Streit vor dem Krisengipfel
Der Milchgipfel des Bundesagrarministers soll konkrete Lösungen für die Krise der Milchbauern bringen. Doch jetzt ist ein Streit darüber entbrannt, wer an der Gesprächsrunde teilnehmen darf. Horst Seehofer plant derweilen für Anfang Juni ebenfalls ein Treffen mit Vertretern der Landwirtschaft, um die Situation der Bauern zu verbessern.
Milchpreise

Streit vor dem Krisengipfel

Der Milchgipfel des Bundesagrarministers soll konkrete Lösungen für die Krise der Milchbauern bringen. Doch jetzt ist ein Streit darüber entbrannt, wer an der Gesprächsrunde teilnehmen darf. Horst Seehofer plant derweilen für Anfang Juni ebenfalls ein Treffen mit Vertretern der Landwirtschaft, um die Situation der Bauern zu verbessern.

Seit Tagen demonstrieren Milchbauern vor dem Wahlkreisbüro von Bundesagrarminister Christian Schmidt (CSU) in Neustadt/Aisch. Sie fordern höhere Milchpreise und haben angekündigt, sie wollten bis zum angekündigten Milchgipfel am 30. Mai dem Minister „auf die Pelle rücken“. Für Ärger sorgt nämlich inzwischen nicht nur der Milchpreis – er liegt teilweise bei unter 20 Cent – sondern auch die Einladungsliste zum Milchgipfel. Schmidt hatte das Gespräch Anfang Mai vorgeschlagen, um zu einer Lösung für die weiter andauernde Krise auf den Höfen zu kommen.

Streit über Gästeliste

Das Treffen wird voraussichtlich ohne einen Teil der Milchbauern, die sich in ihrer Existenz bedroht sehen, stattfinden. Wie das Bundeslandwirtschaftsministerium laut FAZ bestätigte, seien weder die Agrarminister der Länder eingeladen, noch der Milchbauernverband BDM. Einzig der Deutsche Bauernverband ist als Vertreter der Landwirtschaft vorgesehen und mit seinen Molkereien und Handelsvertretern dabei.

Dass der Bund deutscher Milchviehalter (BDM) nicht auf der Teilnehmerliste steht, begründet das Bundeslandwirtschaftsministerium gegenüber top agrar: „Die Interessen der meisten der rund 73.000 Milch-Betriebe in Deutschland werden vom Deutschen Bauernverband vertreten. Der BDM vertritt nach eigenen Angaben etwa 20.000 Milchbauern“. Zwischen Bundeslandwirtschaftsminister Christian Schmidt und Vertretern des BDM sei es in der Vergangenheit mehrfach in Gesprächen zum Meinungsaustausch gekommen, heißt es im BMEL weiter: „Die Positionen des BDM sind dem Bundeslandwirtschaftsministerium deshalb bekannt“. Schmidt erklärte anlässlich der Proteste des BDM vor seinem Wahlkreisbüro:

Es ist nicht fair, wenn die bäuerlichen Familien für alle Verwerfungen des Milchmarktes alleine aufkommen sollen. Deshalb müssen die Risiken innerhalb der Wertschöpfungskette fairer zwischen den Bauern, den Molkereien und dem Einzelhandel verteilt werden. Mit einer Reihe von Maßnahmen, angefangen bei Liquiditätshilfen, über Änderungen am Agrarmarktstrukturgesetz bis hin zur erweiterten Gemeinschaftsaufgabe Agrarstruktur und Küstenschütz, die das Umfeld der bäuerlichen Landwirtschaft stärken wird, haben und werden wir unsere Bauern tatkräftig unterstützen.

Christian Schmidt, Bundesagrarminister

Bauernkrise wird Thema für Seehofer

Auch in den einzelnen Bundesländern laden die Minister zu Gesprächen über die Situation in der Landwirtschaft. So empfängt Horst Seehofer Anfang Juni Vertreter des Bauernverbands, der Milchbauernorganisation BDM und weiterer landwirtschaftlicher Verbände in der Staatskanzlei. Dabei sein sollen auch Bundesagrarminister Christian Schmidt, sein bayerischer Kollege Helmut Brunner und Umweltministerin Ulrike Scharf.

Mit dem Gipfel setzen wir ein klares Signal an unsere Bauernfamilien, aber auch an Politik und Gesellschaft: Bayern steht zu seinen Bauern.

Marcel Huber, Staatskanzleichef

Nicht nur die Milch, auch die Lage der Schweinehalter und Ackerbauern sowie umweltpolitische Fragen sollen Thema sein. Denn in Bayern sinkt die Qualität des Grundwassers an vielen Orten wegen intensiver Düngung der Felder. Konkrete Lösungsvorschläge erhofften sich die Politiker von den Vertretern der Verbänden, sagte Brunner gegenüber der Süddeutschen Zeitung. Staatskanzleichef Huber betonte, dass eine engere Bindung zwischen den Bauern als Lebensmittelerzeugern und den Verbrauchern als ihren Kunden nötig sei. „Die Zukunft der regionalen Landwirtschaft liegt auch in den Händen der Verbraucher“, sagte Huber. „Sie können durch ihre bewusste Entscheidung für heimische Produkte mithelfen, dass Preisdumping und Marktdruck nicht die Existenzen unserer bäuerlichen Familienbetriebe gefährden.“

Mehr Geld für ländliche Entwicklung in Bayern

Um die ländliche Entwicklung zu unterstützen fordert Agrarminister Helmut Brunner zudem einen höheren Etat: „Angesichts der gewaltigen Aufgaben, die vor unseren ländlichen Regionen liegen, müssen wir sie dabei unterstützen und dazu auch entsprechendes Geld in die Hand nehmen und Personal einsetzen“, sagte Brunner. Eine konkrete Summe nannte der niederbayerische CSU-Politiker zwar nicht – doch merkte er an, dass selbst eine Verdoppelung der bislang für die ländliche Entwicklung vorgesehenen rund 90 Millionen Euro sinnvoll sein könne. Das Agrarministerium war in den vergangenen Jahren stark von den Stellenkürzungen in der Staatsverwaltung betroffen.

Gestaffelte Preise und langfristige Verträge

Auch der baden-württembergische Landwirtschaftsminister Peter Hauk (CDU) kündigte für Anfang Juni einen „Milchgipfel“ an. Er wolle sich mit Vertretern von Bauern und Molkereien an einen runden Tisch setzen, sagte der CDU-Politiker.

Die Nahtstelle sind die Molkereien. Sie können die Mengen steuern.

Peter Hauk (CDU), Landwirtschaftsminister Baden-Württemberg

Die Vertragsbeziehungen zwischen ihnen und den Erzeugern müssten sich ändern. Hauk sprach sich gegenüber der FAZ für gestaffelte Preise aus, damit die Milcherzeuger eine bessere Planungssicherheit hätten. Dabei setzt Hauk auf die in Baden-Württemberg vorherrschenden genossenschaftlichen Molkereien. Sie könnten über ihre Satzung flexiblere Preise möglich machen. Außerdem müsse der Einzelhandel längerfristige Verträge abschließen. Heute hätten die Verträge zwischen den Molkereien und dem Handel oftmals nur Laufzeiten von sechs Monaten oder einem Jahr.

Hilfspaket statt Quote

Eine neue Milchquote kommt für Agrarminister Christian Schmidt (CSU) nicht in Frage. Für die Reduzierung der Milchmenge setzt er auf Freiwilligkeit.

Die Milchkrise muss im Markt gelöst werden.

Christian Schmidt (CSU), Agrarminister

Schon jetzt greift der Bund Bauern in Not finanziell unter die Arme. So planen CDU und CSU ein Hilfspaket von „100 Millionen Euro plus X“. Details stehen noch nicht fest, im Gespräch sind aber Zuschüsse zur Unfallversicherung, Bürgschaften, damit Banken den Landwirten weiter Geld leihen, und Freibeträge zum Abbau von Schulden.

dpa/FAZ/AS