Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer. (Foto: CSU)
Zukunft der EU

„Wir brauchen ein Europa für die großen Fragen“

In einem Interview kritisiert Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer den Zustand der Europäischen Union. Den politisch Verantwortlichen wirft er unzureichendes Handeln vor und nennt als Beispiel die Flüchtlingskrise. Auch ein Jahr nach Beginn der Massenzuwanderung gelinge es nicht, die europäischen Außengrenzen wirksam zu kontrollieren.

Wenige Tage vor der Brexit-Entscheidung in Großbritannien hat sich Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer besorgt über den Zustand der europäischen Union geäußert. In einem Interview mit der Schwäbischen Zeitung sagte Seehofer, „Skepsis und Ablehnung“  seien in fast allen Ländern Europas auf dem Vormarsch. Verantwortlich für diese Entwicklung ist nach Seehofers Auffassung  ein „unzureichendes Handeln der politischen Eliten“. Europa, so der CSU-Vorsitzende, drohe in einer „Flut von Reglementierungen“ zu ertrinken, schaffe es aber nicht, die wirklich großen Probleme zu lösen.

Seehofer kritisiert Versagen in der Flüchtlingskrise

„Wir brauchen weniger Europa für die kleinen Fragen, wie Düngemittelverordnungen und Staubsaugernormen, und mehr Europa für die großen Fragen“, forderte Seehofer. „Es wäre zum Beispiel eine wichtige europäische Aufgabe, den Schutz der Außengrenzen zu gewährleisten, statt Flüchtlinge in ganz Europa herumzufahren, langwierige Verfahren durchzuführen und einen Teil von ihnen dann doch wieder zurückzuschicken. Das ist Ausdruck eines Versagens.“

Man schätzt, dass bis 2030 noch einmal 18 Millionen Menschen nach Europa drängen. Hierfür brauchen wir schnell europäische Lösungen.

Horst Seehofer

Nicht einmal bis heute, bald ein Jahr nach Beginn der Krise, so Seehofer, habe Europa es geschafft, seine Außengrenzen richtig zu kontrollieren. „Es muss doch möglich sein, die Asylverfahren an den Außengrenzen rechtsstaatlich einwandfrei durchzuführen und dann die Flüchtlinge in Europa zu verteilen“, so Bayerns Ministerpräsident. Das Zuwanderungsproblem werde bleiben, zeigte sich Seehofer überzeugt. „Wir haben nur eine Atempause. Man schätzt, dass bis 2030 noch einmal 18 Millionen Menschen nach Europa drängen. Hierfür brauchen wir schnell europäische Lösungen.“

Europa als „geniale Idee“

Unabhängig vom Ausgang der Entscheidung in Großbritannien müsse sich Europa fragen, warum „die Skeptiker der europäischen Idee, die eine grandiose Idee ist, immer mehr Zustimmung“ fänden. Seehofer bezeichnete im Interview mit der Schwäbischen Zeitung Europa als eine „geniale Idee und die beste Antwort auf die dunklen Kapitel unserer Geschichte“. Das Europa der letzten 60 Jahre sei eine Erfolgsgeschichte, so Seehofer. „Die sollten wir nicht kleinreden.“

Seehofer nannte Angela Merkels Politik in der Flüchtlingskrise als einen Grund für die derzeitig schwierige Lage der EU. Ihr Verhalten habe „auf jeden Fall Belastungen mit sich gebracht“, sagte Seehofer. „An der Beurteilung, dass vieles falsch gelaufen ist, ändere ich nichts.“

CSU und CDU setzen auf Gemeinsamkeit

Dennoch zeigte sich der CSU-Vorsitzende überzeugt, dass die geplante, gemeinsame Klausur von CSU und CDU am Ende dieser Woche in Potsdam erfolgreich verlaufen werde. „Wir wollen uns nicht mit der 30. Wahlanalyse beschäftigen, sondern mit den großen Entwicklungslinien weltweit und in Deutschland“, sagte Seehofer. „Wir wollen die Gemeinsamkeit und werden alles dafür tun. Aber es darf keinen Deal geben, bei dem kein Profil mehr sichtbar ist. Wir müssen sehr klar sagen, wohin wir unser Land in den nächsten Jahren führen wollen.“ Aus heutiger Sicht werde das gelingen.

Ähnlich zuversichtlich äußerte sich auch CDU-Generalsekretär Peter Tauber: „Dass die beiden Unionsparteien gemeinsam in den Wahlkampf ziehen, ist schon vor der Arbeitstagung klar.“ Tauber versicherte nach einer Vorstandssitzung in Berlin: „Mit preußischer Disziplin und bayerischer Geradlinigkeit werden wir sechs verschiedene große Themen diskutieren.“ Dazu gehören Europa, Wettbewerbsfähigkeit, Innovation, Digitalisierung, Zusammenhalt der Gesellschaft und Migration.