Traktoren-Parade: Bauern protestieren während des Münchner Landwirtschaftsgipfels vor der Staatskanzlei. (Foto: Gregor Dolak)
Milchkrise

In drei Schritten zur „Mengendisziplin“

Nach dem Landwirtschaftsgipfel in München drängen Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt und sein bayerischer Kollege Helmut Brunner auf eine sinkende Milchproduktion: Erst sollen Bauern und Molkereien in Eigenregie weniger herstellen. Falls das nicht reicht, folgen staatliche Reglementierung und Druck auf europäischer Ebene.

Nach dem Landwirtschaftsgipfel in der Münchner Staatskanzlei drängen die Agrarpolitiker aus Bundesregierung und dem Freistaat Bayern auf eine Lösung der Milchkrise in drei Schritten. Im ersten sollen Bauern und Molkereien noch in eigener Regie versuchen, die produzierte Milchmenge zu reduzieren – um so wieder einen besseren Preis erzielen zu können. Diese Lösung präferiert Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt, der am heutigen Dienstag mit seinen Länderkollegen am Hilfsprogramm für die deutschen Landwirte arbeitet. Ziel: 100 Millionen Euro Liquiditätshilfen „plus X“, wie Schmidt hofft.

Kommen die Markt-Beteiligten jedoch nicht zu einer einvernehmlichen Senkung der Produktionsmengen, soll Schritt 2 folgen, wie ihn Bayerns Landwirtschaftsminister Helmut Brunner bevorzugt: eine so genannte „Mengendisziplin“ unter staatlicher Aufsicht. Dabei sollen in Not geratene Bauernhöfe öffentliche Finanzhilfen nur bekommen, wenn sie nicht über eine vorgeschriebene Menge Milch hinaus produzieren. Ausdrücklich keine neue Milchquote, betont Bundesminister Schmidt. Sondern eine „flexible Maßnahme zur vorübergehenden Mengengestaltung“, wie es Kollege Brunner formuliert. Falls aber auch diese nicht zu einer tragfähigen Lösung führt, wollen beide im dritten Schritt auf europäischer Ebene Druck erzeugen, damit die Milch-Überproduktion auf dem gesamten Kontinent sinkt.

Bauern stellen sich bereits quer

Dass Schritt 1 funktionieren könne, stellte der Präsident des Bayerischen Bauernverbandes Walter Heidl, nach dem Landwirtschaftsgipfel allerdings bereits wortreich in Frage. Nach seiner Darstellung zwingt die Art und Weise, in welcher die Preise an den regionalen Milchmärkten zustande kommen, seine Mitglieder regelrecht, mehr zu melken und zu verkaufen. Jedenfalls habe der einzelne Hof keinen wirklichen Anreiz, weniger Milch herzustellen. Ihre Probleme selbst in die Hand zu nehmen, dazu sind die Bauern nach eigener Auskunft offenbar nicht willens oder fähig. Auch der Sprecher des konkurrierenden Bundesverbandes Deutscher Milchviehhalter, Hans Foldenauer, betonte: „Bei den strukturellen Lösungen darf man nicht auf die Branche vertrauen.“

Die Vitalität ländlicher Räume gerät in Gefahr.

Helmut Brunner, Agrarminister

Wie aber soll es in der Krise mit einer Branche weitergehen, auf deren vernünftige Verhandlungsfähigkeit nicht zu vertrauen ist? Die Bauern sehen sich in einer stark konzentrierten Ökonomie aus einigen sehr großen Milch-Konzernen und nur mehr wenigen genossenschaftlichen Molkereien, sowie einer Handvoll großer Supermarktketten in die Defensive gedrängt. Jedenfalls solange sie weiterhin zu viel Milch auf den Markt schütten. Seit der Abschaffung der Milchquote im Frühjahr 2015 ist die Produktion in ganz Europa um 9,6 Prozent gestiegen. Der Preis, den sie pro Liter von den Molkereien vergütet bekommen, ist von einst 40 Cent mit starken regionalen Schwankungen teils bis auf fast 20 Cent gefallen.

Bayerns Agrarminister Brunner warnt: „Es geht um mehr als um Lebensmittel und Preise. Es geht um das Gesicht Bayerns.“ Von den 75.000 deutschen Milchbauernhöfen stehen 32.000 im Freistaat. Wenn viele Familienbetriebe bedroht sind, gerät nach Brunners Auffassung über Kaufkraftverlust und Arbeitslosigkeit „die Vitalität ländlicher Räume in Gefahr“.

Forderungen des bayerischen Kabinetts

In der Kabinettssitzung am Tag nach dem Landwirtschaftsgipfel legte das Kabinett von Ministerpräsident Horst Seehofer einen Forderungskatalog nach. An die EU gerichtet: Die Kommission in Brüssel solle ihre Exportmarktinitiativen für Europas überschüssige Lebensmittel verstärken, EU-Lebensmittel in Krisenbrennpunkten bereitstellen, sowie Hermesbürgschaften für Milch-, Getreide- oder Fleisch-Exporteure gewähren. An die Bundesregierung gerichtet: Sie solle ein Soforthilfepaket in der Höhe von 2 x 100 Millionen Euro anschieben, steuerliche Hilfen ermöglichen. Außerdem solle sie das Verbot unbefristet verlängern, wonach Supermarktketten und der Lebensmitteleinzelhandel ihre Waren nicht unter dem Einkaufspreis veräußern dürfen. So könnte die nach unten tendierende Preisspirale durchkreuzt werden.