Bremse für Fernbusse
Reisende müssen vermutlich bald zehn Prozent mehr für ihr Fernbus-Ticket zahlen. Teurer wird's, weil eine Maut für Fernbusse eingeführt werden soll. Damit reagiert die Politik auf den derzeitigen Boom in der Busbranche. Ziel ist Chancengleichheit zwischen Schiene und Straße. Eine weitere Änderung: vor Schulen, Kitas, Krankenhäusern und Seniorenheimen gilt künftig generell Tempo 30.
Verkehrsministerkonferenz

Bremse für Fernbusse

Reisende müssen vermutlich bald zehn Prozent mehr für ihr Fernbus-Ticket zahlen. Teurer wird's, weil eine Maut für Fernbusse eingeführt werden soll. Damit reagiert die Politik auf den derzeitigen Boom in der Busbranche. Ziel ist Chancengleichheit zwischen Schiene und Straße. Eine weitere Änderung: vor Schulen, Kitas, Krankenhäusern und Seniorenheimen gilt künftig generell Tempo 30.

Die umstrittene Maut für Fernbusse soll kommen. Dafür sprachen sich die Verkehrsminister aller Länder bei ihrer Konferenz in Heringsdorf auf Usedom mehrheitlich aus. Das wird vermutlich zu deutlichen Preisaufschlägen für Fahrten mit dem Verkehrsmittel führen. Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer (BDO) rechnet mit Preissteigerungen von etwa zehn Prozent. Dieses Plus wäre „unverhältnismäßig hoch“, sagte BDO-Sprecher Matthias Schröter gegenüber der Bild-Zeitung. Der Bund werde nun aufgefordert, die bisherige Ausnahme für Fern- und Reisebusse von der Lkw-Maut aufzuheben, wie ein Sprecher des Vorsitzenden der Verkehrsministerkonferenz, Mecklenburg-Vorpommerns Ressortchef Christian Pegel (SPD), der Deutschen Presse-Agentur sagte.

Es ist ein systemwidriger Ausnahmezustand, dass für Fernbusse keine Maut fällig wird.

Christian Pegel, Sprecher Verkehrsministerkonferenz

Fernbus-Verkehr boomt

Fern- und Reisebusse seien bei der Einführung der Lkw-Maut zunächst ausgenommen worden, weil der öffentliche Personennahverkehr nicht zusätzlich belastet werden sollte und weil es damals noch keinen Fernbusverkehr gab, erklärte Pegel. Heute sei die Lage anders: Der Fernbus-Verkehr boomt, im vergangenen Jahr ging der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer von rund 20 Millionen Fahrgästen aus. Busse belasteten die Verkehrsinfrastruktur ähnlich wie Lastwagen und trügen erheblich zur Abnutzung von Autobahnen und Bundesstraßen bei. Deshalb müssten sie an den Kosten beteiligt werden. Befürworter der Fernbus-Maut gibt es quer durch die Parteien. Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) gehört allerdings zu den Gegnern. Nach Berechnungen des Bundesverkehrsministeriums würde eine Omnibusmaut, die der Lkw-Maut entspricht, mit 0,2 Cent pro Fahrgast und Kilometer zu Buche schlagen.

Maut trifft Geringverdiener

Die Branche reagierte erwartungsgemäß mit scharfer Kritik. Der Bundesverband Deutscher Omnibusunternehmer hält die Maut-Forderung für „völlig unangemessen“. Busse trügen nicht wesentlich zur Abnutzung der Straßen bei, denn sie hätten nur einen Anteil von 1,2 Prozent am Verkehr auf der Autobahn, sagte ein Sprecher. Das ist allerdings nur die halbe Wahrheit, denn im Straßenbau gilt bei der Straßenabnutzung die Faustformel „Ein Lkw entspricht je Achse mindestens 10.000 bis 15.000 Pkw – oder mehr“, also ist der Schaden, den ein Lkw bei seiner Fahrt auf der Straße verursacht, mindestens 10.000 Mal so hoch, wie der eines Pkw – auf ähnliche Werte dürften die Busse kommen. Die Beanspruchung einer Straße durch ein Kraftfahrzeug ist nämlich umso größer, je größer die Achslast des betreffenden Fahrzeugs ist und je mehr Achsen es hat. Die Belastung je Achse hoch vier, das ist der Wert, mit dem die Straße belastet wird.

Auch in der Auto- und Fahrzeugindustrie stieß der Vorschlag der Minister auf Ablehnung. Der Chef des Branchenverbands VDA, Matthias Wissmann, kritisierte: „Davon wären vor allem Menschen mit geringem Einkommen betroffen. Denn gerade für sie schafft der Fernbus ein Angebot für bezahlbare Mobilität.“ Die durch den Busverkehr auf den Autobahnen entstehenden Wegekosten würden bei weitem schon jetzt abgedeckt.

Mit einer Bus-Maut bremst die Politik den jungen Fernbusmarkt aus.

Matthias Wissmann, VDA-Chef

Der Chef des Verkehrsausschusses im Bundestag, Martin Burkert (SPD), schloss sich dem Vorschlag einer Fernbus-Maut an. Eine Kostenbeteiligung zur Finanzierung der Infrastruktur von 0,4 Cent pro Fahrgast und Kilometer könnte etwa Anfang 2018 eingeführt werden, sagte der Politiker der Mittelbayerischen Zeitung. Dann soll das Personenbeförderungsgesetz geändert werden. Bustickets würden sich dadurch „nur unwesentlich verteuern“, meinte Burkert.

Chancengleichheit auf Straße und Schiene

Der Auto Club Europa (ACE) lobte den Vorstoß der Länderminister. Straßen und Brücken litten unter der zunehmenden Zahl an Bussen, sagte der Vorsitzende Stefan Heimlich. Auch der Verband Allianz Pro Schiene unterstützt eine Fernbus-Maut. „Die Einschätzung des Vorsitzenden der Verkehrsministerkonferenz trifft den Nagel auf den Kopf“, meinte Geschäftsführer Dirk Flege. Die Allianz pro Schiene begrüßte die Initiative, auf einer Chancengleichheit zwischen Straße und Schiene zu bestehen.

Der umgehende Protest der Buslobby gegen eine drohende Maut macht deutlich, dass man hier um Pfründe fürchtet, die die Wettbewerber aus der Schiene deutlich benachteiligen.

Alexander Kirchner, Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft

Auch unabhängige Verkehrsexperten wie Christian Böttger von der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin plädieren dafür, eine Fernbus-Maut einzuführen. Bislang entrichten die Fernbus-Betreiber nur Steuern, die Eisenbahnunternehmen dagegen zahlen bereits die sogenannten Trassengebühren, damit sie überhaupt einen Zug aufs Gleis stellen dürfen. Das verschlingt enorme Summen: In diesen Posten steckt der Aufgabenträger in Bayern, die Bayerische Eisenbahngesellschaft, rund 60 Prozent seiner Gelder, laut Zeit Online.

Mehr Geld für Sanitäreinrichtungen

Die Eisenbahn- und Verkehrsgewerkschaft (EVG) plädierte sogar für eine deutlich höhere Abgabe. Mit einer reinen Straßenmaut sei es nicht getan, erklärte der EVG-Vorsitzende Alexander Kirchner. „Wir fordern einen zusätzlichen Cent pro Kilometer, der zweckgebunden in den Bau von Sozial- und Sanitäreinrichtungen für die Fernbusfahrer investiert werden muss.“ Hier herrschten teils unhaltbare Zustände, die im Schienenverkehr undenkbar seien, was dort zusätzliche Kosten verursache. Kirchner beklagte die „permanente Benachteiligung“ der Schiene gegenüber der Straße. Im Schienenverkehr werde für jeden gefahrenen Kilometer eine Trassengebühr fällig, der Fernbus dagegen zahle nichts. „Der umgehende Protest der Buslobby gegen eine drohende Maut macht deutlich, dass man hier um Pfründe fürchtet, die die Wettbewerber aus der Schiene deutlich benachteiligen“, urteilte Kirchner.

Goldgräberstimmung auf dem Fernbusmarkt

Das noch junge Geschäft mit den Fernbussen besteht in Deutschland seit dem Jahr 2013. Zuvor war es untersagt und Konkurrenz für die Deutsche Bahn im Fernlinienverkehr verboten. Als Fernfahrt gilt eine Linientour von mehr als 50 Kilometer, teilweise gab es diese schon für drei Euro. Der Preiskampf wird von dem Marktführer MeinFernbus diktiert, der im vergangenen Jahr mit der Konkurrenz von Flixbus fusionierte und derzeit 73 Prozent Marktanteil hält. Neuerdings mischt auch der schottische Anbieter Megabus auf dem deutschen Markt mit, der bereits rund 300 Ziele in Europa und den Vereinigten Staaten anfährt und sich in der Bundesrepublik gute Chancen ausrechnet. Möglicherweise wird die Goldgräberstimmung jetzt durch die Politik gebremst.

Tempo 30 vor Schulen

Die Verkehrsminister beschlossen zudem eine Änderung der Straßenverkehrsordnung. Demnach soll in Deutschland künftig vor Schulen, Kitas, Krankenhäusern und Seniorenheimen generell Tempo 30 gelten. Eine entsprechende Änderung der Straßenverkehrsordnung haben die Verkehrsminister der Länder nach Angaben des sächsischen Ressortchefs Martin Dulig beschlossen. Damit solle die Verkehrssicherheit vor allem für Kinder und Ältere sowie der Lärmschutz verbessert werden. Bisher habe bei der Einrichtung von 30er-Zonen nachgewiesen werden müssen, dass es sich um Unfallschwerpunkte handelt. Diese Vorschrift sei nun hinfällig. „Mit der Vereinfachung für Tempo-30-Zonen können wir Unfällen vorbeugen und sorgen für mehr Verkehrssicherheit“, sagte Dulig.

(dpa/AS)