Freude: Flüchtlinge erreichen mit letzter Not die Küste der griechischen Insel Lesbos. (Bild: Imago/Zuma Press)
Asylpolitik

Türkei-Deal wirkungslos?

Eine Analyse der Bundespolizei warnt vor falschen Schlüssen aus den derzeit niedrigen Flüchtlingszahlen in der Ägäis. Dafür sei nicht der Türkei-Deal oder die türkische Polizei verantwortlich – sondern das schlechte Wetter. Der Deutsche Philologenverband fordert, die mit Flüchtlingen belegten Turnhallen wieder für die Schüler frei zu machen. In Bayern wird das bereits umgesetzt.

Die Analyse der Bundespolizei, die angeblich der Zeitung „Die Welt“ vorliegt, warnt vor falschen Schlüssen aus den derzeit niedrigen Flüchtlingszahlen, die über das Meer Richtung Griechenland kommen. Dafür sei nicht der Türkei-Deal verantwortlich – sondern schlicht und einfach das schlechte Wetter in der Ägäis. „Die gegenwärtig rückläufigen Anlandungszahlen sind primär auf die schlechten Witterungsverhältnisse zurückzuführen und derzeit kein Indikator für die angestrebten Wirkungen von Maßnahmenpaketen“, heißt es laut der Zeitung in dem Bericht. Die weitere Entwicklung der Migrationslage werde dabei wesentlich von der Umsetzung des umstrittenen Türkei-Deals abhängen.

Gewaltsame Ausschreitungen werden voraussichtlich weiter zunehmen.

Bericht der Bundespolizei

„Intensivierte Maßnahmen der türkischen Sicherheitsbehörden sind bislang nur punktuell erkennbar und führen bislang zu keiner Veränderung der Migrationslage“, bemängelt die Bundespolizei weiter. „Ohne die zeitnahe Rückführung nicht schutzberechtigter Personen werden durch das Verbringen und Festhalten von Migranten in Aufnahme- oder Rückführungseinrichtungen gewaltsame Ausschreitungen voraussichtlich weiter zunehmen“, heißt es in dem Papier über die „Hot Spots“ in Griechenland. Der Rückzug von Nichtregierungsorganisationen aufgrund dieser Ausschreitungen könnte dann die Lage weiter verschärfen.

Die geschlossenen Grenzen in Europa sorgen für einen deutlichen Rückgang der Flüchtlingszahlen auf der Balkanroute, beflügeln aber laut Bundespolizei das Schleusergeschäft. Ausweichrouten der Flüchtlinge etwa über Albanien, Bulgarien oder das Schwarze Meer seien noch nicht erkennbar, auch wenn die Zahlen in Italien um 44 Prozent stark anstiegen.

Lehrerverband will Freigabe der Turnhallen

Rund 1000 Turnhallen in Deutschland werden als Notunterkunft für Flüchtlinge genutzt und seit September sind etwa 50.000 Sportstunden ausgefallen. Der Deutsche Philologenverband nannte diese Zahlen und forderte in der Neuen Osnabrücker Zeitung angesichts der stark gesunkenen Flüchtlingszahlen und leer stehender Unterkünfte die Länder auf, die Turnhallen wieder für den Sportunterricht freizugeben. „Die Belegung von Turnhallen darf keine Dauerlösung sein“, sagte Verbandschef Heinz-Peter Meidinger der Zeitung. Besonders in Berlin und in Nordrhein-Westfalen seien noch immer viele Hallen belegt. Er appellierte ferner an die Länder, die Mittel zur notwendigen Renovierung der Turnhallen bereit zu stellen. Deren Spezialböden hätten unter anderem durch die Aufstellung von Metallbetten gelitten.

Die Belegung von Turnhallen darf keine Dauerlösung sein.

Heinz-Peter Meidinger

Hallen müssen renoviert werden

Ein Beispiel aus Bayern: 180 Flüchtlinge machten innerhalb von zwei Monaten die Dreifachturnhalle in Gräfelfing sanierungsbedürftig. Aus Zeitmangel wurden nur lose Teppichfliesen verlegt und diese verrutschten, wodurch der Boden stark beschädigt wurde. Auch die Sanitärbereiche, die für so viele Menschen nicht ausgelegt waren, litten unter Schimmelbefall und verstopften Abflüsse. Die Kosten der Sanierung für den Landkreis München werden auf 575.000 Euro veranschlagt.

Die Belegung der Turnhallen sorgt überall für große Probleme, weil nicht nur die Schüler, sondern auch die Vereinssportler ausgesperrt werden. In vielen Orten wird deshalb das Hallentraining für alle Altersklassen reduziert und auf die übrigen kommunalen Hallen verteilt. Auch Wettkämpfe oder Spiele werden teilweise nur unter größten Mühen auf umliegende Hallen verteilt. Gerade Hallensportler wie Handballer, Volleyballer oder Turner leiden darunter derart, dass es in Einzelfällen schon existenzbedrohend wird. Vereinsaustritte gibt es jedenfalls schon vielerorts. In den Vereinen macht sich laut Deutschem Olympischen Sportbund eine zunehmende Unzufriedenheit über die Situation breit.

Bayern entlastet die Kommunen

In Bayern wird bereits versucht, die Hallen wieder freizumachen: Die Regierung von Oberbayern wird den Landkreisen bis Ende April keine weiteren Asylbewerber zuweisen. Dadurch sollen vor allem die Gemeinden entlastet werden, die derzeit noch Turnhallen zur Unterbringung der Flüchtlinge nutzen. Flüchtlinge sollen auf freigewordene Plätze in den dezentralen Unterkünften verteilt werden. „Die Situation in den Einrichtungen hat sich deutlich entspannt“, berichtet im Münchner Merkur auch der Deggendorfer Landrat Christian Bernreiter, zugleich Präsident des Bayerischen Landkreistags. „Dieser Rückgang war dringend nötig, damit wir die Flüchtlingsunterbringung in ein geordnetes System lenken können.“ Es sei aber zu früh, um aufzuatmen:

Wir dürfen nicht blauäugig sein. Die Flüchtlinge werden irgendwann über neue Routen zu uns kommen.

Umfrage unter Deutsch-Syrern

Die Hälfte der schon länger in Deutschland lebenden Syrer ist für eine Obergrenze in der Flüchtlingsfrage. Dies ergab eine Umfrage des Instituts TMS Emnid im Auftrag der Uni Münster, die in Teilen der dpa vorliegt. 71 Prozent der Befragten waren danach überzeugt, dass die Mehrheit der Syrer nach Ende des Krieges wieder in ihre Heimat zurückkehren wollen. 46 Prozent fragten sich, ob unter den Neuankömmlingen auch Terroristen sind. Mehr als zwei Drittel waren der Ansicht, dass sich viel in Staat und Gesellschaft ändern müsse, damit das Land mit den Problemen bei der Aufnahme der Flüchtlinge fertig werde.