Bis 2003 hat die Nürnberger Flughafen-Feuerwehr Brandübungen veranstaltet, bei denen Löschschaum eingesetzt war, der poly- und perfluorierte Kohlenstoffverbindungen (PFC) enthielt. Ab 2003 hat die Feuerwehr ihre Übungen auf eine gasbetriebene Brandsimulationsanlage umgestellt. Doch sind vor allem im Bereich des Löschbeckens Ost die PFC ins Erdreich eingedrungen.
Im Boden und im Grundwasser werden die gesetzlichen Grenzwerte deutlich überschritten. Laut Nürnberger Zeitung (NZ) sind die Chemikalien in diesem Bereich auch in größere Tiefen eingedrungen. Vom Löschbecken Ost fließt angebliches kontaminiertes Wasser in den Bucher Landgraben und das Biotop Ziegellach. Bei einer Überprüfung konnte dort 2014 allerdings kein Gifteintrag nachgewiesen werden.
PFC sind kaum natürlich abbaubar
PFC, auch genannt Perfluorierte Tenside, sind kaum natürlich abbaubar und verbleiben daher sehr lange in der Umwelt. Sie reichern sich in der Umwelt und in Organismen an und wirken zudem – laut Umweltbundesamt – gesundheitsschädlich auf den Menschen. Wie die Behörde weiter ausführt, kommen PFC nicht natürlich vor, sondern werden ausschließlich technisch hergestellt.
Chemisch gesehen bestehen PFC aus Kohlenstoffketten verschiedener Längen, bei denen die Wasserstoffatome vollständig (perfluoriert) oder teilweise (polyfluoriert) durch Fluoratome ersetzt sind. Polyfluorierte Chemikalien können zu perfluorierten Stoffen abgebaut werden und werden daher als Vorläufer bezeichnet. Die Stoffgruppe umfasst mehr als 800 Stoffe. Die bekanntesten Vertreter sind die Perfluoroktansulfonsäure (PFOS) und die Perfluoroktansäure (PFOA).
Bau der Nordanbindung ist gestoppt, solange das PFC-Problem nicht gelöst ist
Problematisch und vordringlich ist die Sache aus politischer Sicht vor allem deshalb, weil der Bau der dringend nötigen Nordanbindung des Flughafens an die Autobahn A3 gestoppt ist, so lang das Giftproblem besteht. Der Planfeststellungsbeschluss legt fest, dass das PFC vor Baubeginn beseitigt sein muss. Zum Bau eines Tunnels unter der Start- und Landebahn für die Anbindung müsste sehr viel Wasser abgepumpt werden, das freilich belastet ist.
Die Nordanbindung mit einem Tunnel unter Start- und Landebahn ist notwendig, weil die Straßenverbindung zum Flughafen derzeit nur einspurig durch das Knoblauchsland erfolgt. Zudem werden die Nürnberger Stadtteile Ziegelstein und Thon massiv belastet. Der Bau der Nordanbindung ist abgesehen von der PFC-Frage genehmigt, es besteht Baurecht.
Politisch gewollter Schildbürgerstreich
Man sollte also meinen, die Lösung läge nahe: Das Erdreich wird abgetragen und anderswo behandelt oder eingelagert, neue Erde wird an die Stelle gebracht, dann kann gebaut werden. Aber die Stadt Nürnberg ist grundsätzlich gegen die Nordanbindung, die CSU wurde im Stadtrat überstimmt. Der Umweltausschuss des Stadtrats hat eine – wie die Nürnberger Nachrichten (NN) schreiben – „Fachfirma“ beauftragt, sich des Falles anzunehmen.
Diese „Experten“ haben dem Umweltausschuss des Stadtrats nun einen Alternativvorschlag gemacht, der sich wie ein Schildbürgerstreich anhört: Sie raten dazu, das kontaminierte Erdreich nicht abzutragen, sondern an Ort und Stelle zu belassen und abzudichten. Dazu soll die Entwässerung rund um das Areal verbessert werden, mehrere Brunnen- und Filteranlagen sollen zur Grundwasserreinigung dienen.
Kann es Sinn eines Flughafens sein, als eine Art Sondermülldeponie zu dienen?
Allerdings dauert dieser Vorgang schlappe 20 Jahre, was den Baubeginn der Nordanbindung ungefähr auf Sankt Nimmerlein verschieben würde – was möglicherweise auch das Ziel dieses Vorschlags ist. Von den prognostizierten Kosten in Höhe von kurzfristig 3,2 Millionen Euro und auf Sicht von 20 Jahren 9,6 Millionen Euro soll hier gar nicht die Rede sein. Zusätzlich stellt sich die Frage, ob eine Abdichtung des Erdreichs überhaupt als „Beseitigung“ des PFC anzusehen ist – und die Bedingung des Planfeststellungsbeschlusses damit erfüllt wäre.
Dieser drei Hektar große Bereich im Flughafenareal, rund um das Löschbecken Ost, würde dann, wenn die vergiftete Erde abgedichtet ist und an Ort und Stelle verbleibt, praktisch zu einer Sondermülldeponie. Die kontaminierte Erde aus anderen Bereichen, rund um das Löschbecken West sowie merkwürdigerweise genau von den Stellen, wo Nord- und Südportal des Tunnels geplant sind, sollte laut den „Experten“ dann ebenfalls dort aufgehäuft werden. Kann es wirklich Sinn eines Flughafens sein, dass dort auf mehreren Hektar Fläche kontaminierte Erde abgedichtet und gelagert wird?
Die CSU fordert eine wesentlich schnellere Lösung
Diese Aussichten gefallen der CSU-Fraktion im Nürnberger Stadtrat überhaupt nicht. „Es darf keine Jahrzehnte dauern, bis wir dort weiterkommen. Es kommt darauf an, das schnellste Verfahren anzuwenden, um die Verunreinigungen zu beseitigen“, betont Fraktionschef Sebastian Brehm gegenüber dem BAYERNKURIER. „Sobald das geschehen ist, gilt Baurecht für die Nordanbindung. Wir können damit endlich den Flughafen besser erreichbar machen und die angrenzenden Stadtteile deutlich vom Verkehr entlasten.“
Die Grünen im Stadtrat jubilieren indes ob der Aussicht, mit einer 20 Jahre dauernden Abdichtung des Erdreichs die Nordanbindung faktisch zu verhindern. Stadträtin Britta Walthelm behauptet in den NN: „Die Voraussetzungen des Planfeststellungsverfahrens, dass PFC nicht die Baumaßnahmen beeinflusst, werden in absehbarer Zeit nicht gegeben sein.“
PFC-Probleme auch in der US-Base in Katterbach bei Ansbach
In der großen US-Kaserne mit Militärflugplatz in Katterbach östlich von Ansbach ist ebenfalls PFC im Grundwasser nachgewiesen worden. Das berichtet die Fränkische Landeszeitung (FLZ). Die Chemikalie ist demnach – wie beim Nürnberger Flughafen – aus dem Löschschaum der Feuerwehr bei Übungen in den Boden gelangt. Hier empfiehlt eine Machbarkeitsstudie, das verseuchte Wasser im Boden westlich des Flugfelds zu sammeln, an die Oberfläche zu befördern und nach der Reinigung in den Katterbach einzuleiten.
Wie die FLZ schreibt, ist dazu nach Absprache mit den US-Streitkräften seit Mai eine Pilotanlage in Betrieb. Ende 2016 soll eine permanente Anlage diese Aufgabe übernehmen. In Katterbach sind vor allem Transporthubschrauber-Einheiten der US-Heeresflieger stationiert. Früher gab es hier auch Panzer-Einheiten.