein, die vom ganz links positionierten Gabriel-Kritiker Ralf Stegner geführt werden, hat die NRW-SPD ein eigenes Steuerkonzept beschlossen. Im Mai legten die beiden Landesverbände ein Positionspapier vor. In beiden Bundesländern wird im nächsten Frühjahr gewählt. Unter der Überschrift „Soziale Gerechtigkeit – Erwartungen an den Bund“ verlangen die SPD-Landesverbände neben der Einführung einer Vermögenssteuer auch eine drastische Erhöhung der Erbschafts- und Schenkungssteuer. Sie fordern „eine Veranschlagung von Erbschaften und Schenkungen als Einkommen und Besteuerung mit dem individuellen Einkommensteuersatz“. Rechnerisch könnte der Steuersatz nach diesem Modell auf bis zu 45 Prozent steigen. Eine Steuerlast, die für viele Firmenerben wohl den finanziellen Ruin bedeuten würde. Es wäre obendrein das genaue Gegenteil dessen, was SPD-Chef Gabriel am Montag verkündet hat.

Gemeinsam wollten sie „in den kommenden Monaten für diese Maßnahmen eintreten und auf Bundesebene dafür werben“, schreiben die beiden Landesverbände. Es liest sich wie eine Drohung. Auch in Richtung Sigmar Gabriel.