Pegida-Demonstranten protestieren gegen die Bilderberg-Konferenz in Dresden. (Foto: xcitepress/imago)
Bilderberg in Dresden

Welttreffen der Verschwörungstheoretiker

Die sagenumwobene Bilderberg-Konferenz findet heuer ausgerechnet in Dresden statt – der Hauptstadt der Pegida, die sich ja teilweise aus Verschwörungstheoretikern speist. Die Konferenz vereint seit 1954 Entscheidungsträger aus Staat und Wirtschaft, die sich hier ungeschminkt die Meinung sagen, aber öffentlich darüber schweigen. Daher sehen Verschwörungstheoretiker darin eine geheime Weltregierung.

Ein Grundsatz der Bilderberg-Konferenzen lautet, dass möglichst wenig Informationen nach außen dringen sollen, schon gar keine wörtlichen Zitate mit Quellenangabe, damit man sich innen, hinter verschlossenen Türen, ungeschminkt und offen die Meinung sagen kann. Seit 1954 ist das so, als Prinz Bernhard der Niederlande die Mächtigen der westlichen Welt ins Hotel Bilderberg in Oosterbeek einlud, um beginnenden Spannungen zwischen Westeuropa und den Vereinigten Staaten vorzubeugen. Der Anstoß kam damals von Józef Retinger, einem Freund Churchills, Pro-Europäer und vorher Berater der polnischen Exilregierung in London. Seit 1954 kommen regelmäßig rund 130 geladene Vertreter aus Politik, Wirtschaft, Wissenschaft, Medien und Militär einmal im Jahr unter diesem Titel zusammen – bis 1989 ausschließlich aus Nato-Staaten, seither auch aus anderen Ländern.

Es ist auch nicht die einzige derartige informelle, privat organisierte Konferenz von Mächtigen aus verschiedenen Bereichen und verschiedenen Länder der Welt: Es gibt auch noch das jährliche Weltwirtschaftsforum im verschneiten Davos und die Sicherheitskonferenz in München. Aber die Bilderberg-Treffen finden nun einmal grundsätzlich diskret und unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Daher sind sie so etwas wie die Hauptbrutstätte der Verschwörungstheorien – etwa gleichauf mit den Gerüchten um die geheime „Area 51“ im südlichen Nevada, wo die US-Regierung angeblich seit den 1950er-Jahren die Leichen von abgestürzten Außerirdischen versteckt hält. Oder auch die Zweifel an der Authentizität der Mondlandung 1969 sowie die nie verstummenden Gerüchte, dass in Wirklichkeit CIA und Mossad hinter den Anschlägen vom 11. September 2001 stecken.

Ausgerechnet Dresden

In der Tat haben die Organisatoren immer ein wenig in die Zukunft gedacht und Leute eingeladen, die großen Einfluss haben oder demnächst bekommen könnten. So verweisen die Verschwörungstheoretiker immer wieder darauf, dass Bill Clinton zuerst 1991 bei der Bilderberg-Konferenz war und dann 1993 US-Präsident wurde. Ob beide Tatsachen miteinander in kausalem Zusammenhang stehen, darf freilich bezweifelt werden. Auch Angela Merkel soll hier 2005, kurz vor ihrer Wahl zur Kanzlerin, eingeladen gewesen sein, ebenso Helmut Kohl 1980 und 1982, also ehe er Kanzler wurde. In mindestens einem Fall müssen sich die Bilderberg-Organisatoren aber kräftig vertan haben, wenn man den unbestätigten Berichten glauben darf: So war 2012 angeblich der Grünen-Spitzenkandidat Jürgen Trittin zu Gast, vermutlich als angehender Außen- oder Finanzminister Deutschlands. Doch so weit kam es ja dann glücklicherweise nicht.

Reger Austausch

Ein Erfolgsgeheimnis der Bilderberg-Konferenzen könnte auch sein, dass zwei Drittel der Besucher jedes Jahr neu eingeladen, also jährlich ausgetauscht werden. Kommen darf nur, wer ausdrücklich vom Vorsitzenden oder den beiden Generalsekretären eingeladen ist. Derzeit liegt der Vorsitz beim Vorstand des Axa-Versicherungskonzerns, Henri de Castries, einem Freund des ehemaligen französischen Präsidenten Nicolas Sarkozy. Dabei haben die Konferenzen keine feste Organisationsstruktur, es gibt keinen Gründungsvertrag, keine formelle Mitgliedschaft oder dergleichen. Wie zu lesen ist, werden die Teilnehmer stets so ausgewählt, dass eine „wohlinformierte, ausgeglichene Diskussion“ über die vorgegebenen Tagesordnungspunkte sichergestellt ist. In der Regel kommen zwei Drittel der Teilnehmer aus Westeuropa, ein Drittel aus Nordamerika. Etwa zwei Drittel der Teilnehmer stammen jedes Jahr aus Wirtschaft, Forschung und Medien, etwa ein Drittel aus Politik und staatlichen Institutionen.

Formelle Beschlüsse werden keine getroffen, nur Referate gehalten und Diskussionen geführt. Wie der ehemalige Nato-Generalsekretär Willy Claes, zweimaliger Bilderberg-Teilnehmer, 2010 in einem Interview erzählte, referiert jeder Teilnehmer rund zehn Minuten zu einem der Themen. Heuer geht es laut FAZ um technische Innovationen, die Einheit Europas, um Russland, China, den Mittleren Osten, die Vereinigten Staaten sowie um Energie- und Rohstoffpreise, um Prekariat und Mittelklasse und um Internetsicherheit. Mit dabei ist heuer wieder einmal der aus Fürth stammende Ex-US-Außenminister Henry Kissinger – ein Stammgast –, außerdem König Willem-Alexander der Niederlande, Airbus-Chef Tom Enders, BDI-Präsident Ulrich Grillo und Google-Chef Eric Schmidt. Die Bundesregierung wird in Dresden durch Finanzminister Wolfgang Schäuble, Innenminister Thomas de Maizière und Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (alle CDU) vertreten. Kanzlerin Merkel, Kanzleramtsminister Altmeier, Wirtschaftsminister Gabriel und Außenminister Steinmeier sagten ihre Teilnahme ab.

Hier treffen sich Rechtspopulisten, linke Krawallmacher und Aluhut-Träger

Und nun findet bis Sonntag die 64. Bilderberg-Konferenz ausgerechnet in Dresden statt – der Stadt, in der seit zwei Jahren regelmäßig Pegida gegen die Unterwanderung Europas durch den Islam im Besonderen und die dunklen Mächte im Allgemeinen demonstriert. Das geht vom Vorwurf der „Lügenpresse“ bis zu „Volksverrätern“, womit Politiker gemeint sind, vor allem die in Berlin. Neben Abneigung gegen den Islam und die betreffenden Zuwanderer herrscht auf diesen Protestmärschen ein allgemeiner Argwohn gegen „die da oben“. Die Bilderberg-Konferenz ist so etwas wie die Verkörperung der Angst dieser Menschen: Sie sehen in dem diskreten Treffen der Mächtigen so etwas wie die geheime Weltregierung.

Demonstrationen der skurilen Art

Was vorhersehbar war: Ein Dutzend Organisationen haben in Dresden Demonstrationen gegen die Bilderberg-Konferenz angemeldet. Dabei reicht das Spektrum von Rechtsextremisten und Rechtpopulistischen wie NPD, Pegida und AfD, die bewusst Angst in der Bevölkerung schüren, um darauf ihr politisches Süppchen zu kochen, über linksradikale Autonome wie die „Antifaschistische Aktion“, bis hin zu eher anarchistischen Internet-Aktivisten wie „Anonymous“ und „Lovestorm People“, wie die FAZ aufzählt. Die treffen sich in Dresden mit hauptberuflichen Verschwörungstheoretikern, die sich vor der „heimlichen Weltregierung“ der Bilderberg-Konferenzen ebenso fürchten wie vor der Machtübernahme durch Außerirdische oder Echsenmenschen, Elektrosmog, Erdstrahlen und den Kondensstreifen von Flugzeugen.

Weil Störungen am Rand der Demonstrationen sehr wahrscheinlich sind, sichert der Freistaat Sachsen die Konferenz mit 400 Polizisten im Dauereinsatz ab. Ein Flugverbot für Drohnen soll Paparazzi und Spionen das Ausspähen schwermachen. Interessantes am Rande: Die SED-Erben der Linkspartei haben diesmal darauf verzichtet, mit zum Protest aufzurufen. Trotz des neoliberalen Charakters der Veranstaltung wolle man nicht nachträglich den Sicherheitsaufwand legitimieren, sagte der Parteichef der Linken in Sachsen, Rico Gebhardt, der FAZ. Im Übrigen wolle er auch nicht „mit Rechtspopulisten, Reichsbürgern und Aluhüten“ in einen Topf geworfen werden.