In Deutschland sind nur wenige Frauen in der verarbeitenden Industrie beschäftigt. (Foto: imago)
Gehälter

Viele Gründe für die Lohnlücke

SPD-Familienministerin Manuela Schwesig möchte die Gehaltsunterschiede zwischen Männern und Frauen per Gesetz verringern. Der Union geht ihr Vorschlag zu weit. Eine neue Studie legt jetzt nahe, dass es überhaupt keinen Anlass für staatliches Eingreifen gibt. Die Lohndifferenzen lassen sich weitestgehend erklären.

Für Familienministerin Manuela Schwesig ist es eine der großen Ungerechtigkeiten im Land: der Gehaltsunterschied zwischen Männern und Frauen, den sie unter Berufung auf das Statistische Bundesamt auf 21 Prozent beziffert. Die SPD-Politikerin will daran etwas ändern – mit einem Gesetz für Lohngerechtigkeit. Demnach soll sich künftig jeder Arbeitnehmer mit seinen Kollegen vergleichen können. Dazu, so Schwesigs Entwurf, soll er die Gehälter von „mindestens fünf Beschäftigten des jeweils anderen Geschlechts“ erfahren. Zeige sich Benachteiligung müsse der Arbeitgeber diese beseitigen oder nachweisen, dass er gerecht bezahle. Zudem möchte die SPD-Frau alle Betriebe ab 500 Mitarbeitern dazu verpflichten, regelmäßig zu prüfen, ob sie mit Blick auf die Geschlechter gerecht bezahlen. In einem „Lagebericht“ müssten sie darlegen, ob sie Frauen fördern und für Lohngerechtigkeit sorgen.

Mittelstands-Union warnt vor Einheitslöhnen

CSU und CDU lehnen diesen Gesetzesvorschlag ab. Sie wollen, wie im Koalitionsvertrag vereinbart, dass die Auskunftspflicht nur für Unternehmen mit mehr als 500 Beschäftigten gilt – nicht wie von Schwesig geplant, für alle Firmen. Ähnlich wie die Wirtschaft sehen sie zusätzliche Belastungen für die Betriebe durch neue Vorschriften und Regeln. Die CSU-Mittelstands-Union erklärt, das von Schwesig erarbeitete Gesetz sei „ungeeignet“. Es berufe sich auf fragwürdige Statistiken, bedrohe die Vertragsfreiheit und sei unverhältnismäßig. „Stattdessen ist es ein typisches Beispiel für sozialdemokratische Regelungswut und kritiklosen Transparenzoptimismus“, kritisieren die CSU-Wirtschaftspolitiker.

Das Entgeltgleichheitsgesetz wäre ein erster Schritt zu ,Einheitslöhnen‘ ohne Verhandlungsspielraum für Arbeitnehmer und Arbeitgeber und unter Aufgabe der Leitungskomponente.

CSU-Mittelstands-Union

Ein „Auskunftsanspruch“ auch bei kleinen Unternehmen bedeute zusätzliche Bürokratie, so die Mittelstands-Union. Der geforderte Vergleich mit fünf anonymisierten Kollegen in vergleichbarer Stellung ginge an den Realitäten zum Beispiel in kleinen Unternehmen oder StartUps vorbei. Zudem fürchtet die Mittelstands-Union, dass ein mögliches Klagerecht des Arbeitnehmers gegenüber dem  Arbeitgeber, bei dem dann die Beweislast im Hinblick auf fachliche Gründe der Schlechterbezahlung liege, eine Klagewelle auslösen könnte. „Das Entgeltgleichheitsgesetz wäre ein erster Schritt zu ,Einheitslöhnen‘ ohne Verhandlungsspielraum für Arbeitnehmer und Arbeitgeber und unter Aufgabe der Leitungskomponente“, warnen die Wirtschaftspolitiker der CSU.

Die Annahme, bei der Lohnlücke handele es sich um Diskriminierung durch die Unternehmen, ist unsachgemäß.

Michael Hüther, IW Köln

Doch muss der Staat sich überhaupt in die Lohnfindung einmischen? Eine neue Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts IW Köln weckt daran beträchtliche Zweifel. Die Wirtschaftsforscher haben sich angesehen, woher die vom Statistischen Bundesamt ermittelte Lohnlücke zwischen Männern und Frauen kommt. Tatsächlich lässt sich der allergrößte Teil des Gehaltsunterschieds sehr genau erklären. Allein die Unterschiede in der Berufserfahrung von Männern und Frauen machen demnach 20 Prozent der Gehaltslücke aus. Die verschiedenen Branchen, in denen Männer und Frauen arbeiten, erklären weitere 15 Prozent. Frauen, so das IW Köln, seien „in Hochlohnbranchen unterrepräsentiert“. So seien „gut drei Viertel aller Stellen in den – eher niedrig entlohnten – Bereichen Erziehung und Unterricht sowie im Gesundheits- und Sozialwesen von Frauen besetzt“, schreibt das IW Köln. Im in der Regel besser bezahlenden verarbeitenden Gewerbe seien es weniger als drei von zehn.

Viele geringqualifizierte Beschäftigte

Als eine weitere Erklärung für den statistisch großen Lohnunterschied führt das IW Köln die hohe Beschäftigungsquote von Frauen an. Hierzulande betrage die Erwerbsquote von Frauen inzwischen 70 Prozent. Dies führe dazu, dass in Deutschland auch relativ viele geringqualifizierte Frauen in Lohn und Brot stünden. Während in Deutschland rund 42 Prozent der geringqualifizierten Frauen im Jahr 2015 einer Erwerbstätigkeit nachgingen, habe dieser Anteil beispielsweise in Polen nur knapp 17 Prozent betragen. Es falle auf, so das IW Köln, dass dort auch der durchschnittliche Verdienstunterschied zwischen Frauen und Männern relativ gering sei.

Kein Anlass für staatliches Handeln

Letztendlich, so das Ergebnis der IW-Studie, bleibe als „unerklärter Anteil“ eine Lohndifferenz zwischen Männern und Frauen von 3,8 Prozent übrig. Zu den in der Studie nicht berücksichtigten Faktoren zählen laut IW etwa „persönliche Präferenzen oder die individuelle Risikoneigung“. Es sei davon auszugehen, schreiben die Wirtschaftsexperten, dass „keine statistisch signifikante Entgeltlücke verbleiben würde, wenn alle Einflussfaktoren der Entlohnung berücksichtigt werden könnten“.

Für IW-Direktor Michael Hüther ist das Resultat der Studie eindeutig: „Die Annahme, bei der Lohnlücke handele es sich um Diskriminierung durch die Unternehmen, ist unsachgemäß“, sagt er. Mit dieser Behauptung ignoriere man „systematische Unterschiede in den Erwerbsbiografien und im Erwerbsverhalten“, durch die sich die Gehaltsdifferenz zwischen Männern und Frauen nahezu vollständig erklären lasse. Es sei „unangemessen“, Geschäftsführungen, Betriebsräte oder die Tarifvertragsparteien für diese Unterschiede verantwortlich zu machen. Hüthers Fazit: „Der Politik fehlt damit die entscheidende Begründung für das Lohngerechtigkeitsgesetz.“