Historischer Moment: Als erster offizieller Vertreter der Prager Regierung spricht der tschechische Kulturminister Daniel Herman beim Sudetendeutschen Tag. (Foto: Wolfram Göll)
Sudetendeutscher Tag

Historische Stunde in Nürnberg

Mit dem tschechischen Kulturminister Daniel Herman hat erstmals überhaupt ein Vertreter der Prager Regierung auf einem Sudetendeutschen Tag gesprochen. Er verurteilte das "menschenverachtende Verbrechen" der Vertreibung. Bayerns Ministerpräsident Horst Seehofer und der Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, Bernd Posselt, würdigten Hermans Rede als "historisches Ereignis".

„Wenn man ein friedliches Zusammenleben der Vöker will, gibt es zum Dialog keine Alternative“, betonte der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer. Die europäische Integration sei die genialste Idee der Nachkriegsgeschichte, erklärte Seehofer vor mehreren tausend Zuhörern auf dem Sudetendeutschen Tag in der Nürnberger Frankenhalle.

Europa sei über viele Jahrzehnte auch eine Erfolgsgeschichte gewesen, so der Ministerpräsident: Frieden, Freiheit und Aussöhnung kündeten davon. Man dürfe aber auch nicht übersehen, dass Europa im Ansehen der Bevölkerung eine große Vertrauenskrise durchlaufe, so Seehofer. „Es ist niemandem gedient, wenn man versucht, Kritik aus der Bevölkerung zu verschweigen, zu ignorieren oder den moralischen Ziegefinder zu erheben. Das verstärkt das Misstrauen der Bevölkerung noch.“

Integration als entscheidende Zukunftsfrage

Seehofer warnte, ohne gelingende Integration werde man die Zustimmung der Bevölkerung verlieren und die Sicherheitsprobleme nicht lösen. „Die, die zu uns kommen, müssen versuchen, ihren eigenen Lebensunterhalt zu verdienen, sich an Recht und Ordnung halten – und zwar nicht an religiöses Recht, sondern an unser deutsches Recht – und sie müssen mit uns Deutschen leben wollen“, so der Ministerpräsident.

Kein Land der Erde könne auf Dauer mehr als eine Million Flüchtlinge pro Jahr aufnehmen. Auch Deutschland werde das nicht schaffen. „Bei der Bekämpfung der Fluchtursachen hat die EU-Kommission kläglich versagt“, so Seehofer. Dies wäre wichtiger gewesen als neue EU-Normen für Staubsauger aufzustellen. Die USA nähmen nur 10.000 Flüchtlinge pro Jahr auf, klagte der Ministerpräsident – „das war in Bayern ein Tageskontingent im letzten Herbst“. Das ärgere ihn, weil gerade die USA an vielen der Fluchtursachen stark beteiligt seien, sagte Seehofer unter dem heftigen Beifall der Sudetendeutschen.

Dank an Balkanstaaten und Österreich

Dass derzeit nur noch einige hundert Flüchtlinge am Tag kämen, verdanke man den Balkanstaaten bis hin nach Österreich, die die Grenzen dicht gemacht hätten, so der Ministerpräsident. Eine Lösung erreiche die EU gewiss nicht, indem man sich von der Türkei abhängig mache. Die Grenze dahin, dass man sich von der Türkei und der Willkür von Präsident Erdogan abhängig mache, dürfe bei allen nötigen Verhandlungen nicht überschritten werden, betonte Seehofer.

Ziel müsse sein, dass direkt an den Außengrenzen der EU Beamte und Richter schnell und rechtsstaatlich über Asylansprüche entscheiden. Dann müsse in gerechter Weise in der EU verteilt werden. „Das ist menschlicher, als die Flüchtlinge in ganz Europa hin- und herzufahren, ellenlange Verfahren durchzuführen und die Menschen am Ende wieder zurückzuschicken. Das ist unmenschlich“, sagte der Ministerpräsident.

Staat hat Pflicht, Einreisen zu kontrollieren

Der Staat habe die Pflicht, die Übersicht zu behalten, wer sich im Land aufhalte. Da die EU das an den Außengrenzen nicht gewährleiste, müssten derzeit die Binnengrenzen kontrolliert werden. Das hätten mittlerweile auch die Bundesregierung und die EU-Kommission verstanden. Er habe kein Interesse daran, dass die Binnengrenzen auf Dauer geschlossen würden, betonte Seehofer. Sondern das Ziel sei immer, dass die Außengrenzen kontrolliert werden.

Bayern sei seit der Wiedervereinigung von elf auf beinahe 13 Millionen Einwohner angewachsen – die Hälfte aus dem restlichen Bundesgebiet, die andere Hälfte aus dem Ausland. „Vielfach wird so getan, als wollten wir uns abschotten, einen Zaun um das Land errichten. Das ist Unfug. Die Weltoffenheit ist ein Markenkern Bayerns.“ Bayern sei attraktiv, wirtschaftlich stark und trage mehr als die Hälfte des Länderfinanzausgleichs.

Bayern ist und bleibt christliches Land

Bayern sei auch ein christlich geprägtes Land, betonte Seehofer. „Unser Kompass ist das christliche Menschenbild, und es bleibt das christliche Menschenbild.“ Bayern sei tolerant gegenüber Andersdenkenden, aber das könne eine christlich geprägte Regierung nicht davon abhalten, ihre Politik nach dem christlichen Sittengesetz zu definieren. Die weitaus meisten Flüchtlinge Deutschlands seien in Bayern angekommen. Alle, die angekommen sind, seien anständig und human behandelt worden. Seehofer dankte dafür den Bürgern, Kirchen, Kommunen und Vereinen Bayerns.

Seehofer nannte den Sudetendeutschen Volksgruppensprecher Bernd Posselt einen „Handlungsreisenden in Sachen Völkerverständigung“. Niemand lege mehr Kilometer im Sinn der Versöhnung zurück als Posselt. Zurecht habe dieser den Preis „Brückenbauer 2016“ der Bavaria-Bohemia-Stiftung erhalten. Die politische Annäherung zwischen Bayern und Böhmen seit 2010 wäre ohne Posselts Engagement nicht möglich gewesen, betonte Seehofer. Der Ministerpräsident lobte, die Sudetendeutschen lebten in besonderer Weise die Werte des Gemeinschaftsgefühls und gegenseitiger Verantwortung vor, die die Bayern so sehr an ihrem Land schätzten. Er sei sehr stolz auf den Vierten Stamm Bayerns, so Seehofer.

Historischer Moment: Tschechischer Minister spricht offiziell bei Sudetendeutschen

Einen historischen Moment erlebten die heimatvertriebenen Sudetendeutschen, als mit Kulturminister Danel Herman erstmals überhaupt ein offizieller Vertreter der Prager Regierung ein Grußwort auf dem Sudetendeutschen Tag sprach. Herman grüßte die Sudetendeutschen als „liebe Landsleute“.

Der Minister betonte, die Erinnerung an die „menschenverachtenden Verbrechen“ der Vertreibung lösten „Scham“ bei ihm aus. Er bat die Sudetendeutschen namens der tschechischen Regierung um Verzeihung. Es habe sich von seiten eines Teils des tschechischen Volkes um Rache für die nationalsozialistischen Verbrechen gehandelt, sagte Minister Herman unter dem Beifall der Sudetendeutschen. Dabei sei das schädliche und ungerechte Kollektivschuldprinzip zur Anwendung gekommen.

Vertreibung war unmoralisch, ungerecht, rachsüchtig

Daniel Herman zitierte den verstorbenen tschechischen Staatspräsidneten Václav Havel, die Vertreibung sei eine „unmoralische Tat, die nicht durch den Drang nach Gerechtigkeit, sondern durch den Drang nach Rache geleitet wurde“. Auch die früheren tschechischen Premierminister Paroubek und Necas hätten bereits ihr Bedauern über die Vertreibungsverbrechen erklärt.

In sehr persönlichen Worten skizzierte Herman an seine Kindheit und Jugend im südböhmischen Budweis und im Böhmerwald – Gegenden, die durch die Sudetenddeutschen stark geprägt sind. „Die vertrockneten Äste in den verlassenen Gärten zeichneten Fragezeichen in den Himmel“, so Herman. Trotz der Angst vor Verfolgung durch die Kommunisten habe er das Gespräch mit Vertriebenen und Westdeutschen gesucht, um zu verstehen, was warum geschehen sei, und wie Versöhnung möglich sei.

Die Erbauung des gemeinsamen europäischen Hauses brauche die Aussöhnung zwischen Deutschen und Tschechen als unverzichtbaren Grundstein, so Herman. Bedauerlicherweise habe Zukunftsangst die Völker Europas ergriffen, die zu neuen Worten des Hasses führten. „Wir müssen das gemeinsame Haus Europa gegen jeden verteidigen, der erneut versucht, Hass zu säen“, so der tschechische Kulturminister.

„Auf diesen Moment haben viele Landsleute jahrzehntelang hingearbeitet“

Der Sprecher der Sudetendeutschen Volksgruppe, Bernd Posselt, nannte Hermans Grußwort, die erste Rede eines tschechischen Ministers auf einem Sudetendeutschen Tag, einen „historischen Augenblick“. Auf diesen Moment hätten viele Landsleute auf beiden Seiten der Grenze hingearbeitet, sogar schon als der Eiserne Vorhang noch die Völker trennte. Das umso mehr, als Herman als offizieller Vertreter der Prager Regierung und der Premierministers Sobotka aufgetreten sei.

Die Rede Hermans nannte Posselt „nicht nur eine klare Absage an die Vertreibung, sondern auch an den unseligen Kollektivschuldgedanken, der das 20. Jahrhundert verpestet hat“. Schon die früheren Volksgruppensprecher hätten zugegeben, dass die Sudetendeutschen ihren Anteil an den nationalsozialistischen Verbrechen gehabt hätten.

Vergeben und um Vergebung bitten

Posselt berichtete, er selbst habe im vergangenen Jahr vor einem Millionenpublikum im tschechischen Fernsehen das tschechische Volk um Vergebung gebeten für den sudetendeutschen Anteil an den nationalsozialistischen Verbrechen. „Ich wiederhole das heute.“ Es dürfe aber auch nie vergessen werden, „was unseren Vorfahren an grauenhaftem Schicksal wiederfahren ist“, so Posselt.

Posselt lobte die derzeitige tschechische Regierung, die viele Zeichen der Versöhnung gesandt habe, und zwar aus allen drei Koalitionsparteien. Allerdings gebe es auch aus den Regierungsparteien antideutsche Töne. Auch die Oppositionspartei TOP-09 von Fürst Karl Schwarzenberg habe kein politisches Kapital aus der deutsch-tschechischen Annäherung gezogen, sondern sei im Gegenteil ein Antreiber der Aussöhnung.

Zusammenleben im Herzen Europas richtig organiseren

Die tschechische Kommunistische Partei hingegen kritisiere Minister Herman für seinen Besuch beim Sudetendeutschen Tag und fordere ihn zum Rücktritt auf, berichtete Posselt. Die tschechoslowakischen Kommunisten aber hätten jahrzehntelang Verantwortung für den mörderischen Eisernen Vorhang getragen. Sie sollten sich lieber umbennen, für ihr eigenes Unrecht Buße tun und ihr Vermögen einem Entschädigungsfonds spenden, forderte der Volksgruppensprecher.

Das Erheben von Forderungen führe nicht zum Erfolg. „Erfolg hat nur der, der sich in den anderen hineinversetzen kann, ohne die eigenen Anliegen zu vernachlässigen“, so Posselt. Die Europäer müssten das Zusammenleben im Herzen Europas so organisieren, „dass es keine Feindschaft, keine neue Kollektivschuld und keine Vertreibung mehr gibt, sondern dass die gegenseitige Schuld ordnetlich aufgearbeitt und entsorgt wird“.

Große Mehrheit der Sudetendeutschen und der Tschechen wollen die Versöhnung

„Bei Gründung des Sudetendeutschen Tags 1950 hätten wir uns das nicht vorstellen können, dass irgendwann einmal ein offizieller Vertreter der tschechischen Regieurng ein Grußwort bei uns spricht“, hatte der Obmann der Landesgruppe Bayern der Sudetendeutschen Landsmannschaft, Steffen Hörtler, zur Begrüßung des tschechsichen Kulturministers Daniel Herman gesagt. „Die große Mehrheit der Sudetendeutschen und der Tschechen ist auf dem Weg der Versöhnung“, erklärte Hörtler. Man habe schon viel erreicht. Es gebe aber auch starke Kräfte auf beiden Seiten, die versuchen, das Erreichte zu zerstören. „Das dürfen wir nicht zulassen“, betonte Hörtler.

Als Ehrengäste der Hauptkundgebung des Sudetendeutschen Tages waren unter anderem die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV), Erika Steinbach (CDU), Bayerns Sozialministerin Emilia Müller (CSU) sowie zahlreiche Landtagsabgeordnete und Kommunalpolitker gekommen. Vor Beginn der Hauptkundgebung waren unter den Klängen des Egerländer Marsches und unter großem Beifall der Besucher Dutzende sudetendeutsche Trachtengruppen festlich eingezogen, für Horst Seehofer indes wurde der Bayerische Defiliermarsch gespielt.

Regensburger Bischof Voderholzer versteht Bedenken gegenüber Islam

Der Regensburger Bischof Rudolf Voderholzer betonte in seiner Pfingstpredigt beim Pontifikalamt auf dem Sudetendeutschen Tag, er verstehe die Sorgen vieler Bürger, die dem Integrationsoptimismus skeptisch gegenüberstehen – angsichts von Masseneinwanderung aus dem Orient, fanatisierter moslemischer Extremisten und wiederholter Terroranschläge mitten in Europa. „Der Islam versteht sich in entscheidenden Punkten nicht als komplementäre Größe des Christentums, sondern als Korrektur“, so Voderholzer. Der Glaube an den dreifaltigen Gott beispielsweise sei für den Islam Gotteslästerung.

„Es geht nicht nur um Schweinefleisch und Kopftuch, sondern zentral um die Gottesfrage und damit das Menschenbild“, sagte Voderholzer. Der Islam veneine gerade die Menschwerdung Gottes in Jesus Christus und damit die zentrale Glaubensaussage des Neuen Testaments, das „Kleinmachen Gottes“ in Geburt, Sterben am Kreuz und der Auferstehung. Damit lehne der Islam auch die den Glaubensgrundsatz der Gottebenbildlichkeit jedes Menschen ab – und damit der Unzerstörbarkeit der Würde jedes Menschen.

Eigentliches Problem ist die geistige Schwäche Europas

Der Regensburger Bischof verwies auf die Aussagge des verstorbenen Journalisten und Orient-Kenners Peter Scholl-Latour: „Europa muss sich nicht Sorgen machen wegen der Stärke des Islams, sondern wegen seiner eigenen geistigen Schwäche“, zitierte Voderholzer. Die Moslems würden den Christen nicht deren Glauben übel nehmen. „Sondern sie erwarten von uns im Gegenteil, dass wir unseren Glauben leben und von unserem Glauben erzählen.“ Die Moslems hätten „das Recht, zu erfahren, dass das Kreuz nicht ein Symbol für gewaltsame Eroberung, sondern für die Liebe Gottes, mit der er die Menschen erlöst hat“, so Voderholzer.

Der Bischof wies auch auf den Zusammenhang zwischen Pfingstfest und dem Sudetendeutschen Tag hin, das Fest bilde eine „inhaltliche Brücke mit dem Sudetendeutschen Tag“. Die in dem Hochfest gefeierte Aussendung des Heiligen Geistes über Apostel und Pilger führe Menschen unterschiedlichster Herkunft zusammen. „Daraus geht die Gründung der Kirche hervor als weltumspannende Gemeinschaft“, so Voderholzer. Die antike Völkerliste in der Apostelgeschichte bedeute, dass „die Kirche von Anfang an universal, katholisch“ gewesen sei. Nicht die Herkunft sei entscheidend, Voraussetzung sei allein das Bekenntnis zum Dreifaltigen Gott.

Pilsener Bischof dankt heimatverbundenen Sudetendeutschen

Frantisek Radkovsky, emertierter Bischof von Pilsen, dankte den sudetendeutschen Katholiken, die nach der Grenzöffnung 1991 sehr viele Kirchen in ihren Heimatgemeinden auf eigene Kosten renoviert haben. „Das wäre sonst nicht möglich gewesen“, lobte Radkovsky. Deutsche und Tschechen könnten Gott danken, dass die früher trennende Grenze die Völker heute verbinde. „Es gibt auf beiden Seiten immer noch Leute, die ihre Denkweise nicht geändert haben“, räumte der Bischof ein. „Aber der Ton der öffentlichen Debatte, auch in den Medien, ist offen und positiv.“ Dazu hätten auch die Sudetendeutschen viel beigetragen. „Das wird bei uns auch sehr anerkannt“, so Radkovsky.